Sonntag, März 17, 2024

Chirurgische und bronchoskopische Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem

Der Vergleich chirurgischer mit bronchoskopischen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem ist derzeit noch nicht aussagekräftig.

Unter dem Strich führt ein dauerhaft erweitertes oder zerstörtes Lungengewebe bei Lungenemphysem zur Überblähung der Lunge. Dadurch können die betroffenen Patienten vor allem unter Atemnot leiden. Wobei das in schweren Fällen sogar im Ruhezustand geschehen kann. Im Grunde genommen haben jedenfalls Therapien mit Medikamenten und Wirkstoffen nur begrenzte Wirkungen. Dazu stellt sich daher die Frage, welche Vor- und Nachteile chirurgische und bronchoskopische Verfahren bei schwerem Lungenemphysem haben, wenn man sie zur Lungenvolumenreduktion anwendet.

 

Lungenvolumenreduktion bei Lungenemphysem

Im Grunde genommen kann die chirurgische Resektion der am stärksten zerstörten Abschnitte der Lunge die Lungenfunktion und die Belastungsfähigkeit verbessern. Allerdings steht ihrem Nutzen eine signifikante Morbidität gegenüber. Diese Tatsache brachte Forscher dazu, die Suche nach neuen Ansätzen zur Lungenvolumenreduktion sehr zu forcieren.

An der Spitze neuer Entwicklungen standen alternative minimal-invasive Ansätze. Hierzu kamen bronchoskopische Techniken wie Ventile, Spiralen, thermische Dampfablation und Sklerosierungsmittel zur Anwendung.

Das Einsetzen von endobronchialen Klappen bei ausgewählten Patienten könnte Vorteile haben. Dies könnte mit der chirurgischen Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem vergleichbar sein. Endobronchiale Spiralen (Coils) könnten bei der Behandlung von Patienten mit Emphysemen mit schwerer Hyperinflation und geringerer Parenchymzerstörung eine Rolle spielen.

Die Verwendung von Dampfwärmeenergie oder eines Sklerosierungsmittels könnte eine fokale Behandlung ermöglichen. Aber die Unvorhersehbarkeit der Entzündungsreaktion schränkt ihre derzeitige Verwendung ein.

Die endoskopische Lungenvolumenreduktion (ELVR) mit Klappen gilt jedenfalls als Schlüsselstrategie für Patienten mit schwerem Emphysem und gleichzeitig geringer Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid.

 

Vergleich von chirurgischen mit bronchoskopischen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion mangels Studien bei schwerem Lungenemphysem problematisch

Verfügbaren Studiendaten für chirurgische und für einzelne bronchoskopische Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem zeigen sowohl Vor- als auch Nachteile im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie. So können einige Interventionen die körperliche Belastbarkeit oder die Lebensqualität erhöhen.

Es gibt aber auch negative Effekte. Bei den chirurgischen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem ist das beispielsweise eine zumindest kurzfristig höhere Sterblichkeit. Hingegen treten bei den bronchoskopischen teils vermehrt Exazerbationen und Pneumothoraxe auf. Ein Vergleich von chirurgischen mit bronchoskopischen Verfahren ist mangels Studien derzeit nicht möglich. Eine laufende Studie lässt aber Erkenntnisse hierzu erwarten.

 

Rauchen ist Hauptursache für ein Lungenemphysem

Ein Lungenemphysem ist eine fortschreitende Erkrankung, die behandelbar, aber nicht heilbar ist. Denn bestimmte Teile des Lungengewebes sind irreversibel geschädigt. Ursache ist zumeist jahrelanges Rauchen. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Patientinnen und Patienten infolge der Atemnot körperlich wenig belastbar, ihre Lebensqualität ist deutlich verringert und auch ihre Lebenserwartung vermindert.

Den Betroffenen, meist Patientinnen und Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), wird empfohlen, auf das Rauchen zu verzichten. Um die Symptome zu lindern und akute Verschlechterungen (Exazerbationen) zu vermindern werden vor allem Arzneimittel wie Bronchodilatatoren und Glukokortikoide (Kortison) eingesetzt. Es gibt aber auch nichtmedikamentöse Therapieansätze wie etwa körperliches Training oder Atemphysiotherapie.

 

Chirurgische Lungenvolumenreduktion seit 90er Jahren im Einsatz

Wenn alle oben erwähnten Methoden zur Lungenvolumenreduktion erfolglos ausgeschöpft sind, gibt es die Möglichkeit, das veränderte Lungengewebe zu entfernen, um eine Lungenvolumenreduktion zu erreichen. Dies kann durch einen chirurgischen Eingriff oder durch ein bronchoskopisches Verfahren geschehen. Auf diese Weise will man mehr Platz für die weniger betroffenen Lungenteile schaffen und die Atemmuskulatur entlasten, was die Lungenfunktion verbessern und die Atemnot lindern soll.

Im Unterschied zu den chirurgischen Verfahren, die bereits seit Mitte der 90er Jahre eingesetzt werden, wurden die bronchoskopischen Verfahren erst in den letzten Jahren entwickelt und gelten als weniger invasiv. Ihr Spektrum ist breit: Zum Einsatz kommen hier u. a. Ventile, Spiralen oder Polymerschaum.

 

Bei chirurgischen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem eine Studie mit über 1200 Teilnehmern.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Deutschland hat unlängst das IQWiG beauftragt, Nutzen und Schaden von Verfahren der Lungenvolumenreduktion (LVR) sowohl im Vergleich zu einer herkömmlichen Behandlung als auch im Vergleich zu anderen LVR-Verfahren zu bewerten.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, ist die Studienlage bei den chirurgischen Verfahren mit insgesamt elf Studien relativ gut. Dabei gibt es eine randomisierte kontrollierte Studie mit 1218 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die die chirurgische Lungenvolumenreduktion ergänzend zur konservativen Therapie mit einer konservativen Therapie allein verglich und bei der die Nachbeobachtungszeit bis zu sechseinhalb Jahre betrug.

 

Sterblichkeit: Mittelfristiger Vorteil, aber kurzfristiger Nachteil

Was die Gesamtsterblichkeit betrifft, zeigen die Studienergebnisse ein sehr gemischtes Bild: Betrachtet man die Daten fünf Jahre nach dem Eingriff, zeigt sich ein Hinweis auf einen Nutzen der chirurgischen Lungenvolumenreduktion. Im ersten Jahr nach der OP ist die Sterblichkeit dagegen deutlich höher als bei den konventionell behandelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier lässt sich ein Beleg für einen Schaden der chirurgischen Lungenvolumenreduktion ableiten.

Zugunsten der chirurgischen Verfahren fielen die Ergebnisse zudem bei der körperlichen Belastbarkeit und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie bei der Atemnot und den Exazerbationen aus.

 

Bei bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion neue Studien einbezogen

Bei den bronchoskopischen Verfahren konnte man insgesamt 15 Studien in den Abschlussbericht einbeziehen, beim Vorbericht waren es lediglich neun gewesen. Allerdings lieferten auch die neuen Studien jeweils nur Ergebnisse zu relativ kurzen Zeiträumen (drei Monate bis ein Jahr). Zudem gibt es für mehrere Verfahren jeweils nur eine Studie. Insofern ist die Studienlage weiterhin weniger gut als bei den chirurgischen Interventionen.

Für keine der Verfahren zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion zeigten die Studien einen Unterschied bei der Sterblichkeit im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie. Durch das Einführen des Endoskops entsteht in den Bronchien kurzfristig ein starker Reiz, was sich in den Studien in häufigeren Nebenwirkungen wie vermehrte Exazerbationen sowie Infektionen und Verletzungen des Lungengewebes (Pneumothorax) niederschlägt.

 

Vorteil bei Atemnot und körperlicher Belastbarkeit

Diesem Nachteil stehen aber auch Vorteile gegenüber. So konnten insbesondere bronchoskopische Verfahren, bei denen Spiralen oder Ventile eingesetzt wurden, die körperliche Belastbarkeit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität erhöhen. Wurden Spiralen angewendet, zeigten die Daten zudem einen Vorteil durch geringere COPD-Symptome, v. a. Atemnot.

Bei Verfahren, die mit Polymerschaum, sogenannten Airway-Bypass-Stents oder thermischer Dampfablation arbeiten, war jeweils nur eine Studie verfügbar. Deren Daten zeigten keinen belastbaren Vorteil dieser Verfahren.

 

Chirurgie versus Bronchoskopie: Studienergebnisse für 2019 erwartet

Den G-BA hatte bei der Vergabe des Auftrags insbesondere interessiert, wie die älteren chirurgischen gegenüber den neueren bronchoskopischen Verfahren zur Lungenvolumenreduktion abschneiden. Doch eben diese Frage lässt sich nicht beantworten, weil es keine vergleichenden Studien gibt.

Unklar bleibt auch, für welche Patientinnen und Patienten welche Interventionen besonders geeignet sind. Hierfür fehlen bislang u. a. einheitliche Definitionen der unterschiedlichen Emphysemtypen und valide Ergebnisse zu den jeweiligen Subgruppen.

Allerdings läuft aktuell eine Studie, die die chirurgische und die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mit Ventilen direkt vergleicht und die für 2019 erste Ergebnisse erwarten lässt. Auch zu einzelnen LVR-Verfahren – insbesondere mit Ventilen – laufen mehrere Studien, sodass sich die Datenlage in den kommenden Jahren weiter verbessern könnte.

 

Ventile werden meist nur auf einer Lungenseite eingesetzt

Aus den Fragestellungen der aktuellen Studien ziehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem den Schluss, dass die bronchoskopischen Verfahren mit Ventilen inzwischen fast ausschließlich einseitig (unilateral) angewendet werden.


Literatur:

Lenga P, Ruwwe-Glösenkamp C, Grah C, Pfannschmidt J, Rückert J, Eggeling S, Gläser S, Schmidt B, Schneider P, Kurz S, Leschber G, Gebhardt A, Becke B, Schega O, Borchardt J, Hübner RH. Endoscopic lung volume reduction with endobronchial valves in very low DLCO patients. Results from the German Registry – Lungenemphysemregister e.V. ERJ Open Res. 2021 Jan 25;7(1):00449-2020. doi: 10.1183/23120541.00449-2020. PMID: 33532454; PMCID: PMC7836438.

Shah PL, Herth FJ, van Geffen WH, Deslee G, Slebos DJ. Lung volume reduction for emphysema. Lancet Respir Med. 2017 Feb;5(2):147-156. doi: 10.1016/S2213-2600(16)30221-1. Epub 2016 Sep 29. Erratum in: Lancet Respir Med. 2016 Nov;4(11):e55. PMID: 27693408.


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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