Freitag, März 29, 2024

Kritische Situation in der Geburtshilfe verbessern

Die möglichen Lösungen in der kritischen Situation der Geburtshilfe sind vielschichtig und strukturelle Weichenstellungen in vielen Bereichen sind nötig.

Was schon seit Jahren von Eltern, Hebammen, Gynäkologinnen und Gynäkologen und Pädiaterinnen und Pädiatern vorausgesagt wird, ist jetzt eingetreten. Schwangere und ihre Babys sind vielerorts nicht gut versorgt. Die Situation in der Geburtshilfe spitzt sich weiter zu.

 

Sätze von Frauen, die geboren haben.

„Ich wurde nicht ernst genommen!“

„Ich wollte nicht jedes Mal vaginal untersucht werden. Da hat meine Ärztin gesagt, dass ich mir gleich einen neuen Frauenarzt suchen könne.“

„Ich musste mit den Wehen die ganze Zeit liegen und durfte nicht umhergehen!“

„Ich fühlte mich wie ein Objekt!“

„Es hieß: ‚Sie bekommen jetzt einen Tropf, damit das Kind schneller kommt.ʻ Gefragt hat mich niemand.“

„Es hieß: ‚Wir müssen einige Dinge machen. Lassen Sie es einfach über sich ergehen. Keine Angst.ʻ“

Ein Kind zu bekommen, gehört für viele Eltern zur schönsten Erfahrung im Leben. Sie sollte geprägt sein von dem Gefühl, während Schwangerschaft, Geburt und der Zeit danach sicher und gut betreut zu werden. Doch erlebt ein viel zu großer Teil der Mütter genau das Gegenteil.

 

Zu den Ursachen der kritischen Situation in der Geburtshilfe

Die Lösungen in der Geburtshilfe sind vielschichtig und strukturelle Weichenstellungen in vielen Bereichen nötig (zum Beispiel: angemessene Vergütung von Beratungs- und Betreuungszeit, eine am Betreuungsaufwand orientierte Vergütung von geburtshilflichen Leistungen; ein besserer Personalschlüssel für die Betreuung von Geburten. Idealerweise im Verhältnis 1:1  eine Hebamme auf eine Gebärende, und so weiter).

Dabei ist grundlegend: Jede Schwangere braucht eine auf ihre individuelle Situation passende Begleitung. Hierfür sollte grundsätzlich ein interdisziplinäres und kooperierendes Team aus Hebammen sowie Gynäkologinnen und Gynäkologen und Pädiaterinnen und Pädiatern verfügbar sein, sofern die Frau das wünscht.

Es besteht die Chance, gemeinsam die Situation in der Geburtshilfe zu verbessern und einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Nur im WIR kann sich die Situation für die Familien langfristig verbessern. Zu dem WIR ergänze ich noch die Politik. Denn ohne politische Initiative (Stichwort „Nationaler Aktionsplan Geburtshilfe“) wird es schwerer für alle Beteiligten.

 

Was muss sich konkret im Zusammenspiel mit den Berufsgruppen ändern?

Die Schwangerenvorsorge muss nach salutogenetischen Prinzipien ausgerichtet sein. Demnach muss Schwangerschaft zunächst als physiologischer und nicht als pathologischer Vorgang betrachtet werden. Die Salutogenese richtet sich danach aus, wie Gesundheit entstehen und erhalten werden kann. Im Gegensatz dazu steht die Pathogenese, bei der die krankhafte Entwicklung im Fokus steht.

 

Schwangerschaft und Geburt sind pauschal keine risikoreichen und lebensbedrohlichen Ereignisse

Eine Schwangerschaft und Geburt sollte nicht pauschal als risikoreiches und lebensbedrohliches Ereignis kommuniziert werden, wie es heute häufig getan wird. Denn das führt zu Angst und Verunsicherung bei den Frauen und einem Vertrauensverlust, vor allem in die eigene Fähigkeit, ein Kind gebären zu können.

Weiter müssen die routinemäßig vorgenommenen Untersuchungen in der Schwangerenvorsorge und während der Geburt hinsichtlich ihrer medizinischen Sinnhaftigkeit auf den Prüfstand gestellt werden.

Das Gleiche gilt auch für die Kriterien zur Bestimmung einer Risikoschwangerschaft, die teilweise wissenschaftlich nicht bestätigt sind. Letzteres ist insofern wichtig, als dass mit der Bezeichnung als „Risikoschwangere“ eine psychische Belastung für die Schwangere verbunden sein kann. Besonders hier kommt es auf eine sensible und zugewandte Kommunikation an.

Erklärende Worte können viele Sorgen und viel Stress verhindern. Die Bedürfnisse der schwangeren beziehungsweise gebärenden Frau und ihres (ungeborenen) Kindes müssen bei allen Untersuchungen im Zentrum der Betreuung stehen. Sie braucht vor allem Zuspruch und Bestärkung. Das betrifft ebenso schwierige Schwangerschafts- und Geburtsverläufe, wie zum Beispiel eine Frühgeburt oder ein (Not-)Kaiserschnitt.

 

Wertungsfreie Beratung

Frauen und ihre Familien benötigen bei Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt wertungsfreie Beratung, die wissenschaftlich begründet ist und keine Angst macht. Untersuchungen und Eingriffe müssen derart erklärt werden, dass Frauen verstehen, welchen Nutzen und welche möglichen Nebenwirkungen sie haben, welche Alternativen es gibt und was der Grund für ihren Einsatz ist. Nur so können Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen und die für sie richtigen Entscheidungen in Bezug auf ihre Schwangerschaft, die Geburt und die Zeit im Wochenbett treffen.

 

Positive Zitate

„Meine Frauenärztin hat mich so toll unterstützt.“ „Nach dem Notkaiserschnitt hat mir die Ärztin genau erklärt, warum das so sein musste und was sie gemacht haben. Das hat mir sehr geholfen, ich habe ja gar keine Erinnerung an die Geburt.“

„Ich wollte nie stillen. Meine tolle Hebamme hat mir erklärt, warum Stillen gut für mich und mein Baby ist. Ich habe ich mich dann doch entschieden, es zu probieren. Jetzt bin ich richtig traurig, wenn ich an das Ende unserer Stillzeit denke.“

„Ich war anfangs ganz unsicher, weil mein Kleiner so verkabelt war und so zerbrechlich aussah. Das Team auf der Frühchenstation hat uns aber so sehr geholfen und mir immer das Gefühl gegeben, dass ich das schon richtig mache. Das war ganz toll!“

„Sie machen das super, sie schaffen das (die Geburt) – das war so wichtig für mich zu hören.“

„Ich habe mich so stark gefühlt und dachte, dass ich direkt noch ein Kind bekommen möchte.“


Quelle:

EXPERTENSTATEMENT »Angst- und wertungsfreie Kommunikation: Eltern wollen gut informiert werden, um aufgeklärt entscheiden zu können.« Katharina Desery, Mutter von drei Kindern und Vorstandsmitglied der Elterninitiative Mother Hood e. V.

Kongress zur Schwangerschaft und Geburt als Grundlage der Gesundheit. „WIR von Anfang an“. Oktober 2019, Stuttgart.

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