Freitag, April 26, 2024

Mit Licht die Kehlkopfmuskeln stimulieren und trainieren

Forschern ist es gelungen, mit Licht die Kehlkopfmuskeln zu stimulieren. Dies könnte sich als alternative Behandlung bei einer Kehlkopflähmung etablieren.

Medizinern der Universität Bonn ist es unlängst gelungen, die Kehlkopfmuskeln einer Maus mit Licht zu stimulieren. Möglicherweise ist es mit dieser Methode mittelfristig möglich, Kehlkopflähmungen beim Menschen zu therapieren. Diese können beispielsweise nach Schilddrüsen-Operationen auftreten und zu Problemen beim Sprechen sowie schwerer Atemnot führen.

Die Übertragung von Lichtsignalen in die Kehlkopfmuskeln erfolgte über injizierte Moleküle aus Grünalgen

Muskeln reagieren auf Nervenimpulse, indem sie sich zusammenziehen. Durch Licht lässt sich diese Kontraktion normalerweise nicht auslösen. Vor einigen Jahrzehnten wurde jedoch in Grünalgen eine exotische Molekülgruppe entdeckt, die so genannten Kanal-Rhodopsine. Kanal-Rhodopsine sind Schleusen für elektrisch geladene Teilchen, die sich bei Beleuchtung öffnen. Wenn man Kanal-Rhodopsine geeignet verpackt und in einen Muskel injiziert, werden sie in die einzelnen Muskelzellen eingebaut. Sobald man eine solche Zelle nun mit Licht reizt, öffnen sich die Kanäle. Es strömen positiv geladene Ionen in die Muskelzelle, die so zur Kontraktion angeregt wird.

Dieses Funktionsprinzip ist schon seit einigen Jahren bekannt. Bereits 2010 hat die Bonner Arbeitsgruppe mit derselben Methode die Herzmuskulatur von Mäusen stimuliert. Kehlkopfmuskeln zählen jedoch zur Skelettmuskulatur. „Und für Skelettmuskeln gelten andere Gesetze“, betont der Leiter der Studie Juniorprofessor Dr. Philipp Sasse. So lässt sich in der Skelettmuskulatur jede Zelle separat zur Kontraktion anregen. Auf diese Weise kann der Körper die ausgeübte Muskelkraft sehr fein steuern. Skelettmuskeln können zudem – anders als der Herzmuskel – auch Haltearbeit leisten: Werden sie sehr schnell hintereinander immer wieder gereizt, bleiben sie kontrahiert. „Wir haben nun erstmals zeigen können, dass wir durch Lichtpulse ebenfalls eine dauerhafte Kontraktion auslösen können“, sagt Dr. Tobias Brügmann, Erstautor der Studie. „Je nachdem, wohin wir den Lichtstrahl richten, können wir zudem einzelne Muskelgruppen reizen – genauso, wie es der Körper über die Nerven macht.“

 

Neue therapeutische Möglichkeiten

Damit weist die Methode möglicherweise auch den Weg zu neuen Therapieansätzen. Profitieren könnten in einigen Jahren etwa Menschen mit einer Kehlkopflähmung. Zu dieser Störung kann es zum Beispiel nach Schilddrüsen-Operationen kommen, wenn durch den Eingriff die Kehlkopfnerven verletzt wurden. Der Kehlkopf übernimmt wichtige Funktionen beim Sprechen und Schlucken, vor allem aber beim Luftholen: Die Kehlkopfmuskeln ziehen beim Atmen die Stimmlippen auseinander, so dass die Luft in die Lunge einströmen kann. Bei einer vollständigen Lähmung können die Betroffenen nicht mehr atmen.

Durch Verkabelung mit einem elektrischen Stimulator lässt sich die Kehlkopfmuskel-Funktion leider meist nicht wiederherstellen. „Dazu gibt es dort auf engem Raum zu viele verschiedene Muskeln“, erläutert der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Tobias van Bremen, einer der Ko-Autoren der Studie. „Sie gezielt einzeln elektrisch zu stimulieren, ist so gut wie unmöglich.“ Die Beleuchtungs-Methode ist ein ganz neuer, viel versprechender Ansatz. Im Tierversuch haben die Bonner Mediziner bereits zeigen können, dass es tatsächlich funktioniert: Bei Mäuse-Kehlköpfen konnten sie durch Beleuchtung gezielt den Luftkanal öffnen.

Ob das dereinst beim Menschen ebenfalls funktionieren wird, ist noch offen. Im Nächsten Schritt wollen die Bonner Forscher einen optischen Stimulator des Kehlkopfs an lebenden Schweinen erproben.

 


Literatur:

Bruegmann T, van Bremen T, Vogt CC, Send T, Fleischmann BK, Sasse P. Optogenetic control of contractile function in skeletal muscle. Nat Commun. 2015 Jun 2;6:7153. doi: 10.1038/ncomms8153. PMID: 26035411; PMCID: PMC4475236.


Bildtext: Dr. Tobias Brügmann, Juniorprofessor Dr. Philipp Sasse und Dr. Tobias van Bremen (von links) demonstrieren mit dem Lichtleiter das Funktionsprinzip. © Claudia Siebenhüner/Universitätsklinikum Bonn

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