Montag, April 22, 2024

Zellulärer Stress fördert Metastasierung des Tumors

Zellulärer Stress fördert bei einer Brustkrebs-Erkrankung die Metastasierung des Tumors. Ein zentrales Schalterprotein zeigt sich verantwortlich.

Zellulärer Stress fördert die Metastasierung des Brustkrebs-Tumors, wobei ein zentrales Schalterprotein dabei eine entscheidende Rolle spielt. Dieses Schalterprotein, das Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Heidelberger Institut für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI-STEM) nun identifiziert haben, löst in den Krebszellen ein Stammzell-Programm aus, das die aggressive Metastasierung begünstigt.

Auch Chemotherapeutika aktivieren den Schalter und fördern so die Metastasierung. Mit der Identifizierung der molekularen Akteure, die an dieser Stress-bedingten Metastasierung von Brustkrebs beteiligt sind, haben die Forscher Zielstrukturen entdeckt, die zukünftig neue Therapien ermöglichen könnten.

 

Enzym JNK als zentralen Stress-Schalter fördert die Metastasierung

Krebszellen müssen sich mit vielen Widrigkeiten herumschlagen. Ihre rasche Zellteilung führt auf die Dauer zu fehlerhaften Proteinen. Ihre Ernährungssituation und auch die Sauerstoffversorgung sind oft prekär, die Gifte einer Chemotherapie bedrohlich. Wissenschaftler sprechen in einer solchen Situation von zellulärem Stress. Die verschiedenen Stress-Stimuli aktivieren in der Zelle das Enzym JNK als zentralen Stress-Schalter. In Krebszellen kann dies vielfältige Auswirkungen haben. Die JNK-Aktivität löst je nach Umgebung den zellulären Selbstmord oder aber ein Überlebensprogramm aus.

„Wir wollten genau wissen, was in Brustkrebszellen nach Aktivierung von JNK passiert“, sagt Thordur Oskarsson, Stammzell-Forscher im DKFZ und HI-STEM*. Bei dieser Untersuchung stießen er und sein Team auf einen direkten Zusammenhang zwischen JNK-Aktivierung und der Metastasierung des Tumors. Die Forscher fanden außerdem, dass auch Standard-Chemotherapien, die bei Brustkrebs gegeben werden, JNK aktivieren und dadurch die Wirksamkeit der Behandlung limitieren.

 

Negative effekte von Chemotherapien

„Die Medikamente erledigen sicherlich ihren Job und töten Krebszellen ab“, erklärt Oskarsson. Sie verursachen aber offensichtlich gleichzeitig auch ungünstige Effekte, die behandler berücksichtigen müssen. Die neuen Ergebnisse eröffnen nichtsdestotrotz neue Chancen. „Wir haben gleich drei bislang unbekannte Ansatzpunkte identifiziert, an denen neuen Wirkstoffe ansetzen könnten, um die Krebsausbreitung zu bremsen und Resistenz zu verhindern.“

Oskarsson und sein Team hatten zunächst Gewebeproben von Brustkrebs-Patientinnen mit Metastasierung untersucht. Je mehr JNK-Aktivität sie im Brustkrebsgewebe nachwiesen, desto ungünstiger war der Verlauf der individuellen Erkrankung. Die Metastasen enthielten mehr JNK-aktive Zellen als Primärtumoren.

 

JNK versetzt Brustkrebszellen in Stammzell-Modus

Dies bestätigte sich auch bei Mäusen, in denen menschliche Brustkrebszellen zu metastasierenden Tumoren herangewachsen waren. Hier fanden die Forscher besonders eklatante Unterschiede zwischen den winzigen Mikrometastasen, die bis zu 50 Prozent JNK-aktive Zellen enthielten und fortgeschrittenen Metastasen, wo JNK nur noch in etwa 15 Prozent der Zellen aktiv war.

„JNK fördert Beweglichkeit und Invasivität – einem typischen Verhalten aggressiver Krebszellen. Es ist für die Kolonialisierung neuer Gewebe erforderlich und wird wieder heruntergefahren, sobald die Metastase sich etabliert hat“, erklärt Jacob Insua-Rodríguez, der Erstautor der Arbeit.

Brustkrebszellen verfallen, wenn JNK aktiv wird, auf molekularer Ebene offenbar in einen Stammzell-Modus. Denn das Muster ihrer Genaktivität ähnelt dem von Brust-Stammzellen. Damit verbunden ist außerdem die Produktion bestimmter Proteine der extrazellulären Matrix: SPP1 und TNC.

 

Wenn Chemotherapien zellulären Stress und Metastasierung begünstigen

Was passiert, wenn Brustkrebszellen dem Stressfaktor Chemotherapie ausgesetzt sind, haben Oskarsson und Kollegen unter die Lupe genommen. Dazu haben sie erneut menschliche Brustkrebszellen an Mäusen übertragen. Die Medikamente Paclitaxel oder Doxorubicin aktivierten die JNK in den Brustkrebszellen und lösten das Stammzell-Programm aus. In den Lungenmetastasen der Tiere stieg der Anteil JNK-aktiver Zellen drastisch an, von 20 Prozent auf 80 Prozent. Doch wenn die Wissenschaftler die Krebsmedikamente in Kombination mit einem JNK-Inhibitor gaben, war die Metastasierung in der Lunge der Mäuse geringer.

 

Proteine SPP1 und TNC, die durch JNK angekurbelt werden

Doch tatsächlich verantwortlich für das aggressive Verhalten der Brustkrebszellen sind die beiden Proteine SPP1 und TNC, die durch JNK angekurbelt werden. Wenn die Mäuse Brustkrebszellen erhielten, bei denen SPP1 oder TNC genetisch ausgeschaltet waren, so blieb die JNK-Aktivität ohne negative Konsequenzen. Hingegen war bei Behandlung dieser Tiere mittels Chemotherapie sowohl das Tumorwachstum als auch die Anzahl der Lungenmetastasen signifikant geringer als bei jenen Mäusen mit normalen Brustkrebszellen.

SPP1 oder TNC sind Proteine der extrazellulären Matrix, die quasi die Mikroumgebung der Tumorzellen bildet. Diese Ergebnisse sind laut Forscher ein weiterer Beweis für diesen erheblichen Einfluss auf den Krebserkrankungsverlauf. „Wir wissen jetzt, dass wir die JNK als zentralen Schalter für die Aggressivität der Brustkrebszellen mit spezifischen Wirkstoffen ausschalten, damit die Produktion der beiden molekularen Hauptakteure SPP1 und TNC stoppen und so die Metastasierung drosseln können“, resümiert Oskarsson.

Deswegen können die Forscher zukünftig Metastasierung und Therapieresistenz von Brustkrebs noch besser untersuchen. Hier bestünden bereits vielversprechende neue Ansatzpunkte für die Therapieentwicklung.

Literatur:

Jacob Insua-Rodríguez, Maren Pein, Tsunaki Hongu, Jasmin Meier, Arnaud Descot, Camille M Lowy, Etienne De Braekeleer, Hans-Peter Sinn, Saskia Spaich, Marc Sütterlin, Andreas Schneeweiss& Thordur Oskarsson. Stress signaling in breast cancer cellsinduces matrix components that promote chemoresistant metastasis. EMBO Molecular Medicine 2018, DOI: 10.15252/emmm.201809003

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) www.dkfz.de

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