Donnerstag, April 18, 2024

Konservative Therapie bei Veneninsuffizienz: Kompressionstherapie der Venen

Die Kompressionstherapie stellt eine wichtige Säule in der konservativen Therapie bei chronischer Veneninsuffizienz  und der Venen dar.

In Grunde genommen hat bereits Hippokrates die Kompressionstherapie zur Therapie von Beschwerden der Venen, bei Veneninsuffizienz beziehungsweise von Venenleiden und Beingeschwüren erstmals im Jahr 400 vor Christus beschrieben.

 

Wirkung der konservativen Therapie mittels Kompressionstherapie bei Veneninsuffizienz

Die Wirksamkeit der konservativen Therapie mittels Kompressionstherapie bei Veneninsuffizienz hängt vor allem vom ausgeübten Druck und von der Elastizität des verwendeten Materials ab. Durch Druckeinwirkung auf das Bein von außen wird nicht nur die Mikrozirkulation verbessert. Sondern die Kompressionstherapie bringt auch eine entscheidende positive Wirkung auf die Insuffizienz der großen Venen.



Diese Effekte sind durch mehrlagige Kurzzugverbände erzielbar, die als feste Manschette an das Bein anmodelliert werden. Eine derartige Manschette setzt der Wadenmuskulatur einen Widerstand entgegen und die gesamte Kraft der Muskeln steht der Entstauung zur Verfügung.

Der erhöhte Arbeitsdruck geht mit einem verhältnismäßig niedrigen Ruhedruck einher, so dass diese Verbände auch während der Nachtruhe am Bein belassen werden können. Diesen Vorteilen steht die Tatsache gegenüber, dass das Anlegen dieser Verbände erlernt und trainiert werden muss. Uns zwar um möglichen Komplikationen wie Schnürfurchen und potentiell auch Nekrosen vorzubeugen.

 

Richtig einsetzen

Im Anfangsstadium der Therapie müssen diese Verbände häufiger gewechselt werden, da sie durch eine Abnahme der Beinödeme rasch ihren Druck verlieren und locker werden. Nach Entstauung des Beins sind wöchentlicher Verbandswechsel üblich.

Unter dem Strich sind Verbände mit Langzugmaterialien auf Grund ihrer Konstruktion weniger effektiv. Denn sie setzen der Muskulatur auf Grund ihrer Elastizität weniger Widerstand entgegen.

Ein Vorteil von elastischen Bandagen ist, dass sie auch weniger geübte Therapeuten oder Angehörige der Patienten angelegen können.

Da elastische Bandagen aber auf Grund ihrer Elastizität in der Nacht von den Patienten nicht toleriert werden, müssen diese Verbände täglich gewechselt werden.



 

Exakte Kompressionstherapie als konservative Therapie in Spätstadien der chronischen Veneninsuffizienz

Besonders in den Spätstadien der chronischen Veneninsuffizienz und im Besonderen beim Ulcus cruris venosum ist eine exakte Kompressionstherapie von äußerster Wichtigkeit.

Relativ wenige randomisierte, kontrollierte Studien existieren, welche die allgemeine Erfahrung bestätigen, dass die Kompressionstherapie der Venen die effektivste konservative Therapie für eine Ulkusheilung bei chronischer Veneninsuffizienz darstellt.

Wegen der besseren hämodynamischen und klinischen Wirksamkeit von unelastischem Material bevorzugen viele Experten Zinkleimverbände, so genannte Fischerverbände, für die Heilungsphase.

Ulzera mit einer Größe von unter 10cm2 und einer nicht allzu langen Bestandsdauer von unter 3 Monaten sollten unter exakter Kompressionstherapie zu etwa 70% innerhalb von 12 Wochen abgeheilt sein. Retromalleolär gelegene Ulzera sind besonders therapieresistent. Der notwendige Verbandsdruck kann hier nur durch zusätzliche Schaumgummi-Pelotten erzielt werden.

 

Wundauflagen

Eine häufig gestellte Frage, die im Rahmen unserer regelmäßig durchgeführten Kompressionskurse auftritt, betrifft Wundauflagen. Die ideale Wundauflage sollte das Wundsekret absorbieren, weiter nicht mit der Wunde verkleben sowie keine Allergien auslösen.

Es gibt kaum randomisierte kontrollierte Studien, welche die Überlegenheit von speziellen Wundauflagen überzeugend nachweisen.

 

Rückfall bei Veneninsuffizienz vermeiden

Oft schwieriger als die Abheilung ist es, venöse Ulzera geheilt zu halten. Eine Rezidivrate von ungefähr 30% betont die Wichtigkeit einer an die Abheilung anschließenden Dauerkompression (»Erhaltungsphase«). Medizinische Waden-Kompressionsstrümpfe der Klassen II und III sind die bevorzugte Therapie der Wahl.



Die zweithäufigste Ursache (~10%) eines Beingeschwürs liegt in einer arteriellen Minderperfusion begründet, bei der feste Kompressionsverbände kontraindiziert sind. Entscheidend ist es, vor Beginn einer Kompressionsbehandlung eine arterielle Verschlusskrankheit durch eine Doppler Ultraschalluntersuchung auszuschließen.

Bei sogenannten »gemischten Ulzera«, bei denen zusätzlich zu der arteriellen Komponente auch ein venös bedingtes Ödem besteht, vermag eine sorgfältige und entsprechend modifizierte Kompressionsbehandlung das Bein zu entstauen und den arteriellen Einstrom zu fördern. In diesen Fällen sollte sich der Ruhedruck eines Verbandes Null nähern.

Dafür eignet sich nur unelastisches Material. Beim Gehen oder passiver Bewegung im Sprunggelenk reduzieren die Massagewellen mit jeder Muskelsystole das Ödem, sodass es zu einem Anstieg der arteriellen Durchblutung kommt, ähnlich wie nach intermittierender pneumatischer Kompression.
Bei therapierefraktären Ulzera sollte zum Ausschluss einer etwaigen zugrunde liegenden Neoplasie (z.B. exulzeriertes Basaliom) eine Biopsie des Ulkus durchgeführt werden.

 

Duplex-Ultraschalluntersuchung

Über viele Jahre wurde ein venöses Beingeschwür einem postthrombotischen Syndrom, mit Schädigung der tiefen Beinvenen, gleichgesetzt. Da eine kausale Therapie einer Klappenschädigung in den tiefen Beinvenen nicht möglich ist, konnte Ulkuspatienten ausschließlich eine Kompressionstherapie angeboten werden.

Durch Duplex Ultraschalluntersuchungen wissen wir heute, dass bei über der Hälfte der Patienten mit einem venösen Ulkus lediglich das oberflächliche Venensystem geschädigt ist. Diesen Patienten kann man durch eine Ausschaltung der epifaszialen Refluxe helfen.

Als Alternative zu einer Operation ist eine ultraschallgezielte Schaum­sklerosierung auch großer Varizen möglich, die ohne Narkose und ambulant auch bei älteren Patienten problemlos durchgeführt werden kann.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, bei jedem Patienten mit einem venösen Ulkus eine Duplex-Ultraschalluntersuchung durchzuführen. Und zwar nicht nur um die venöse Ätiologie des Ulkus zu beweisen, und sich dabei gleichzeitig ein Bild über die arterielle Situation zu machen. Sondern um jene Patienten herauszufinden, denen man durch eine Therapie von oberflächlichen Refluxen helfen kann.




Literatur:

Javier JJ, Ortiz P. Treatment of chronic venous insufficiency in Latin America. J Vasc Surg Venous Lymphat Disord. 2020;8(4):667-675. doi:10.1016/j.jvsv.2020.01.012

Jones WS, Vemulapalli S, Parikh KS, et al. Treatment Strategies for Patients with Lower Extremity Chronic Venous Disease (LECVD). Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); April 6, 2017.

Ernst E, Saradeth T. Konservative Therapie der chronisch venösen Insuffizienz [Conservative therapy of chronic venous insufficiency]. Wien Med Wochenschr. 1992;142(1):16-22.


Quelle: Dr. Bernhard Partsch. Konservative Therapie von Venenerkrankungen und Veneninsuffizienz. MEDMIX 05/2006

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