Freitag, April 19, 2024

Gegen Haarausfall: Androgenetische Alopezie mit Minoxidil behandeln

Androgenetische Alopezie behandelt man bei Frauen und Männern lokal mit Minoxidil in 2- oder 5%-igen Lösungen mit guter Wirkung gegen Haarausfall.

Unter den lokal anzuwendenden Wirkstoffen bei androgenetischer Alopezie – der genetisch bedingten Erkrankung – steht Minoxidil bei Frauen und Männern an vorderster Stelle. Ursprünglich als Antihypertensivum entwickelt, verursachte seine systemische Anwendung bei vielen Patienten eine auffallende Hypertrichose, übermässigen Haarwuchs, als Nebenwirkung. In Einzelfällen war dieser Effekt so stark, dass vor allem die betroffenen Frauen aus ästhetischen Gründen die Fortführung der Minoxidil-Behandlung verweigerten. Diese beobachtete Hypertrichose führte zu Versuchen, Haarausfall beziehungsweise Haarwachstumsstörungen mit lokalen Minoxidil-Applikationen zu behandeln.

 

Androgenetische Alopezie

Unter dem Strich ist die Androgenetische Alopezie die häufigste Ursache für Haarausfall bei Männern und Frauen. Bei Männern ist der Zustand durch Haarausfall in einem genau definierten Muster gekennzeichnet, der eine Rezession der Haarlinie in einem typischen M-förmigen Muster verursacht. Und zwar zusammen mit einer Ausdünnung des Haarscheitelpunkts, was in den meisten Fällen zu einem Fortschreiten zu teilweiser oder vollständiger Kahlheit führen kann. Bei Frauen kann Haarausfall den mittleren Frontalbereich ohne Rezession des Haaransatzes beeinträchtigen. Es kommt aber selten zu einer vollständigen Kahlheit.

 

Wirkung von Minoxidil

Zwei Gründe erschwerten ursprünglich die Entwicklung eines derartigen Produktes mit Minoxidil gegen Haarausfall. Einerseits ist Minoxidil galenisch problematisch und andererseits sollte ausschließlich eine Beeinflussung der Haarwurzeln ohne Senkung des Blutdrucks erfolgen.

Minoxidil
Minoxidil

Dementsprechend war bei ausreichender Stabilität eine gute, aber keine zu ­gute Resorption verlangt. Nach jahrelangen Versuchen wurden schließlich die heute zur Ver­fügung stehenden 2 und 5%igen Minoxidil-Lösungen entwickelt.

Bei Magistraliter-Zubereitungen ist weder die Förderung des Haarwachstums noch das Fehlen unerwünschter Wirkungen (hypo­tone Effekte) gesichert.

Die Wirkung von Minoxidil ­beruht einerseits auf einer Vermehrung und Stimulierung der perifollikulären Kapillaren. Prinzipiell regt dies die Teilung der Stammzellen des Haares an. Weiters kommt es durch den Wirkstoff zu einer beschleunigten Differenzierung der Haarzellen sowie auf einer gesteigerten DNS-Synthese. Schlussendlich erhöht die Wirkstoffanwendungauch die Synthese von Prostaglandinen E2.

 

Durchblutung der Haarwurzel verbessern

Im Grunde genommen greift Minoxidil nicht in spezifischer Weise in die Pathophysiologie der androgenetischen Alopezie ein. Hingegen verbessert der Wirkstoff die Durchblutung der Haarwurzel und regt die Haarbildung an. Aus diesem Grund lässt sich Minoxidil bei praktisch allen Haarwachstumsstörungen sowie bei Männern und Frauen einsetzen.

Zahlreiche, nach den Richtlinien der EBM durchgeführte Untersuchungen an vielen tausend Männern und Frauen bestätigten die therapeutische Wirkung lokaler Minoxidil-Anwendungen bei androgenetischer Alopezie und bei anderen diffusen Haarwachstumsstörungen.

Der Haarausfall sistiert, fallweise erfolgen innerhalb einiger Monate sogar eine Vermehrung und eine Verstärkung der Haare. Bei 11.000 Patienten ergab sich nach mindestens sechsmonatiger Anwendung von 2%igem Minoxidil folgende Beurteilung: bei 20% der Fälle ausgezeichnet, bei 45% der Fälle gut, bei 30% der Fälle zufriedenstellend und nur bei 5% der Fälle unbefriedigend.

 

Haarausfall bei Androgenetischer Alopezie im Selbstversuch mit Minoxidil behandelt

Von 144 deutschen Ärzten mit androgenetischer Alopezie beurteilten vor einigen Jahren 90% Minoxidil gegen Haarausfall im Selbstversuch als erfolgreich. Dementsprechend setzten sieben von zehn nach dem Prüfzeitraum die Behandlung selbst fort. Schließlich zeigte sich auch, dass mit 5%igen Minoxidil die Besserung des Haarausfalls rascher eintritt als mit 2%igem Minoxidil.

Besonders wichtig waren die Ergebnisse einer Sicherheitsstudie. Dabei wurde eine zweimal tägliche Applikation von 5%igem Minoxidil bei 1.088 Patienten über 32 bis 96 Wochen durchgeführt. Dies ergab bei 1.043 Patienten Serumspiegel unter 5ng/ml. Bei 38 Probanden wurden Werte zwischen 5,1 und 10ng/ml gemessen. Nur in sieben Fällen fanden sich Serumspiegel zwischen 10,1 und 16,5ng/ml.

Da Auswirkungen auf den Blutdruck erst ab einem Serumspiegel von 21,7ng/ml eintreten, besteht selbst bei den wenigen Patienten in der letztgenannten Gruppe eine hohe Sicherheit. Jede Behandlung der androgenetischen Alopezie wirkt nur so lange wie sie durchgeführt wird. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer jahre- bis jahrzehntelangen Therapie. Wird die Anwendung abgebrochen, setzt der Haarausfall erneut ein.

Unsere Ergebnisse können bei der Entwicklung potenzieller alternativer Optionen zur Behandlung von AGA hilfreich sein. Weitere Studien mit dem Ziel, die Plazenta mit anderen gut dokumentierten Behandlungen für AGA wie Minoxidil 5% Schaum mit einer größeren Anzahl von Patienten und einer längeren Dauer zu vergleichen, sind erforderlich, um die in dieser Studie erzielten Ergebnisse zu bestätigen.

Übrigens zeigte eine aktuelle Studie, dass eine Art Plazenta-Haar-Tonic-Lotion kann bei androgenetischer Alopezie mit weiblichem Muster genauso wirksam sein konnte wie Minoxidil 2%.

 

Fazit

Zur Behandlung von Haarausfall gilt heute Minoxidil als ein gängiges Medikament. Es bietet Patienten mit Haarstörungen bemerkenswerte Vorteile. Bisher ist der Wirkstoff für Männer und Frauen androgenetischer Alopezie zugelassen. Minoxidil wird jedoch off-label zur Behandlung verschiedener anderer Haarstörungen sowie zur Steigerung des Haarwuchses verwendet. Obwohl topisches Minoxidil als wirksame und sichere Behandlungsoption für verschiedene Arten von Haarsausfall angesehen wird, sind für einige Anwendungen zusätzliche Daten erforderlich. Bei androgenetischer Alopezie zeigt jedenfalls 5%iges Minoxidil gegen Haarausfall die raschere Wirkung im Vergleich mit 2%igem Minoxidil.


Literatur:

Barat T, Abdollahimajd F, Dadkhahfar S, Moravvej H. Evaluation of the efficacy and safety of cow placenta extract lotion versus minoxidil 2% in the treatment of female pattern androgenetic alopecia. Int J Womens Dermatol. 2020 May 4;6(4):318-321. doi: 10.1016/j.ijwd.2020.04.012. PMID: 33015294; PMCID: PMC7522890.

Suchonwanit P, Thammarucha S, Leerunyakul K. Minoxidil and its use in hair disorders: a review. Drug Des Devel Ther. 2019 Aug 9;13:2777-2786. doi: 10.2147/DDDT.S214907. Erratum in: Drug Des Devel Ther. 2020 Feb 10;14:575. PMID: 31496654; PMCID: PMC6691938.

Goren A, Naccarato T. Minoxidil in the treatment of androgenetic alopecia. Dermatol Ther. 2018 Sep;31(5):e12686. doi: 10.1111/dth.12686. Epub 2018 Aug 28. PMID: 30155952.


Quellen:

Axel Rindt. Androgenetische Alopezie mit Minoxidil behandeln. MEDMIX online 2018

Haarausfall: Frauen leiden meist viel mehr als Männer. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Raab. MEDMIX 7-8/2006.

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