Der Protonenpumpen-Hemmer Lansoprazol soll gegen Tuberkulose wirken und eine spezifische Aktivität gegen multiresistente Tuberkulose-Bakterien aufweisen.
Durch das Testen mehrerer hundert zugelassener Medikamente haben Wissenschaftler der Uniklinik Köln und der Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) unlängst eine „neue“ antibiotisch wirkende Substanz gegen Tuberkulose entdeckt: den bekannten Protonenpumpen-Hemmer Lansoprazol.
Der „Säureblocker“ Lansoprazol ist ein relativ nebenwirkungsarmes Medikament, das normalerweise gegen Magengeschwüre angewendet wird. Er weist eine spezifische Aktivität gegen multiresistente Tuberkulose-Bakterien auf.
Tuberkulose weltweit nicht unter Kontrolle
Die Tuberkulose (TB)-Pandemie ist weiterhin nicht unter Kontrolle, das TB-Bakterium Mycobacterium tuberculosis verursacht jährlich Millionen Tote und noch mehr Neuinfektionen. Resistenzen gegenüber TB-Medikamenten sind weit verbreitet. Für die Entwicklung neuer Medikamente gibt es also einen dringenden Bedarf. Die Verwendung derzeit erhältlicher Antibiotika hat außerdem bei vielen Bakterien zur Entwicklung von Multiresistenzen geführt. Dies macht die Identifizierung und Entwicklung neuer Antibiotika dringend erforderlich.
Millionen von chemischen Verbindungen wurden in der Vergangenheit auf ihre Fähigkeit untersucht, das Wachstum von M. tuberculosis im Reagenzglas zu hemmen. Jedoch nur wenige Wirkstoffkandidaten sind derzeit in klinischen Studien. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklung neuer TB-Medikamente bis zur Anwendung beim Menschen mindestens zehn Jahre dauert.
Bereits etablierte Wirkstoffe auf Ihre Wirkung als Antibiotikum zu untersuchen
Ein effizienterer Ansatz besteht darin, etablierte Medikamente, die bereits in der klinischen Anwendung sind, auf Ihre Wirkung als Antibiotikum hin zu untersuchen. Das ist die von Dr. Dr. Jan Rybniker, Wissenschaftler in der Infektiologie an der Uniklinik Köln, eingeschlagene Strategie. Ein internationales Team hatte zuvor eine effiziente Hochdurchsatz-Screening-Methode entwickelt, die auf der Nutzung von Lungenzellen basiert. Diese werden mit M. tuberculosis infiziert und gleichzeitig mit dem zu testenden Wirkstoff versehen. Überleben die Lungenzellen drei Tage in der Kultur, ist der eingesetzte Stoff gegen M. tuberculosis wirksam.
Lansoprazol als Substanz mit potentieller Wirksamkeit gegen Tuberkulose-Bakterien
Mit dieser maßgeschneiderten „intrazellulären“ Methode testeten die Wissenschaftler eine große Gruppe von zugelassenen Medikamenten und identifizierten das Medikament Lansoprazol als Substanz mit potentieller Wirksamkeit gegen Tuberkulose-Bakterien. Ähnliche robotisierte Hochdurchsatz-Screening-Verfahren werden immer häufiger in der Medikamentenentwicklung eingesetzt, da sie umfangreiche Substanz-Sammlungen mit potenziellen Medikamenten schnell und akkurat in kürzester Zeit testen können – manuelle Methoden benötigen hierfür mehrere Monate.
Lansoprazol wirkt allerdings nur, wenn sich die Bakterien innerhalb von Lungenzellen oder menschlichen Abwehrzellen befinden. Die Forscher untersuchten den zugrunde liegenden Mechanismus der intrazellulären Anti-Tuberkulose-Aktivität von Lansoprazol und konnten zeigen, dass der Wirkstoff von den menschlichen Zellen zunächst in ein aktives Stoffwechselprodukt, einem Metabolit, umgewandelt werden muss, bevor es die Bakterien töten kann. Dieser Lansoprazol-Metabolit hemmt die Aktivität eines Enzyms, das von entscheidender Bedeutung für die Energiegewinnung des Bakteriums ist.
Lansoprazol gehört zu einer Klasse von Medikamenten, die als Protonen-Pumpen-Inhibitoren oder Protonenpumpen-Hemmer die Produktion von zu viel Säure im Magen verhindern und gegen Sodbrennen sowie Magen-Geschwüre angewendet werden. Die Medikamente haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil und können auch in hohen Dosierungen angewendet werden. Dr. Rybniker erklärt: „Als wirksames Medikament gegen resistente Stämme von M. tuberculosis bietet uns diese neue Klasse von Medikamenten eine ausgezeichnete Grundlage, die Tuberkulose zu behandeln.“
Literatur: