Donnerstag, März 28, 2024

Manchester Triage System und Emergency Severity Index

Der Nächte bitte! Wie das Manchester Triage System und der Emergency Severity Index den Patientenfluss in der Notaufnahme steuern.

Das enorme Patientenaufkommen zwingt die Notaufnahmen zur Optimierung der Ersteinschätzung von Notfallpatienten. Triage-Systeme identifizieren anhand von Symptomen und Parametern akut lebensbedroht Erkrankte und legen deren Behandlungspriorität fest. Eine enorme Herausforderung für das Pflegepersonal liegt darin, Patientinnen und Patienten mir akut lebensbedrohlichen Erkrankungen zu identifizieren und zeitnahe Therapiemaßnahmen einzuleiten. Eine derartige Kategorisierung der Notfallpatientinnen und -patienten wird mit Hilfe von Triage-Systemen – wie dem Manchester Triage System und Emergency Severity Index – vorgenommen.

 

Anstieg an interdisziplinären Notaufnahmen

Mehr als 60.000 Patientinnen und Patienten werden jährlich in großen Notaufnahmen im deutschsprachigen Raum vorstellig. Der Zustrom an interdisziplinären Notaufnahmen steigt jährlich stark an. Gründe für diesen Anstieg sind die zahlreichen Untersuchungen, welche die Notaufnahmen innerhalb kurzer Zeit mit geringen Wartezeiten, rund um die Uhr, mit modernen Gerätschaften und Techniken durchführen.

Triageinstrumente zählen zu Systemen des Risikomanagements und versuchen den Patientenfluss zu steuern. Die klinische Triage wird als standardisierter, nachvollziehbarer Prozess definiert, welcher Notfallpatientinnen und -patienten schnellstmöglich einschätzt und die Priorität für deren Behandlung festlegt. Im deutschsprachigen Raum werden hauptsächlich der Emergency Severity Index sowie das Manchester Triage System aufgrund autorisierter übersetzter Versionen verwendet.

 

Gütekriterien von Emergency Severity Index (ESI) und Manchester Triage System

Das Ziel einer Literaturarbeit war es, die testtheoretischen Gütekriterien des Emergency Severity Index (ESI) und des Manchester Triage System (MTS) für erwachsene Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme darzustellen. Die Literatursuche erfolgte von Mai bis September 2014 mit den kombinierten Suchbegriffen Emergency Severity Index, Manchester Triage System, validity, reliability einerseits in den Datenbanken CINAHL Complete, MEDLINE, Cochrane Library, Wiley Online Library, Academic Search Elite und MEDPILOT und andererseits in den e-Journals der Bibliothek der Medizinischen Universität Wien.


Der Emergency Severity Index ist ein 5-stufiges Triagesystem und priorisiert anhand von vier Entscheidungspunkten:

  • Entscheidungspunkt A: akute Einschränkungen der Vitalfunktionen. Die Notfallpatientin bzw. der Notfallpatient wird in die Dringlichkeitsstufe 1 eingestuft und erhält sofortige ärztliche und intensiv-pflegerische Maßnahmen.
  • Entscheidungspunkt B: Hochrisikopatientinnen und -patienten mit Thoraxschmerzen, Insultsymptomatik oder starken Schmerzen werden der Stufe 2 zugeordnet.
  • Entscheidungspunkt C: Einschätzung von benötigten Ressourcen wie beispielsweise EKG, Labor, Bildgebung und Medikamentenapplikationen. Jene Personen, welche eine Ressource benötigen, werden in Stufe 4 triagiert. Jene die keine Ressourcen benötigen, werden der Stufe 5 zugeteilt.
  • Sofern zwei oder mehrere Ressourcen indiziert sind, werden im Entscheidungspunkt D die Vitalparameter erhoben. Sind sie dem Alter und dem klinischen Zustandsbild nicht adäquat, so können die betroffenen Personen in Stufe 2 oder 3 triagiert werden (Grossmann, Delport, & Keller, 2009).

Die Mehrheit der Studien zur wissenschaftlichen Güte zum Emergency Severity Index zeigt hohe bis sehr hohe Übereinstimmungswerte und konstatiert dem Emergency Severity Index eine ausgezeichnete Interrater-Reliabilität. Der Vergleich von prädiktiven Validitätswerten von Rettungsdienstmitarbeitern und Pflegepersonen zeigte eine mittelmäßige Übereinstimmung und weist darauf hin, dass der Emergency Severity Index außerhalb der Notaufnahme nicht eingesetzt werden darf.

Das 5-stufige Manchester Triage System arbeitet chartorientiert und verfährt in der deutschen Version mit 50 Diagrammen, womit versucht wird, ein breites Spektrum an Symptomen abzudecken. Nach der Wahl des Diagrammes werden die angeführten Symptome abgefragt. Wird ein Symptom mit „Ja“ beantwortet, werden die Patientinnen und Patienten in die Kategorie eingestuft. Die Dringlichkeitsstufen sind mit Zeitangaben bis zum Erstkontakt mit medizinischem Personal hinterlegt.

Drei von vier identifizierten Studien zur wissenschaftlichen Güte zum Manchester Triage System konnten hohe bis sehr hohe Übereinstimmungswerte berechnen, was für eine sehr gute Interrater-Reliabilität steht.

Die Testung der Übereinstimmungsvalidität zeigte schwach negative Zusammenhänge zum Ressourcenbedarf und zur Hospitalisierung in Bezug auf die Triagestufe auf.

 

Fazit

In der Literatur sind mehrere 5-stufige Triageysteme beschrieben, jedoch sind für den deutschsprachigen Raum nur der Emergency Severity Index sowie das Manchester Triage System aufgrund einer autorisierten deutschsprachigen validierten Fassung anwendbar. Ein direkter Vergleich beider Triagesysteme ist aufgrund unterschiedlicher Grundlagen nur bedingt möglich.

Die 5-stufigen Triagesysteme Emergency Severity Index sowie das Manchester Triage System weisen zufriedenstellende Ergebnisse zur Interrater-Reliabilität und Kriteriumsvalidität auf. Der Emergency Severity Index wird als ein einfaches und praktikables Instrument bei fundiertem Fachwissen beschrieben.

Das Manchester Triage System arbeitet chartbasiert und ist für Pflegepersonen mit wenig klinischer Erfahrung geeignet. Weitere Untersuchungen zu den testtheoretischen Gütekriterien beider Instrumente sollten zukünftig durchgeführt werden.


Literatur:

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Quelle:

Triagesysteme in der Notaufnahme: Der Emergency Severity Index und das Manchester Triage System. Eine Literaturarbeit von Matthäus Rössler und Gerhard Müller. pflegenetz – Das Magazin für die Pflege: http://www.pflegenetz.at/

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