Donnerstag, März 28, 2024

Krankenhaushygiene und Prävention

Das Thema Krankenhaushygiene wurde aufgrund jüngster Ereignisse zu Krankenhausinfektionen verstärkt ins Interesse der Öffentlichkeit gerückt.

Aktuelle Anlässe haben das Thema der Krankenhausinfektionen erstmals vermehrt in den medialen Fokus gerückt. Um Hygienemaßnahmen effektiv umzusetzen und Infektionen zu vermeiden ist sowohl die fundierte Ausbildung der Hygienefachkräfte, als auch die einheitliche Erhebung von sogenannten „nosokomialen Infektionen“ notwendig. Aus diesem Grund setzt sich die Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH) aktiv dafür ein bundesweit einheitliche Standards zur Vermeidung nosokomialer Infektionen zu schaffen und die Position von Hygienefachkräften zu stärken.

Nosokomiale Infektionen sind Infektionen, die in Einrichtungen des Gesundheitswesens erworben werden und in der Regel als Komplikationen im Rahmen von Diagnostik und Therapie anderer Grunderkrankungen eintreten können. Häufig haben sie schwerwiegende Folgen für den Patienten und können im schlimmsten Fall sogar tödlich enden.

Keine Zahlen zu Krankenhaushygiene für Österreich

Für Österreich gibt es keine bundesweit flächendeckenden Zahlen zu tatsächlichen Spitalsinfektionen, man geht jedoch davon aus, dass ca. jeder 20. Patient (4,5%-5%) im Spital von einer nosokomialen Infektion betroffen ist. Durch fehlende Meldepflicht fehlt exakte Evidenz, die sich derzeit nur anhand deutscher Statistiken schätzen lässt.

Allerdings existieren bereits jetzt in Österreich direkte und indirekte Regelungen und Empfehlungen zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen, wie zum Beispiel die „PRO HYG 2.0“. Diese gewährleisten zwar in der Regel ein gewisses Schutzniveau, flächendeckend durchgesetzt haben sie sich aber noch nicht.

Schnittstelle Hygieneteams und Problematik der Einsparungen

Die Mitarbeiter der Krankenhaushygiene-Teams spielen eine zentrale Rolle in der Umsetzung und Kontrolle der Hygienemaßnahmen in Gesundheitseinrichtungen. Ihnen kommt jedoch zu wenig Unterstützung zu. Gerlinde Angerler von der Stabstelle Krankenhaushygiene des Orthopädischen Spitals Speising und Vorstandsmitglied der ÖGKH fasst die Problematik zusammen: „Ein Schwerpunkt der Aufgaben einer Hygienefachkraft ist es, Hygiene und Infektionsprävention durch Maßnahmen der Erkennung, Verhütung und Bekämpfung solcher Infektionen zu optimieren. Als Hygienefachkraft gilt es im Sinne der Prävention die Mitarbeiter für Hygiene zu sensibilisieren und dadurch den Patienten zu schützen. Der Ausbildung der Hygienefachkraft kommt somit eine zentrale Bedeutung bei der Senkung von nosokomialen Infektionen zu. Hygienefachkräfte werden trotz ihrer wesentlichen Bedeutung oft zu wenig wertgeschätzt.“

Aktuelle Fälle rund um Spitalsinfektionen in Österreich lassen viele Fragen offen. Als Schnittstelle in diesem Bereich können eindeutig Experten von Hygieneteams genannt werden. „Als Dreh- und Angelpunkt in der direkten Patientenversorgung hat das Pflegefachpersonal eine zentrale Bedeutung wenn es um Themen der Krankenhaushygiene geht. Dies betrifft die unmittelbare Anwendung von Hygienemaßnahmen¬ wie etwa die korrekte Durchführung der Desinfektion der Hände. Grundkenntnisse werden bereits im Rahmen der Berufsausbildung erlangt.“, erklärt Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands. Die Präsenz eines ausreichend strukturierten und ausgestatteten Hygieneteams ist ein zentrales Element für die Umsetzung und Einhaltung von Hygienemaßnahmen.

MRSA Screenings als Präventionsmaßnahme

Der Zusammenhang zwischen einer Besiedelung mit dem Bakterium Staphylococcus aureus und einem erhöhten Infektionsrisiko ist wissenschaftlich belegt. Patienten sind deshalb bereits vor einer Operation auf ein potentielles Risiko zu untersuchen. Durch den Einsatz spezieller Verfahren der Schnelldiagnostik können solche Erreger rechtzeitig erkannt und frühzeitig antibiotisch behandelt werden. Auf diese Weise wird der Selektionsdruck auf die Mikroorganismen reduziert und Antibiotikaresistenzen damit vorgebeugt.

„Eine aktuelle Studie der MedUni Wien belegt, dass Besiedelungen mit S. aureus nicht nur im Krankenhausbereich sondern auch vermehrt im niedergelassenen Bereich zu finden sind. Primärpräventive Maßnahmen im niedergelassenen Bereich müssen deshalb denselben Standards folgen, wie jene im Krankenhausbereich. Hygiene ist unteilbar, Mikroorganismen können nicht erkennen, ob sie sich gerade in einem Krankenhaus oder in einer niedergelassenen Ordination befinden“, so Prof. Assadian, Präsident der ÖGKH. Gerade im niedergelassenen Bereich kommt es häufig zum Fehlgebrauch von Antibiotika. Etwa dann, wenn Virusinfektionen mit Antibiotika behandelt werden, obwohl sie nur gegen Bakterien wirken. Deshalb befürwortet die ÖGKH zusätzlich den Einsatz von Point-of-care-Tests, um klarer zwischen Virusinfektionen und bakteriellen Infektionen zu unterscheiden.

Leider gibt es große Hürden bei der Kostenerstattung von solchen präventiven Infektionsschutzmaßnahmen. Weder Screening zur Feststellung einer S. aureus Besiedelung, noch die erforderlichen Arzneimittel und antimikrobiellen Medizinprodukte für die Sanierung werden ohne größere Umwege erstattet. Ähnlich sieht es mit weiterführender Diagnostik aus. Die präventiven Kosten stehen jedoch in keinem Vergleich zu den diagnostischen und therapeutischen Kosten einer tatsächlich eingetretenen Infektion.

Weniger Geld für Krankenhäuser auch für Krankenhaushygiene problematisch

Einsparungen im Krankenhausbereich stellen für die Hygiene in den Institutionen ein großes Problem dar. Durch Budgetkürzungen ist der Einkauf in Krankenhäusern oft gezwungen, auf billigere Produkte, jedoch hinsichtlich bestimmter Qualitätsaspekte ungünstigere Medizinprodukte zurückzugreifen. Erste Analysen einer von der ÖGKH rezent durchgeführten Studie „Erhebung der Arbeitssituation von Hygieneteams in Österreich 2015“ zeigt, dass in 73% der teilgenommenen Gesundheitseinrichtungen eine Arzneimittelkommission vorhanden ist, jedoch nur 23% der an der Umfrage beteiligten Hygieneteams dort Mitglieder sind. Dies schlägt sich auch an der Umsetzung der Antibiotika-Stewardship Programme nieder. Lediglich 45% der befragten Einrichtungen haben ein ABS-Programm implementiert. „Der sichere und adäquate Umgang mit Antibiotika ist eine Lebensversicherung für zukünftige Patientengenerationen. Hinsichtlich Strategien zum Umgang mit Antibiotika besteht somit noch ein deutliches Verbesserungspotential“, so Assadian.

Allerdings scheint die Situation zur Anschaffung von Medizinprodukten mindestens genau so kritisch zu sein. Lediglich 25% der befragten Institutionen verfügen über eine Medizinproduktekommission, darunter nur 12% mit Mitgliedern des Hygieneteams. „Die Anschaffung von Medizinprodukten ist ein komplexer und verantwortungsvoller Prozess, bei dem neben wirtschaftlichen Kenntnissen ein hohes Maß an hygienischer Expertise erforderlich ist. Das fehlen z.B. eines simplen Rückschlagventils an der richtigen Stelle kann unter Umständen bereits über Entstehen einer Infektion mitentscheiden. Hygienefachkräfte verfügen über die nötige Expertise, um solche komplexen Aspekte vor Anschaffung bewerten zu können“, sagt Assadian.

Allerdings sind lediglich 39% der Hygienefachkräfte laut ÖGKH Umfrage, Vollzeit tätig, und 54% der Befragten sagen aus, dass die für hygienerelevante Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht. Assadian: „Auch wenn es scheint, dass derzeit in Österreich noch kein hochakuter Mangel an Hygienefachkräften vorliegt, so muss doch festgehalten werden, dass diese wichtige Expertise offenbar falsch und wenig effizient eingesetzt wird. Immerhin geben nur ein Drittel der Befragten an, nicht für fachfremde Tätigkeiten von ihrem Dienstgeber herangezogen zu werden. Die Abwärtsspirale der Tätigkeitsqualifikation ist allerdings ein Problem, das nicht nur die Hygiene, sondern die gesamte Medizin betroffen hat und der es entgegen zu wirken gilt.“

Problemfelder transparent behandeln

Ein offener Umgang mit Krankenhausinfektionen verlangt, dass die kritischen Themenbereiche angesprochen werden. Das bedeutet, dass ein offener Dialog zwischen Institutionen, Pflegern und Patienten stattfinden muss. „Offenes Umgehen, ein verbindliches Meldesystem, öffentliche Darstellung der Infektionshäufigkeit und verbindliche Qualitätsstandards sind unabdingbar und längst fällig. Dazu kommt, dass viele praktische Strategien zur Infektionsvermeidung, wie etwa die Desinfektion der Hände, zwar dem Gesundheitspersonal bekannt sind, aber trotzdem nicht durchgehend befolgt werden“, berichtet Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte.

Über die ÖGKH

Die ÖGKH ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die gemeinnützig der Förderung der Krankenhaushygiene sowie dem Schutz des Patienten gegenüber nosokomialen Infektionen in Einrichtungen des Gesundheitswesens dient. Zu ihren Aufgaben und Tätigkeiten zählen die Unterstützung für alle im Gebiet der Krankenhaushygiene Tätigen und betroffenen Patienten, die Förderung und die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit aller krankenhaushygienisch tätigen Personen und Organisationen, die Pflege des Kontaktes und die Förderung der Zusammenarbeit von Arbeitskreisen und Hygieneteams, die Beratung von Patienten, Angehörigen, Interessensvertretungen und Unternehmungen, die medizinische Forschung und Verbreitung der Ergebnisse, die Kommunikation und Bekanntmachung wissenschaftlicher Berichte und Erkenntnisse.

Weitere Informationen: www.oegkh.ac.at

 

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