Freitag, März 29, 2024

Medizin für den Wirtschaftsstandort Österreich

Pharmaindustrie: Medizin für den Wirtschaftsstandort Österreich – Expertendiskussion im Biotech Campus Pfizer/Shire in Orth (NÖ).

Ganz im Zeichen der jüngst präsentierten „Zukunftsstrategie Life Sciences und Pharmastandort Österreich“ von Staatssekretär Dr. Harald Mahrer stand am 24. November die Veranstaltung: „Medizin für den Wirtschaftsstandort Österreich,“ zu dem die American Chamber of Commerce, Pfizer Austria und Shire Österreich in den Biotech Campus Pfizer/Shire in Orth an der Donau (NÖ) luden. Im Fokus des hochkarätig besetzten Expertentalks stand der Wirtschaftsstandort Österreich im Wandel der Zeit und mit Blick auf die Zukunft. Die Thematik wurde dabei aus einem 360° Blickwinkel umfassend von den Experten betrachtet.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung steht die heimische Wirtschaft, als klassisches „Exportland“, verstärkt im weltweiten Wettbewerb. Pioniergeist und Unternehmertum sorgten in der Vergangenheit für eine gute Ausgangslage. Dennoch gilt es, sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. So ergab etwa die Studie „Deloitte.Radar 2016“ für das Jahr 2015 eine im Vergleich zum Vorjahr gesunkene wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Österreich erreichte 2,86 von 5 möglichen Punkten, 2014 waren es noch 3 Punkte.

Die Studie identifizierte dabei 7 kritische Standortfaktoren. Besonders im Bereich der Kosten sieht sie dringenden Handelsbedarf – sowohl bei der Steuer- und Abgabenlast als auch hinsichtlich der Lenkungseffekte der heimischen Fiskalpolitik. Als weitere Bereiche mit Handlungsbedarf wurden die Standortfaktoren „Politisches und makroökonomisches Umfeld“, „Regulatorisches Umfeld“, sowie die Verfügbarkeit von (qualifizierten) Arbeitskräften festgestellt.

Standortvorteile sieht die Studie in den Bereichen „Unternehmensinfrastruktur und Umfeld“ sowie „Innovation, Forschung & Technologie“. Hier positioniert sich Österreich im internationalen Vergleich gut. [1] 2015 betrug die Forschungsquote in Österreich (die Pharmaindustrie leistet hierzu einen wesentlichen Beitrag) rund 3% des BIP – die Ausgaben für Forschung und Entwicklung überstiegen damit erstmals 10 Mrd. Euro. Damit positioniert sich Österreich deutlich über dem EU-28 Durchschnitt von 2%, hinter Schweden. [2]

Bestnoten erhält der heimische Wirtschaftsstandorts bei Betrachtung der sehr hohen Lebensqualität. Diesen Standortvorteil gilt es jedoch, so die Studie, gegen drohende Verschlechterungen abzusichern. [1]

Forschung & Entwicklung weiter vorantreiben

Moderiert von Dr. Helmut Brandstätter, Chefredakteur der Tageszeitung KURIER, erfolgte die Begrüßung der knapp 100 Gäste durch Mag. Daniela Homan (Executive Director American Chamber of Commerce, Austria), Prof. Dr. Robin Rumler (Geschäftsführer Pfizer Austria) und DI Karl-Heinz Hofbauer (Vorstand Baxter AG, now part of Shire). „Wir sind stolz darauf, dass unsere Mitgliedsfirmen hier in Orth ein internationales Kompetenz-Center betreiben und damit tausende Arbeitsplätze in Österreich sichern. Allerdings muss uns bewusst sein, dass es kontinuierlicher Anstrengungen bedarf, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich zu sichern. Die Amerikanische Handelskammer setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen hierfür zu verbessern. Von entscheidender  Bedeutung sind insbesondere die Standortfaktoren Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, Lohnnebenkosten, Bürokratie und  Besteuerung von Expatriates“, so Norbert B. Lessing, Präsident der American Chamber of Commerce, Austria.

Prof. Dr. Robin Rumler ging in seiner Begrüßung auf Vor- und Nachteile des österreichischen Wirtschaftsstandorts ein: „Österreich ist ein Land im Herzen Europas, mit hervorragender Akademia, und erweist sich über viele Jahre als wirtschaftlich, politisch und sozial stabil. Wir verfügen über ausgezeichnete Lebens- und Arbeitsbedingungen, ein hochentwickeltes Gesundheits- und Sozialsystem und über hohe Qualität der allgemeinen Infrastruktur.

Auch in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Biotech kann Österreich international mithalten, aber wir gehören nicht zu den Vorreitern. Die Investitionen in diesen Sektor sind sicherlich ausbaufähig, damit Österreich vom Innovations-Follower zum Innovations-Leader wird. Als Geschäftsführer eines weltweit tätigen, forschenden pharmazeutischen Unternehmens, mit sowohl Vertriebs- als auch Produktionsniederlassung in Österreich, wünsche ich mir mehr Aktivitäten, um Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Denn Österreich spielt unter den globalen Wirtschaftsplayern eine geringere Rolle als noch vor einigen Jahren. Wir müssen effizientere Maßnahmen setzen, um hier ansässige Unternehmen besser zu unterstützen, effektivere Standortpolitik betreiben und mehr darüber kommunizieren. Wir haben es in der Hand, aus unserem Land einen Hotspot der Forschung, Entwicklung und High Tech Produktion zu machen!“.

DI Karl-Heinz Hofbauer vermerkte im Rahmen seiner Begrüßung, dass Österreich, mit über 4.000 Beschäftigten, einen der wichtigsten Standorte bei Shire darstellt. Er verwies dabei zum einen auf die beeindruckende Erfolgsgeschichte, gab jedoch auch kritisch zu bedenken, dass bei internationalen Neuansiedlungen vor allem langfristige Standortfragen eine Rolle spielen: „Mit über 4.000 der weltweit 22.000 Mitarbeiter, betreibt Shire in Österreich einen seiner weltweit größten Standorte. Hier werden lebenswichtige Therapien für Menschen mit seltenen und speziellen Erkrankungen produziert und in 100 Länder exportiert. Standortentscheidend für Shire ist, dass wir in Österreich weiterhin wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfinden, die es uns ermöglichen, diese Position im internationalen Wettbewerb zu halten oder sogar auszubauen. Dazu zählen neben hoch qualifizierten Mitarbeitern, niedrigen Abgabenquoten, Anreize für Forschung und Investitionen, modernste Infrastruktur auch ein effizientes Zulassungsverfahren.“

360° Expertentalk zum Wirtschaftsstandort Österreich

„Österreich als kleine Volkswirtschaft braucht einen Fokus auf Stärkefelder, um Mittel zu bündeln und zu den innovativsten Ländern der Welt aufzuschließen. Life Sciences sind so ein Stärkefeld, wo bereits exzellente Grundlagen- und angewandte Forschung stattfindet. Dieser Sektor hat sich in relativ kurzer Zeit sowohl wirtschaftlich als auch wissenschaftlich mit enormer Dynamik entwickelt. Daher müssen wir die notwendigen Maßnahmen umsetzen, um auch für künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein und wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Harald Mahrer. In Vertretung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hielt Dr. Ulrike Unterer (technisch-wirtschaftliche Forschung im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) die Keynote und nahm auch am darauffolgenden 360° Expertentalk teil.

Als weitere Experten des 360° Talks engagierten sich Martin Dallinger (Site Leader PGS-Orth/Pfizer), Ing. Alexander Herget (Site Lead Orth/Shire), Dr. Marcus Scheiblecker (Stellvertretender Leiter WIFO) und DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche (Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht und Vorsitzende des EMA Management Boards). Der Themenbogen spannte sich dabei vom Wirtschaftsstandort Österreich aus Sicht der produzierenden und forschenden pharmazeutischen Industrie bis hin zu Vorteilen und Herausforderungen des heimischen Wirtschaftsstandorts in einem zunehmend vom globalen Wettbewerb gekennzeichneten Umfeld. Danach charakterisierte man den Medizin- und Pharmastandort Österreich, zeigte Perspektiven zur Verbesserung der Außenkommunikation auf und erörterte die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und (pharmazeutischer) Wirtschaft.

Als Vertreter der forschenden und produzierenden pharmazeutischen Industrie boten Martin Dallinger und Ing. Alexander Herget spannende Einblicke in ihre Tätigkeitsfelder. Martin Dallinger wusste dabei zu berichten: „Die Impfstoffherstellung in Österreich ist eine rot-weiß-rote Erfolgsgeschichte, die auf eine inzwischen 40jährige Tradition zurückblickt. Diese Tradition bringt ein hohes Maß an Wissen und Erfahrung mit sich. Die Kombination mit innovativen Technologien, hochqualifizierten Fachkräften und einem sicheren wirtschaftlichen und politischen Umfeld schaffen die ideale Basis für unser oberstes Ziel: die zuverlässige Versorgung unserer Patienten mit Produkten von höchster Qualität. Dennoch, Österreich muss als Produktionsstandort wieder international attraktiver werden, dies gilt insbesondere in der Herausforderung eines globalisierten Umfelds. Für ein produzierendes Pharmaunternehmen gilt die Balance von Lieferzuverlässigkeit, Kosten und Qualität der Produkte als ein wesentlicher wettbewerbsentscheidender Faktor. Schnelligkeit, Flexibilität, Networking und Best-Practice-Sharing auf internationaler Ebene fördern außerdem die Effizienz. Langfristige, strategische Ziele zusammen mit dem stetigen Streben nach kontinuierlicher Verbesserung der Unternehmensprozesse tragen zusätzlich dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit fortwährend an die Anforderungen der nationalen und internationalen Märkte anzupassen.

Eine gezielte Kundenorientierung und ein starkes Dienstleistungsbewusstsein als Säulen eines pharmazeutischen Produktionsbetriebs rücken das Wohl jedes einzelnen Patienten in den Fokus aller Bemühungen.“

Im Anschluss ging Ing. Alexander Herget auf das Modell des Standorts in Orth an der Donau ein, das als Best-Practice-Beispiel angeführt werden kann, wenn es darum geht dringend benötigte Produkte rasch für den Patienten verfügbar zu machen: „Das Werk in Orth spielt eine bedeutende Rolle im gesamten pharmazeutischen Prozess von Shire – von der Entwicklung über die Produktion für klinische Studien bis zur Lizenzierung von hoch innovativen Therapien. Die Gentherapie ist nur ein Beispiel von vielen. Die räumliche Nähe von Forschung und Entwicklung der Produktionsprozesse und der klinischen Produktion, sind die Grundlage für die spätere kommerzielle Produktion und somit ein kritischer Erfolgsfaktor, um Therapien schnell auf den Markt zu bringen. Denn gerade im Bereich der seltenen Erkrankungen zählt bei der Zulassung neuer Produkte jeder Monat für Patienten, die mit diesen seltenen Krankheiten leben müssen.“

Österreichischer Pioniergeist für globalen Wettbewerb

Dr. Marcus Scheiblecker attestierte dem Wirtschaftsstandort Österreich, vor allem bei der Infrastruktur, der Ausbildung und dem sozialen Frieden eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig wies er auf strukturelle Schwächen hin. „Auch wenn Österreich  gewisse Schwachpunkte in der Struktur aufweist und diesbezüglich wichtige Reformen anstehen, besitzt unser Land im internationalen Vergleich eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Diese zeichnet sich aus durch eine gut ausgebaute Infrastruktur, einen hohen Qualifizierungsgrad der Arbeitskräfte und ein hohen Grad an sozialem Frieden, der sich in einer äußerst geringen Streikneigung niederschlägt. Eine der Herausforderungen der Zukunft wird darin bestehen, diese Vorteile durch wirtschaftspolitische Maßnahmen und Zukunftsinvestitionen im Bereich Bildung und Ökologisierung abzusichern und auszubauen.“

Auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen wurde diskutiert. DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche führte zur Rolle der AGES Medizinmarktaufsicht im Zusammenhang der Zusammenarbeit mit der produzierenden und forschenden pharmazeutischen Industrie an: „Wir, die AGES Medizinmarktaufsicht, bewerten im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen alle Verfahren im Lebenszyklus eines Arzneimittels in hoher Qualität und innerhalb der gesetzlichen Fristen. Offene Kommunikation mit den Antragstellern und anerkannte wissenschaftliche Expertise in der Behörde ermöglichen die Stärkung des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Österreich. Wir unterstützen damit den Ausbau des Zukunftspotenzials des österreichischen Pharma-Marktes. Durch den Zuwachs an Know-how, Forschungstätigkeit und Gesamt-Wertschöpfung in diesem Bereich kann letztlich auch der gesamte Wirtschaftsstandort Österreichs attraktiver werden. Ein bedeutender Wirtschaftsstandort Österreich im Pharmabereich braucht somit letztlich auch eine starke regulatorische Behörde!“

Im abschließenden Resümee waren sich die Experten einig, dass Biotechnologie-, Pharma- und Medizintechnologie-Unternehmen ein starker Motor für den Wirtschaftsstandort Österreich sind. In einer sich ständig wandelnden Welt gilt es auch in Zukunft mit Pioniergeist und Forschertum voranzugehen und Herausforderungen – vom globalen Wettbewerb bis hin zur zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche – anzunehmen und aktiv zu bewältigen, um Chancen für die Wirtschaft, die Gesellschaft und damit einhergehend für jeden Einzelnen bestmöglich nutzen zu können.

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