Freitag, April 19, 2024

LVAD bei Herzinsuffizienz vor der Herztransplantation

Vor allem linksventrikuläre Unterstützungssysteme LVAD errangen in den letzten Jahren in der Therapie der terminalen Herzinsuffizienz mehr Bedeutung.

Wenn die Herzinsuffizienz voranschreitet und man sie medikamentös nicht mehr ausreichend behandeln kann, gilt die Herztransplantation weiterhin Goldstandard. Dies gilt für die meisten Patienten mit Herzschwäche im Endstadium. Allerdings müsse  in unseren Breiten hunderte terminal herzinsuffiziente Patienten aktuell auf ein Spenderherz warten. Bis dahin leben sie mit einem implantierten Herzunterstützungssystem – VAD, LVAD, BVAD, einer künstlichen Herzpumpe.

Die Herzinsuffizienz – allgemein hin auch als Herzschwäche bezeichnet – ist seit Längerem eine der häufigsten Diagnosen von Patienten, die einer stationären Krankenhausbehandlung bedürfen. Die Erkrankung beschreibt die verminderte Pumpfunktion des Herzens.  Bei einer Herzschwäche ist der Herzmuskel durch verschiedene, oft altersbedingt erworbene Erkrankungen des Herzens (unter anderem Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen, Herzmuskelschwäche) nicht in der Lage, das Blut durch den Körper zu pumpen und damit die Organe mit genügend Sauer- und Nährstoffen zu versorgen. Dann ist eine künstliche Herzpumpe, ein VAD, notwendig.

 

Mangel an Spenderherzen, Widerspruchslösung für Deutschland gefordert

Herzchirurgen und andere Experten betrachten den Mangel an Spenderherzen weiterhin mit großer Sorge und spricht sich als medizinische Fachgesellschaft der deutschen Herzchirurgen explizit für die Widerspruchslösung aus, wie sie bereits in Österreich, Spanien, Holland und bald auch in Großbritannien praktiziert wird.

 

Drei-Jahres-Überleben nach einer Herztransplantation

Für das komplexe menschliche Herz gibt es nach heutigem technischem Entwicklungsstand noch keinen adäquaten Ersatz. Nach der sogenannten Worst-Case-Analyse (bei Fehlen der Follow-up-Informationen transplantierter Patienten werden diese als verstorben gewertet) der gesetzlich verpflichtenden Qualitätssicherung durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) liegt das Drei-Jahres-Überleben nach einer Herztransplantation in Deutschland bei 70 Prozent.

Zehn Jahre nach einer Herztransplantation leben – statistisch gesehen – immerhin noch circa 60 Prozent der Patienten (zum Beispiel Daten der Internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungentransplantation ISHLT). Nach erfolgreicher Herztransplantation erreichen die Patienten unter lebenslanger Einnahme abwehrunterdrückender Medikamente zumeist eine gute bis sehr gute Lebensqualität.

 

Herzunterstützungssysteme, VAD, LVAD, BVAD: Überbrückung oder Langzeittherapie

Verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Patienten sehr rasch und steht ein passendes Spenderorgan nicht rechtzeitig zur Verfügung, kommen für ausgewählte Patienten mit schwerster Herzinsuffizienz mechanische Herzunterstützungssysteme zum Einsatz, die entweder die Wartezeit bis zum geeigneten Spenderorgan überbrücken sollen oder als Langzeittherapie eingesetzt werden, wenn eine Transplantation, zum Beispiel im Kontext einer Tumorerkrankung, nicht mehr als Therapieoption infrage kommt.

Diese Herzunterstützungssysteme sind bei akut oder chronisch herzinsuffizienten Patienten die einzige Möglichkeit, das Überleben kurz-, mittel- und vor allem auch längerfristig zu ermöglichen. Die Anzahl der Implantationen von Herzunterstützungssystemen und Kunstherzen verzeichnete im Jahr 2017 mit 1 027 einen Rekord, im Jahr 2018 hingegen lag die Zahl der Implantationen mit 942 um circa acht Prozent niedriger. Am häufigsten werden derzeit elektrisch betriebene, kontinuierlich pumpende Systeme eingesetzt.

 

Linksventrikuläre Unterstützungssysteme (LVAD) bei terminaler Herzinsuffizienz

Insbesondere haben sogenannte linksventrikuläre Unterstützungssysteme (LVAD), die die Pumpfunktion der linken Herzkammer unterstützen, in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung in der Therapie der terminalen Herzinsuffizienz gewonnen. Dies liegt vor allem auch an dem Mangel an Spenderorganen.

Mit Linksherzunterstützungssystemen (LVAD) leben nach zwei Jahren, je nach Risikoprofil und Alter, etwa 60 bis 80 Prozent der Herzinsuffizienz-Patienten. Die Lebensqualität der Patienten hat sich durch die relativ kleinen, nahezu geräuschlosen und leichten Medizingeräte seit 2004 deutlich verbessert. Dennoch ist weiterhin ein Stromkabel notwendig, welches – durch die Bauchdecke geleitet – das LVAD mit Strom versorgt. Außerdem kann es auch zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, zum Beispiel durch Infektionen oder Schlaganfälle.

Weitere Verbesserungen der Pumpen sind dringend notwendig, um die Komplikationsraten zu senken und die Lebensqualität zu verbessern. Als Beispiel wäre eine transkutane Stromübertragung eine Risikominimierung für Infektionen. Im Vergleich zum LVAD ist auch im Jahr 2018 die Zahl der sogenannten BVAD-Systeme (Herzunterstützungssystem für beide Herzkammern) mit 16 beziehungsweise der TAH-Systeme (Vollkunstherzen) mit 23 auf einem vergleichbar niedrigen Niveau. Insbesondere ist es wichtig, dass Patienten nicht zu spät mit einer mechanischen Herzunterstützung versorgt werden.

 

Medikamentöse Therapie wirkungslos

Die bei rasch fortschreitender Herzschwäche notwendige medikamentöse Therapie kann ein sich entwickelndes Organversagen, hier insbesondere der Leber und Niere, aber auch des Darms und Gehirns, nicht auf Dauer aufhalten. Patienten mit einem Herzunterstützungssystem müssen sich mindestens halbjährlich zur Kontrolle in der behandelnden Klinik vorstellen. Ein erweitertes Herz-Team muss die beste Therapieoption individuell für den Patienten gestalten. Dieses besteht gewöhnlich aus Herzchirurgen, Kardiologen, Transplantationsmedizinern, Anästhesisten sowie Psychologen – unter zwingender Einbeziehung des Patienten erfolgen.

Patienten mit mechanischer Herzunterstützung oder einem Kunstherz gelten nicht mehr als hochdringlich (high urgent) auf der Patientenliste für eine Herztransplantation. Stattdessen bekommen sie den Status „transplantierbar“. Dies führt zu einer Chance, ein geeignetes Spenderherz transplantiert zu bekommen, bei nur einem Prozent per annum. De facto handelt es sich beispielsweise in Deutschland für die meisten Herzinsuffizienz-Patienten mit LVAD um eine Dauertherapie. Erst wenn lebensbedrohliche Komplikationen auftreten, werden diese Patienten im Status hochdringlich (high urgent) geführt und warten dann derzeit im Mittel circa vier Monate auf ein Spenderorgan.


Quelle:

Expertenstatement Herzunterstützungssysteme bei schwerer Herzinsuffizienz: Überbrückung zur Herztransplantation oder dauerhafte Therapie. Professor Dr. Jan Gummert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG); Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. 136. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, März 2019, München

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