Freitag, März 29, 2024

Kombination von Immuntherapeutika und Strahlentherapie

Radioonkologen erhoffen sich in Zukunft Vorteile von der Kombination von Strahlentherapie mit den neuen Immuntherapeutika.

Bereits seit längerem bekannt ist, dass Strahlentherapie neben ihrer zytotoxischen Wirkung auch immunmodulierende Effekte entfalten kann. Diese sind allerdings nicht ausgeprägt genug, um sie therapeutisch nutzen zu können. Radioonkologen erhoffen sich nun Vorteile von der Kombination von Strahlentherapie mit den neuen Immuntherapeutika. Dadurch könnte es möglich sein, die Wirkung zu verstärken, die Strahlendosis zu reduzieren und so die Verträglichkeit der Behandlung zu verbessern.

 

Abscopaler Effekt

In der Radioonkologie ist das Wissen um den sogenannten abscopalen Effekt nicht neu. Darunter wird eine Tumormassereduktion bei Behandlung anderer Tumoranteile durch Bestrahlung verstanden. Vermutet wird eine systemische immunologische Reaktion des Körpers gegen den Tumor, der durch die lokale Behandlung getriggert wird. Allerdings war dieser Effekt bisher nicht zum Nutzen der Patienten gezielt einsetzbar. Er war zwar in Tierversuchen reproduzierbar, sein Auftreten war jedoch selten, nicht vorhersehbar und darüber hinaus nicht stark genug, um tatsächlich therapeutische Vorteile zu erzielen.

 

Verstärkte Wirkung durch Kombination

Radioonkologen erhoffen sich nun entscheidende Behandlungsfortschritte durch eine Kombination der neuen Immuntherapeutika mit den immunmodulatorischen Effekten der Strahlentherapie. Dies könnte es ermöglichen, mit relativ niedrigen Strahlendosen eine Immunantwort des Körpers zu induzieren und diese durch Medikamente zu verstärken bzw. umgekehrt die Effekte der systemischen Therapie zu vergrößern. Der potenzielle Vorteil liegt einerseits in der verbesserten Wirksamkeit und andererseits in der dadurch möglichen Reduktion der Strahlendosis, wodurch die Verträglichkeit der Behandlung deutlich gesteigert werden könnte. Derzeit laufen zu dieser Fragestellung einige Studien, etwa beim Bronchialkarzinom sowie anderen Tumorentitäten.

 

Akademische Forschung gefragt

Inwieweit die Effekte additiv zusammenwirken oder sich sogar überadditiv verstärken können, ist derzeit noch nicht klar und unter anderem von den zum Einsatz kommenden Substanzen und ihren Angriffspunkten abhängig. Eine der aktuellen Herausforderungen besteht darin, die richtigen Medikamente für die richtige Radiotherapie zu identifizieren und herauszufinden, welche Kombinationen die besten Effekte erzielen und bei welchem Kombinationspartner die Dosis reduziert werden kann. Dazu sind von beiden Seiten Dosisfindungsstudien erforderlich. Derartige Fragestellungen werden die Fachwelt in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Als Hemmschuh könnte sich dabei die Tatsache auswirken, dass die Forschung in erster Linie im Rahmen von selbst finanzierten akademischen Eigenstudien durchgeführt werden muss, da die pharmazeutische Industrie derzeit aus mangelndem ökonomischem Interesse keine monetäre Unterstützung dazu leistet.

 

Forderungen nach Datenerhebung in Zulassungsstudien

Von Seiten der Europäischen Gesellschaft für Radioonkologie wurde bereits die Untersuchung möglicher Wechselwirkungen von Immun- und Strahlentherapie im Rahmen von Zulassungsstudien gefordert. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil manche Substanzen die Effekte einer radioonkologischen Behandlung in einem Ausmaß verstärken können, dass unerwünschte Nebenwirkungen nicht auszuschließen sind. Derzeit werden allerdings Patienten unter Strahlentherapie definitiv von der Teilnahme an Zulassungsstudien mit Immuntherapeutika ausgeschlossen.

Wie wichtig die Bereitstellung derartiger Daten für den einzelnen Patienten ist, kann durch folgendes Beispiel illustriert werden. Eine vor sieben Jahren brusterhaltend therapierte Brustkrebspatientin bekam wegen einer anderen Erkrankung eine zielgerichtete Therapie. Sie entwickelte daraufhin eine lokale Reaktion mit Rötung und Erwärmung. Der behandelnde Arzt stellte die Diagnose Rotlauf und leitete eine entsprechende Behandlung ein. Im Rahmen einer folgenden Nachsorgeuntersuchung durch den Radioonkologen konnte der Zusammenhang mit der vor sieben Jahren stattgehabten Radiotherapie hergestellt und die Reaktion der Brust als ein sogenanntes Recall-Phänomen erklärt werden. Das heißt, dass sich die Haut der Patientin nach Gabe der neuartigen Substanz an die sieben Jahre zurückliegende Strahlentherapie erinnerte und die gleiche Akutreaktion zeigte wie damals. Dies bedeutet: Derartige unangenehme oder möglicherweise gefährliche Vorkommnisse sind mit den neuen Medikamenten möglich, es werden jedoch nicht alle Substanzen primär im Zulassungsweg darauf geprüft.

Einer Regelung im Strahlenschutzgesetz zufolge müssen sich bestrahlte Patienten lebenslang regelmäßig Strahlenschutznachsorgeuntersuchungen unterziehen. Mit dieser Maßnahme sollen Effekte wie etwa RecallPhänomene erkannt und publiziert werden, um Fehldiagnosen und -behandlungen zu vermeiden. Dazu sind nicht zuletzt lückenlose Dokumentation und gute Kommunikation erforderlich. Eine zunehmende Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang die an sich erfreuliche Entwicklung dar, dass Krebspatienten aufgrund der immer effizienter werdenden Therapie deutlich länger leben als früher. Die dadurch rapide steigende Zahl der – sehr zeitaufwändigen – Nachsorgeuntersuchungen erfordert zusätzliche organisatorische als auch personelle Ressourcen.

 

Fazit. Bis ausreichend Studiendaten zur Kombination von Strahlen- und Immuntherapie vorliegen, um in die klinische Routine gelangen zu können, wird es mindestens noch drei bis fünf Jahre dauern. Derzeit werden diese vielversprechenden Behandlungen ausschließlich im Rahmen von Studien angewandt. Den potenziellen Vorteilen der besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit stehen derzeit noch eine Reihe von Herausforderungen gegenüber, die es zu bewältigen gilt.

 

Primar Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas
Primar Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas

Statement »Vorteile und Herausforderungen der Kombination von Immun- und Strahlentherapie« von Primar Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas, Direktor der Univ.-Klinik für Strahlentherapie – Radioonkologie der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) und Präsident des Dachverbands der onkologisch tätigen Fachgesellschaften Österreichs (DONKO):

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