Freitag, März 29, 2024

Nagelbettentzündung – chronische Paronychie: zahlreiche Differenzialdiagnosen

Eine Nagelbettentzündung – chronische Paronychie – kann an Fingern und auch an Zehen auftreten, sehr schmerzhaft sein und muss ernst genommen werden.

Als Nagelbettentzündung, fachlich als chronische Paronychie bezeichnet, wird eine Infektion des Nagelbettes bezeichnet. Am häufigsten verursachen Bakterien, allen voran Staphylokokken, die Entzündung der Nägel, wobei im Zweifelsfall auch an Herpesviren und Hefepilze als mögliche Krankheitserreger zu denken ist. Die Nagelbettentzündung gehört zu den häufigsten Erkrankungen der Finger, wobei nicht selten Patienten mit Diabetes mellitus oder PAVK eine chronische Paronychie bekommen.

Unter dem Strich ist die Paronychie eine Infektion der Fingernägel und Zehennägelfalten. Betroffen sind dabei das Gewebe, die Wurzel sowie die Seiten des Nagels. Der Zustand kann spontan oder nach einem Trauma oder einer Manipulation auftreten. Im Grunde genommen gehört die Paronychie jedenfalls zu den häufigsten Infektionen der Hand, die dadurch entsteht, dass die Schutzbarriere zwischen Nagel und Nagelfalte aufbrechen. Die akute Paronychie ist normalerweise auf einen Nagel beschränkt. Die chronische Paronychie kann allerdings viele Nägel betreffen.

Im Grunde darf man Infektionen der Fingerendglieder keinesfalls nicht zu unterschätzen. Wobei zahlreiche Differenzialdiagnosen zu beachten sind, die man nicht sofort operieren sollte. Vorweg ist hingegen zuerst eine spezielle und häufig interdisziplinäre, dermatologische, histologische, radiologische sowie internistische Diagnostik notwendig. Zu beachten ist weiter, dass es chirurgische Interventionen manchmal zu katastrophalen Ergebnissen führen kann.

 

Wie eine Nagelbettentzündung beginnt

Der Nagel besteht aus Nagelwurzel (Nagelmatrix), Nagelplatte, Nagelwall und eben dem Nagelbett. Das Nagelbett ist jener Gewebebereich, aus dem Nagel wächst und liegt. Bei einer Nagelentzündung kann aber auch das Gewebe rund um die Nägel entzündet sein – sowohl an den Fingern als auch an den Zehen.

Wenn Hände oder auch Füße oft feucht sind, werden sie anfällig für eine chronische Paronychie. Zu den Risikogruppen zählen allem Menschen, die auch beruflich häufig in Kontakt mit Wasser, Seife, Detergentien, Chemikalien und Kohlenhydraten kommen. Allen voran sind Hausfrauen, aber auch Köche, Barmänner, Konditoren, Fischverkäufer und ähnliche Berufsgruppen betroffen. Weiter kann sich eine Nagelentzündung auch bei Ekzem oder Psoriasis entwickeln.

Der Beginn der Nagelbettentzündung ist im Grunde genommen gewöhnlich schleichend. Es tritt eine Rötung und Schwellung, oft im Bereich des lateralen Nagelwalls und mit Verlust der Kutikula auf.

Sehr häufig entsteht ein Druckschmerz. Im weiteren Entzündungsverlauf können die Schmerzen immer stärker werden, die Entzündung führt zu einem Pochen in den befallenen Fingern und Zehen.

Oft bildet sich in der Tasche unter dem Nagelwall auch Eiter. Hin und wieder kann es zu akuten schmerzhaften Exazerbationen dieser persistierenden Entzündung mit Störung des Nagelwachstums, Verfärbung und Veränderung der Kontur und Oberfläche des Nagels kommen.

Im Anfangsstadium ist die Nagelplatte nicht beteiligt. Aber ein oder beide Ränder können unregelmäßig werden und sich gelb, braun oder schwärzlich verfärben. Diese Verfärbung kann sich auf einen Großteil der Nagelplatte ausbreiten. Bei Kindern ist Daumen- oder Fingernuckeln der häufigste prädisponierende Faktor, da Speichel sogar stärker reizend wirkt als Wasser.

 

Optionen zur Behandlung einer chronischen Paronychie

Wenn eine Entzündung ohne Abszess vorliegt, kann die Behandlung warmes Einweichen mit Wasser oder antiseptischen Lösungen (Chlorhexidin, Povidon-Jod) umfassen. Das Einweichen in warmes Wasser sollte dabei mehrmals täglich 10 bis 15 Minuten dauern.

Bewährte Therapien umfassen Kortikosteroid-haltige TinkturenSalben oder Cremen, die man auf den Nagel aufbringt. Auch Tacrolimus oder pflanzliche Präparate können hilfreich sein. Betroffene sollten Handschuhe sowie schützende Präparate zum Einschmieren verwenden. Vor allem dann, wenn der Kontakt mit Wasser beispielsweise beim Arbeiten nicht zu verhindern ist.

Die durch Verlust des Nagelhäutchens entstandene Öffnung sollte trocken und frei von anderen Keimen gehalten werden. Hände und Füße sollte man möglichst trocken halten. Damit kann man die Neubildung des Nagelhäutchens unterstützen, damit sich die Öffnung zwischen dem Nagelfalz und der Nagelplatte wieder schließt.

Wenn eine chronische Paronychie auf keine Behandlung anspricht, ist jedenfalls die chirurgische Entfernung des proximalen Nagelwalls und der proximalen lateralen Nagelwallanteile angezeigt. Im Grunde genommen behandelt man dann Paronychien entweder mit Inzision und Drainage. Wobei die Heilung danach etwa 8 Wochen beträgt.

 

Retronychie als Ursache für eine Nagelbettentzündung

Die sogenannte Retronychie – das retrograde Einwachsen der Nagelplatte in den proximalen Nagelfalz – gilt ebenfalls als Ursache für Paronychie. Die Retronychie wurde klassisch als Indikation für einen totalen Ausriss der Nagelplatte angesehen. Allerdings haben jüngste Fallstudien die tatsächliche Notwendigkeit dieser Behandlung infrage gestellt. Der totale Ausriss der Nagelplatte ist zwar immer noch die effizienteste Behandlungsoption. Allerdings können topische Steroide und andere nicht-invasive Ansätze in manchen frühen, milden Fällen durchaus als Therapie ausreichen.



 

Bakterien als Verursacher einer Paronychie im stationären Bereich

Im Grunde genommen sind häufig Bakterien, die in das betroffene Areal eindringen, die Ursache für die Infektion. Große Bedeutung hat deswegen, dass der Dermatologe oder Hautarzt frühzeitig eine mikrobiologische Diagnose einleitet, um rechtzeitig mit einer angemessenen Therapie beginnen zu können. Damit kann man am besten das Risiko von Komplikationen sowie die Entwicklung einer bakteriellen Resistenz gegen Antibiotika vermeiden.

Vor allem bei den gefährlichen nosokomialen Paronychie-Infektionen (Krankenhausinfektion) ist das Bakterium Staphylococcus haemolyticus einer der häufigsten Verursacher, der die Fähigkeit hat, eine mehrfache Resistenz gegen Antibiotika zu erlangen. In seltenen Fällen von Fuß- und Hand-Paronychie mit Superinfektion beispielsweise von Prevotella bivia und Staphylococcus haemolyticus ist die richtige Diagnose besonders bedeutend. Denn Infektionen mit Prevotella bivia sind häufig besonders schwerwiegend und erhöhen auch das Risiko für eine Osteomyelitis. Zudem gibt es keine guten Empfehlungen für eine angemessene antibiotische Therapie.


Literatur

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Quellen:

Onychomykose und Nagelveränderungen. Univ.-Prof. Dr. Gabriele Ginter-Hanselmayer. MEDMIX 01–02/2006; S68-71.

https://www.nlm.nih.gov/medlineplus/ency/article/001444.htm

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