Freitag, März 29, 2024

Low Carb bei Diabetes – mit weniger Kohlenhydrate in der Ernährung

Eine moderate Ernährung mit wenig Kohlenhydrate, Low Carb, kann bei Diabetes durchaus empfehlenswert sein, wichtig ist aber eine individuell zugeschnittene Ernährungsberatung.

Die Amerikanische Diabetesgesellschaft publizierte im Mai 2019 den Konsensusreport der „Nutrition Therapy for Adults with Diabetes or Prediabetes“. Dieser stellt bereits im einleitenden Teil vor den spezifisch ernährungsbezogenen Empfehlungen als Grundannahme fest. Und zwar dass die Diabetes bezogene medizinische Beratung zur Ernährung – einschließlich Low-Carb und den Einfluss der Kohlenhydrate – im Rahmen der Diabetesberatung fundamental wichtig ist.

  • Ernährungstherapie als Komponente der Diabetesbehandlung ist nicht als Ernährungs-„Information“ zu verstehen, sondern als „Beratungs“-Leistung im Sinne einer umfassenden Diabetes-Selbstmanagement-Ausbildungs- und Unterstützungsleistung („comprehensive diabetes self-management education and support (DSMES).
  • Diabetesbezogene Ernährungsberatung muss individualisiert erfolgen.
  • Diabetesbezogene Ernährungsberatung wird von Ernährungsfachkräften vermittelt und ist adäquat zu honorieren.

Die folgenden Empfehlungen sind vor dem Hintergrund dieser Grundannahmen und Forderungen zu sehen.

 

Konsensus-Empfehlungen zu Makronährstoffen

Eine allgemeingültige anteilige Aufnahme von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett in der Ernährung von Menschen mit Diabetes wird als nicht evidenzbasiert angesehen.

Hinsichtlich der Proteinaufnahme bei Diabetes wird zum einen die limitierte Studienlage und zum anderen die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse existierender Studien mit möglichen Vorteilen einer eiweißreichen Ernährung im Rahmen einer Gewichtsreduktion konstatiert.

 

Konsensus-Empfehlungen zu Ernährungsmustern

  • Für das Management von Diabetes ist eine Auswahl von verschiedenen Mustern zur Ernährung akzeptabel.
  • Bis zum Vorliegen zusätzlicher Evidenz sollten Menschen mit Diabetes nicht-stärkehaltige Gemüsesorten und wenig verarbeitete Lebensmittel bevorzugen sowie raffinierten Zucker und hochverarbeitetes Getreide vermeiden.
  • Die größte Evidenz für die Senkung der Blutglukosespiegel bei Menschen mit Diabetes mellitus liegt für die Reduktion der Kohlenhydrataufnahme vor; diese kann unter Berücksichtigung von persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben in Form von verschiedenen Ernährungsmustern eingesetzt werden.
  • Für ausgewählte erwachsene Personen mit Typ-2-Diabetes ist die Reduktion der Kohlenhydrataufnahme mittels Low-Carb- oder Very-Low-Carb-Ernährungsformen ein möglicher Ansatz. Dabei wird von den Autoren eine Low-Carb-Ernährungsform definiert mit einem Kohlenhydratanteil von 26 bis 45 Prozent an der täglichen Energiezufuhr. Eine Very-Low-Carb-Ernährungsform sieht eine Reduktion auf unter 26 Prozent vor.
  • In Studien bis zu sechs Monaten reduziert eine kohlenhydratarme Ernährung den HbA1c, die Triglyzeride, den Blutdruck und die Menge der Diabetesmedikation deutlicher als eine fettarme Ernährung. Studien mit einer Dauer von über zwölf Monaten zeigen jedoch abnehmende Effekte, am ehesten aufgrund einer langfristig schwer einzuhaltenden Compliance.
  • Für Diabetiker mit chronischer Niereninsuffizienz, Diabetiker mit Essstörungen und Schwangere ist die Datenlage zur Anwendung einer solchen Ernährungsform nicht ausreichend.
  • Der langfristige Einfluss einer durch die kohlenhydratarme Ernährung gegebenenfalls erhöhten Aufnahme von (gesättigten) Fetten auf das kardiovaskuläre Risiko ist nicht bekannt.
  • Zu Beginn einer Umstellung auf ein kohlenhydratarmes Ernährungsmuster sollte der Diabetes durch einen erfahrenen Arzt überwacht werden, da es unter Diabetesmedikation zu Hypoglykämien kommen kann.
  • Neben Low-Carb-Ernährungsformen werden die Effekte unter anderem von mediterraner Ernährung, vegetarischer oder veganer Ernährung und fettreduzierter Ernährung auf Zielparameter der Diabetestherapie dargestellt, ohne dass eine Ernährungsform anderen überlegen wäre.

Extrem einseitige und für die Gesundheit bedenkliche Ernährungsformen sind nicht Teil der Empfehlungen.

 

Konsensus-Empfehlungen zu hypokalorischer Ernährung / Gewichtsreduktion, Fett und Kohlenhydrate bei Diabetes

Im Hinblick auf die Ernährung zur Gewichtsreduktion wird in einem eigenen Kapitel des ADAConsensus Report zum Gewichtsmanagement betont, dass es entscheidend darauf ankommt, eine individuell akzeptierte und praktikable hypokalorische Ernährungsweise zu erarbeiten, die zu einem Energiedefizit und letztlich zu einer nachhaltigen Gewichtsabnahme führt, unabhängig von der Makronährstoffzusammensetzung oder dem Ernährungsmuster.

Vergleichbar konstatiert in Deutschland die „Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft im Verbund mit der DDG, der DGE und der DGEM [3] folgende Empfehlungen:

Um ein Energiedefizit zu erreichen, können verschiedene Ernährungsstrategien verwendet werden:

  • Reduktion des Fettverzehrs,
  • Reduktion des Kohlenhydratverzehrs,
  • Reduktion des Fett- und Kohlenhydratverzehrs.

 

Abschließende Stellungnahme des Ausschusses Ernährung der DDG mit Schwerpunkt auf Low-Carb-Ernährungsformen

Die Empfehlungen stehen im Einklang mit den vielfältigen Ernährungsweisen, die von der Bevölkerung der USA – und der Bundesrepublik Deutschland – im Alltag praktiziert werden.

Angesichts der Definition der Autoren des ADA Consensus Report einer Low-Carb-Ernährungsform von unter 45 Energie % KH entspricht diese Empfehlung (als eine der möglichen) ohnehin dem aktuellen Ernährungsverhalten in Deutschland, welches aber ansonsten in vielen Punkten nicht den Empfehlungen für eine gesunde Ernährung entspricht (2).

 

Es macht aus Sicht des Ausschusses Ernährung der DDG zumindest langfristig keinen Sinn, lediglich einen Makronährstoff in einer Ernährungsform zu limitieren.

Der Ausschuss Ernährung weist darauf hin, dass sich die Empfehlungen nicht auf eine rein quantitative Betrachtung der Makronährstoffe beziehen sollten, sondern deren qualitative Bewertung mit einbeziehen müssen. Fettsäurezusammensetzung, Ballaststoffe und glykämische Last sind wichtiger als die reine Makronährstoffrelation. Diese sollte daher nicht unabhängig von den qualitativen Aspekten interpretiert werden.

 

Moderate Low-Carb-Ernährung empfehlenswert

Eine moderate Low-Carb-Ernährung kann durchaus empfehlenswert sein, wenn sie wie bei einer mediterranen Ernährung einen hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren (MUFA) hat und eine High-Carb-Ernährung mit reichlich Kohlenhydrate kann bei hohem Anteil an Ballaststoffen und niedriger glykämischer Last ebenso gesund sein.

Insgesamt bereichert der ADA Consensus Report mit Empfehlungen zur Ernährung bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus das therapeutische Denken. Und zwar um die nicht erstmalige, aber erneute Fokussierung auf eine individuell zugeschnittenen umsetzbaren Ernährungsberatung.

In diesem Sinne sind Empfehlungen zur Ernährung erforderlich, die ihre Statements für die verschiedenen Diabetes-Typen, Behandlungsformen und gesundheitlichen Situationen differenzieren und persönliche und soziale Aspekte stärker berücksichtigen.

Diese kurze Stellungnahme geht insbesondere auf den Low-Carb-Aspekt des ADA Consensus Report (Umfang 24 Seiten inklusive Literatur) ein und nicht auf die Gesamtheit seiner zahlreichen weiteren Aspekte zur Ernährung und Kohlenhydrate in der Therapie von Diabetes. Er nimmt keinen Bezug auf die im Konsensusreport inkludierten Empfehlungen für Personen mit gestörter Glukosetoleranz.


Literatur:

1. Evert AB, Dennison M, Gardner CD, Garvey WT, Lau KHK, MacLeod J et al. (2019). Nutrition Therapy for Adults with Diabetes or Prediabetes: A Consensus Report. Diabetes Care 42(5): 731-754.

 


Quelle:

Expertenstatement » Low Carb: Welchen Einfluss hat eine reduzierte Kohlenhydrat-Aufnahme auf Diabetes? «. Professorin Dr. med. Diana Rubin, Chefärztin und Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Vivantes Klinikum Spandau und Humboldt-Klinikum Berlin. 13. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), November 2019, Leipzig.

Auswertung und Kommentierung des amerikanischen Konsensusreports „Therapie zur Ernährung wie Low Carb für Erwachsene mit Diabetes und Prädiabetes“ durch den Ausschuss Ernährung der DDG.

Nationale Verzehrsstudie, Teil II, https://www.bmel.de

S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“, Version 2.0 (2014), AWMF-Register Nr. 050/001.

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...