Donnerstag, April 18, 2024

microRNA-29 zum Schutz vor Herzfibrosen hemmen

Das microRNA-Molekül kann krankhafte Veränderungen im Herz auslösen, die Hemmung von microRNA-29 soll vor Herzfibrosen schützen.

Bei Herzfibrosen vermehrt sich Bindegewebe im Herzmuskel und schränkt dessen Funktion ein. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt herausgefunden, dass microRNA-29 – kurz miR-29 – eine wichtige Rolle beim Entstehen solcher Fibrosen spielt. Diese treten seltener auf, wenn microRNA-29 in Herzmuskelzellen gehemmt wurde. Ältere Studien hatten dagegen den Schluss nahegelegt, dass ein niedriger miR-29-Spiegel Fibrosen auslöst. Die neuen Erkenntnisse eröffnen Forschungsansätze für zukünftige Medikamente.

Dass microRNAs überhaupt existieren, ist erst seit relativ kurzer Zeit bekannt. In den vergangenen Jahren wurde aber immer deutlicher, dass diese Moleküle eine wichtige Rolle für die Funktion unserer Zellen spielen. Beispielsweise können sie beeinflussen, ob bestimmte Proteine gebildet werden. Für die Entwicklung neuer Therapien sind sie auch deshalb besonders interessant, weil sie relativ einfach künstlich nachzubauen sind. Zudem lässt sich zu jeder micro-RNA ein Gegenstück, eine anti-microRNA, herstellen, die sie bindet und damit unwirksam macht. Welche micro-RNAs besonders viel im Körper bewirken und auf welche Weise sie das tun, wird derzeit weltweit an zahlreichen Universitäten und Forschungsinstituten erforscht.

 

Schutz vor krankhaften Veränderungen

Auch das Team um Stefan Engelhardt, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der TUM, beschäftigt sich mit diesem Thema. In einer früheren Studie hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler microRNA-29 als ein Molekül identifiziert, das mit krankhaften Veränderungen des Herzmuskels in Verbindung stehen könnte. Anhand eines Mausmodells konnten sie jetzt zeigen, dass Tiere, die von Geburt an besonders wenig microRNA-29 in ihren Zellen hatten, deutlich weniger anfällig für Herzfibrosen und Hypertrophien, also ein krankhaftes Wachstum des Herzmuskels, waren.

Eine vergleichbare Wirkung zeigte sich, wenn microRNA-29 mit Medikamenten unterdrückt wurde. „In weiteren Versuchen konnten wir außerdem zeigen, dass für diesen Effekt insbesondere microRNA-29 in Herzmuskelzellen, den Myozyten, verantwortlich war“, erläutert Yassine Sassi, gemeinsam mit Petros Avramopoulos Erstautorin der Studie. Die Autorinnen und Autoren nehmen an, dass microRNA-29 am Beginn einer bestimmten Kette von molekularen Signalen in Organen steht, dem Wnt-Signalweg. In gesunden Zellen ist diese Signalkette gewissermaßen stumm geschaltet. Wird der Wnt-Signalweg durch Stress aktiviert, bewirkt er unter anderem, dass besonders viele Bindegewebszellen gebildet werden.

 

Unterschiede zu früheren Studien

„Ein weiteres interessantes Ergebnis unserer Studie war, dass wir keine negativen Auswirkungen auf den Körper feststellen konnten, wenn miR-29 fehlte“, sagt Petros Avramopoulos. Untersuchungen anderer Teams hatten Hinweise darauf gegeben, dass nicht ein hoher, sondern ein niedriger miR-29-Spiegel zu Fibrosen in Organen wie Leber, Lunge und Nieren führen kann.

„Ein möglicher Grund für diese Abweichung ist, dass wir in unseren Experimenten die Unterschiede zwischen den Auswirkungen eines ‚normalen‘ und eines besonders niedrigen miR-29-Spiegels in einem intakten Organismus untersucht haben “, erläutert Stefan Engelhardt. „Andere Teams haben sich dagegen vor allem auf bioinformatische Analysen und Zellkulturen verlassen oder die Auswirkungen eines künstlich erhöhten Spiegels von miR-29 untersucht.“

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen seines Teams will er jetzt weitere Effekte von microRNA-29 untersuchen. „Herzfibrosen sind gefährlich und bislang nur sehr schlecht zu behandeln“, sagt Engelhardt. „Wir untersuchen derzeit, ob anti-miR-29, das künstliche Gegenstück zu miR-29, helfen kann, diesen tückischen Prozess nicht nur zu verhindern, sondern auch umzukehren, wenn bereits eine Herzfibrose vorliegt.“ Eine weitere Herausforderung ist es, Methoden zu entwickeln, um zukünftige miR-29-basierte Medikamente gezielt in die Herzmuskelzellen zu bringen.

Publikation:

Y. Sassi, P. Avramopoulos, D. Ramanujam, L. Grüter, S. Werfel, S. Giosele, A.-D. Brunner, D. Esfandyari, A. S. Papadopoulou, B. De Strooper, N. Hübner, R. Kumarswamy, T. Thum, X. Yin, M. Mayr, B. Laggerbauer & S. Engelhardt. „Cardiac myocyte miR-29 promotes pathological remodeling of the heart by activating Wnt signaling“. Nature Communications 8, 1614 (2017). DOI: 10.1038/s41467-017-01737-4

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