Donnerstag, März 28, 2024

Suizidprävention: Mediale Beiträge über Krisenintervention können Selbstmord-Rate verringern

Papageno-Effekt statt Werther-Effekt zur Suizidprävention: Mediale Beiträge über die Krisenintervention können Selbstmord-Rate verringern verringern.

Im Grunde genommen können mediale Darstellungen von Suiziden zu Nachahmungen führen. Hierzu spricht man in der Forschung vom „Werther-Effekt“. Allerdings scheint ein solcher Effekt als Krisenintervention zur Suizidprävention auch umgekehrt zu funktionieren. Diesen Papageno-Effekt  konnte nun Thomas Niederkrotenthaler am Zentrum für Public Health der MedUni Wien in einer Studie messen. Seine Analyse zeigte den Zusammenhang zwischen dem Hip-Hop-Hit „1-800-273-8255“ des US-Rappers Logic und einem Rückgang an Suiziden in den USA um 5,5 Prozent im Beobachtungszeitraum nach.

 

1-800-273-8255 als Krisenintervention zur Suizidprävention

Der Hit aus dem Jahr 2017 thematisiert hierzu die tiefe Krise eines jungen, schwarzen, homosexuellen Mannes. Wobei dieser aufgrund von Diskriminierungen und Zurückweisungen seinem Leben ein Ende setzen will. Dann greift er aber zum Telefon. Und schließlich erhält er Hilfe unter der Nummer 1-800-273-8255. Das ist die Hotline der US-Suizidprävention National Suicide Prevention Lifeline, die auf Krisenintervention spezialisiert ist.

Der Hip-Hop-Song war wochenlang unter den Top 3 der US-Charts. Außerdem hat man ihn auch bei den MTV Video Music Awards 2017 und Grammy Awards 2018 gelistet. Der enorme Erfolg schlug sich bei der US-Suizidpräventionshotline, die durch den Songtitel breite Bekanntheit erreichte, in einem deutlichen Anstieg an Anrufen von Menschen mit Suizidgedanken nieder.

 

Messbarkeit dieser Krisenintervention zur Suizidprävention durch große Verbreitung

Derart messbaren Auswirkungen von medialen Darstellungen von einer Krisenintervention zur Suizidprävention ist der Suizidforscher Thomas Niederkrotenthaler am Zentrum für Public Health der MedUni Wien schon länger auf der Spur. „Experimentelle Studien, insbesondere auch von unserer Forschergruppe, legen nahe, dass Erzählungen von Menschen, die suizidale Krisensituationen bewältigt haben, die Suizidalität in der Bevölkerung verringern können. Bisher gab es aber kaum entsprechend mediale Darstellungen mit ausreichend großer Verbreitung, um diesen Zusammenhang in Zahlen in der Bevölkerung sichtbar machen zu können. Logics Hip-Hop-Song bildet hier eine große Ausnahme.“

 

Mehr Kontakte, weniger Suizide

In der Zeit, als der Song besonders hohe öffentliche Aufmerksamkeit erreichte, analysierte Thomas Niederkrotenthaler mit ForscherInnen aus Wien, New York, Toronto, Atlanta und Melbourne Social-Media-Beiträge im Zusammenhang mit dem Hit und die Zahl der Anrufe bei der US-Suizidpräventionshotline. Das Ergebnis in Zahlen war deutlich. In einem Zeitraum von 34 Tagen wurden 9.915 (6,9 Prozent) zusätzliche Kontakte von Hilfesuchenden bei der National Sucide Prevention Lifeline verzeichnet. Die Zahl der Suizide in den USA konnte man um 245 (5,5 Prozent) verringern.

„Mit Hilfe unserer Analyse konnten wir erstmals zeigen, dass kreative Zusammenarbeit zwischen Unterhaltungsindustrie und Suizidprävention effektiv sein kann, um gerade vulnerable Menschen in suizidalen Krisensituationen dazu anzuregen, Hilfe zu suchen, und Suizide zu verhüten“, sagt Thomas Niederkrotenthaler und appelliert an Medien, ihr positives Potenzial zur Suizidprävention durch die Darstellung von Krisenbewältigung zu nützen.


Literatur:

Thomas Niederkrotenthaler, Ulrich S. Tran, Madelyn Gould, Mark Sinyor, Steven Sumner, Markus J. Strauss, Martin Voracek, Benedikt Till, Sean Murphy, Frances Gonzalez, Matthew J. Spittal, John Draper. Association of Logic’s hip hop song “1-800-273-8255” with Lifeline calls and suicides in the United States. Interrupted time series analysis. BMJ 2021; 375 doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2021-067726 (Published 13 December 2021). Cite this as: BMJ 2021;375:e067726


Quelle: Medizinische Universität Wien

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