Sonntag, März 17, 2024

Mikroskopische Kolitis – Symptome wie Durchfall typisch

Mikroskopische Kolitis ist eine weniger bekannte Krankheit mit Durchfall als wichtigstes Symptom, wobei die richtige Diagnose eine wirksame Therapie ermöglicht.

Unter dem Strich erklärt man Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen sehr oft mit einer Unverträglichkeit, Stress oder dem populären Reizdarm-Syndrom. Doch der Durchfall kann natürlich auch organische Ursachen haben. In den letzten Jahren lenken Experten deswegen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine weniger bekannte Krankheit. Gemeint ist die mikroskopische Kolitis, eine chronische Entzündung des Dickdarms, bei der ebenfalls Durchfall als wichtigstes Symptom auftritt, wobei nach der richtigen Diagnose die Therapie mit Kortikosteroiden wie Budesonid den Betroffenen helfen kann.



 

Mikroskopische Kolitis

Die Mikroskopische Kolitis ist eine relativ häufige Ursache für chronischen wässrigen Durchfall, insbesondere bei älteren Menschen. Typisch sind auch nächtlicher Durchfall, Harndrang und Stuhlinkontinenz, häufig können bei der Mikroskopischen Kolitis zudem auch Symptome wie Bauchschmerzen und Gelenkschmerzen (Arthralgien) auftreten.

Allgemein treten die Beschwerden bei älteren Patienten, am häufigsten im Alter ab 50 und 60 Jahren auf. Wobei Frauen viermal häufiger betroffen sind.

Die Diagnose Mikroskopische Kolitis basiert auf der histologischen Untersuchung bei Durchfall mittels mehrerer Biopsieproben aus der Dickdarmschleimhaut, die bei der Endoskopie häufig keine oder nur wenige Anomalien aufweisen. Die beiden histologischen Subtypen, kollagene und lymphozytäre Kolitis, weisen ähnliche klinische Merkmale auf.

Im Grunde genommen ist der Ansatz europäischer Pathologen zur Diagnose der mikroskopischen Kolitis durchaus unterschiedlich, wie eine rezente Studie zeigt. Das betrifft Unterschiede in den Strategien bei der Probenahme von Biopsien, bei der Auswahl der Färbungen und bei der Mindestanzahl von Biopsien und Segmenten, die für die Diagnose erforderlich sind. Dennoch war die Übereinstimmung zwischen teilnehmenden Zentren und den erfahrenen Pathologen bei der Diagnose mikroskopischer Kolitis erheblich.

Im Grunde genommen ist jedoch die Einhaltung von Richtlinien für klinische Studien und Folgestudien erforderlich, hierzu wird ein Konsens empfohlen.


Differenzialdiagnose

Chronischer Durchfall bei Zöliakie kann ähnlich sein. Deswegen sollte man Patienten mittels serologischer Tests auf Zöliakie untersuchen. Bei Bedarf kann auch eine Dünndarmbiopsie dabei helfen, die eine Abflachung der Zotten zeigt.



Morbus Crohn ist eine entzündliche Darmerkrankung, die typischerweise ebenfalls Durchfall verursacht. Diese chronisch entzündliche Darmerkrankung tritt typischerweise mit fleckiger Kolitis auf und weist verschiedene andere Merkmale auf. Wie beispielsweise perianale Symptome, Fisteln, Fissuren. Bei der Biopsie sind Granulome im Allgemeinen zusammen mit einer transmuralen Entzündung vorhanden.

Das Reizdarmsyndrom (IBS), bei dem ebenfalls Durchfall ein vorherrschendes Symptom ist, ist eine weitere differnzialdiagnostische Überlegung. Ein Reizdarmsyndrom wird typischerweise als Ausschlussdiagnose angesehen. Typischerweise umfassen die Symptome nicht nur Durchfall, sondern auch krampfartige Bauchschmerzen, aber auch Verstopfung.


Krankheitsverlauf

Im Grunde genommen ist der Krankheitsverlauf ist gutartig. Allerdings kommt es häufig zu einem chronisch wiederkehrenden Verlauf, was die Lebensqualität der Patienten beträchtlich beeinträchtigt.

Deshalb sind die richtige Diagnose und der Beginn einer wirksamen Therapie für die Patienten sehr wichtig. Es gibt verschiedene Therapien für Patienten mit Mikroskopischer Kolitis, wobei vor allem das Glucocorticoid Budesonid in mehreren kontrollierten klinischen Studien gut untersucht wurde. Aktuelle Daten bestätigen, dass Zubereitungen von Kortikosteroiden wie Budesonid sowie auch Beclometasondipropionat eine logische Therapie für mikroskopische Kolitis darstellen.

Wie eingangs erwähnt muss es jedenfalls gelingen, das Bewusstsein bei Ärzten sowie in der Bevölkerung für die Mikroskopische Kolitis zu steigern.

 

Mikroskopische Kolitis und Krebsrisiko

Der Zusammenhang zwischen mikroskopischer Kolitis und dem Risiko für Krebs ist unklar. Die Daten einer schwedischen Kohortenstudie zeigten nun ein um 8% erhöhtes Krebsrisiko bei Patienten mit Mikroskopischer Kolitis. Wobei das Risiko im ersten Jahr der Nachsorge jeweils am höchsten war.
Die Forscher entdeckten ein erhöhtes Risiko für Lymphome und Lungenkrebs. Allerdings zeigte sich ein geringeres Risiko für Krebserkrankungen  im Magen- und Darmtrakt. Kein Zusammenhang ergab sich mit Brust- oder Blasenkrebs. Unter Verwendung von Geschwistern als Referenzgruppe zur Minimierung der Auswirkungen gemeinsamer genetischer und früher Umweltfaktoren hatten Patienten mit Mikroskopischer Kolitis immer noch ein erhöhtes Krebsrisiko.




Prof. Madisch im Interview zur mikroskopischen Kolitis

Die nachstehende Beantwortung von Fragen durch den Gastroenterologen Prof. Ahmed Madisch beschreibt dessen klinische Erfahrungen. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik I im Klinikum Region Hannover GmbH des Krankenhaus Siloah behandelt in Hannover immer häufiger Patienten mit mikroskopischer Kolitis.

Welche Symptome sind typisch für mikroskopische Kolitis?

Prof. Madisch: Leitsymptom bei der mikroskopischen Kolitis ist chronischer, wässriger Durchfall. In der Regel suchen Betroffene vier, fünf Mal täglich die Toilette auf, manchmal auch nachts. Einige Patienten leiden dazu unter Bauchschmerzen. Die Lebensqualität ist enorm eingeschränkt.

Wen trifft es vor allem?

Prof. Madisch: 75 bis 80 Prozent der Patienten sind Frauen. Betroffen sind vor allem Frauen ab 50 Jahre. Allerdings trifft die Erkrankung auch Männer und in seltenen Fällen sogar Kinder. Zweifelsfrei belegen Studien, dass Raucher überproportional stärker betroffen sind als Nichtraucher.

Wie häufig kommt mikroskopische Kolitis vor?

Prof. Madisch: Wir gehen davon aus, dass die mikroskopische Kolitis innerhalb der Gruppe Frauen 50 plus in zehn Prozent der Fälle die Ursache für chronischen Durchfall ist. Damit tritt die Erkrankung genauso häufig auf wie die weit verbreiteten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, die allerdings meist jüngere Menschen treffen. Die Zahl der Neuerkrankungen ist ansteigend.

Wie wird diagnostiziert?

Prof. Madisch: Um die Krankheit zu erkennen, ist eine Darmspiegelung erforderlich. Dabei ist es zwingend notwendig, Gewebeproben aus der Darmschleimhaut zu entnehmen, denn die mikroskopische Kolitis ist nur unter dem Mikroskop zweifelsfrei diagnostizierbar.




Literatur:

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Quellen: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung, e.V. http://www.dccv.de, Kompetenznetz Darmerkrankungen e.V. http://www.kompetenznetz-ced.de


Illustration mit Fokus Dickdarm: Die mikroskopische Kolitis tritt heutzutage so häufig auf wie die bekannteren Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Wässrige Durchfälle ohne Blutbeimengungen sind das Leitsymptom dieser chronischen Dickdarm-Entzündung. 40 % der Erkrankungsfälle setzen akut ein und können die Betroffenen aus dem Schlaf reißen. Weiter können Bauchschmerzen, Stuhldrang und Inkontinenz auftreten.

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