Donnerstag, März 28, 2024

Funktionsstörungen der Hirnrinde: Kognitive Störungen und neurologische Defizite nach Covid 19

Viele Patienten leiden nach Abklingen einer akuten Covid 19-Erkrankung unter fortbestehenden neurologisch-kognitiven Defiziten und Störungen.

Eine Studie zu kognitive Störungen und Deiziten nach einer Covid 19-Erkrankung konnte mit einer speziellen Bildgebungstechnik, der 18FDG-PET ([18F]Fluordesoxyglucose-Positronenemmissions-Tomografie), eine Verminderung des Glukosestoffwechsels im Gehirn nachweisen, die mit solchen neurokognitiven Defiziten assoziiert ist. Die Forscher publizierten auch Ergebnisse eines Follow-ups von acht Patienten der Originalstudie. Hier zeigte sich im Verlauf eine signifikante Besserung der Kognition sowie eine weitgehende Normalisierung des Hirnstoffwechsels. Wobei aber nach sechs Monaten noch kein Normalniveau erreicht war.

 

Kognitive Störungen nach der Coronavirus-Erkrankung Covid 19

Im Verlauf der Corona-Pandemie zeigt sich zunehmend, welche neurologischen Manifestationen eine Covid-19-Erkrankung mit sich bringen kann. Neben schweren akuten neurologischen Komplikationen wie beispielsweise Schlaganfällen sind inzwischen auch zahlreiche Folgeerscheinungen und Defizite bekannt, die nicht nur bei schweren Verläufen auftreten. Die Beschwerden können schon früh während der Infektion beginnen und deutlich über die akute Erkrankungsphase hinaus bestehen bleiben.

PD Dr. Jonas Hosp, Leiter der Post-COVID Ambulanz der Neurologie der Universitätsklinik Freiburg, und sein Team führten während der ersten Pandemie-Welle in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. Philipp T. Meyer, dem Ärztlichen Direktor der Nuklearmedizin der Universitätsklinik Freiburg, eine prospektive Studie bei stationär behandelten COVID-19-Patienten durch. Die Patienten wurden systematisch gescreent, auffällige neurologische und kognitive Befunde erfasst und nach möglichen nachweisbaren Ursachen gesucht.

 

Neurokognitives Defizit gestörter Geruchs- oder Geschmackssinn

In die Studie wurden Patienten eingeschlossen, die mindestens ein neu aufgetretenes neurologisches oder neurokognitives Defizit aufwiesen:

Ausschlusskriterien waren vorbestehende kognitive Defizite, neurodegenerative Erkrankungen oder eine ausschließliche Behandlung auf der Intensivstation.

Patienten mit mindestens zwei neu aufgetretenen neurologischen Symptomen wurden in der subakuten Phase (unmittelbar nach abgeklungener Infektiosität) zusätzlichen Untersuchungen unterzogen. Dazu gehörten umfassende neuropsychologische Tests, eine zerebrale Kernspintomographie und eine 18FDG-PET, einem etablierten Verfahren in der zerebralen Funktionsdiagnostik (z.B. in der Demenz-Diagnostik). Das Molekül 18FDG wurde vom Traubenzucker (Glukose) abgeleitet, welcher der einzige Energielieferant des Gehirns ist. Durch die schwach radioaktive Markierung mit einem 18Fluor-Atom kann die regionale Aufnahme und Metabolisierung von 18FDG als Marker des Glukosestoffwechsels gemessen werden. Mittels der PET entstehen so dreidimensionale Bilddatensätze der Hirnfunktion, die sich wiederum mit gesunden Menschen gleichen Alters vergleichen lassen, um Rückschlüsse auf Funktionsstörungen in bestimmten Hirnregionen zu ziehen.

Von 41 gescreenten COVID-19-Patienten wurden 29 in das klinikinterne Neuro-COVID-19-Register aufgenommen (65,2 ± 14,4 Jahre; 38% Frauen). Die häufigsten neurologischen Störungen betrafen den Geruchs- (25/29) und Geschmackssinn (29/29). 18/26 Patienten hatten im MoCA-Test auffällige Ergebnisse (mittlerer Score 21,8/30 Punkten), wobei insbesondere frontoparietale Funktionen betroffen waren (z. B. Gedächtnis, Exekutivfunktionen und Visuokonstruktion).

 

Ausführliche neuropsychologische Untersuchung

Insgesamt zeigten 26 von 29 Patienten mehr als ein Symptom, sodass weitere Untersuchungen erfolgten. Bei 15 Patienten erfolgte eine ausführliche neuropsychologische Untersuchung, in der die Defizite im MoCA-Test bestätigt werden konnten. In der 18 FDG-PET konnte bei 10/15 Patienten in frontoparietalen Hirnregionen (Stirn- und Scheitellappen) ein verminderter Glukosestoffwechsel (Hypometabolismus) nachgewiesen werden. Statistische Analysen zeigten eine hohe Korrelation der MoCA-Testwerte mit der Ausprägung der Stoffwechselerniedrigung in genannten Hirnregionen.

Bei einer verstorbenen Patientin, die das charakteristische Muster des zerebralen Glukose-Hypometabolismus zeigte, ergab die Untersuchung postmortaler Gewebeproben eine deutliche Aktivierung von Mikroglia-Zellen (das sind immunaktive, phagozytierende Zellen im Nervensystem) vor allem in der weißen Substanz, wohingegen die kortikale graue Substanz relativ wenig betroffen war. Dies deutet darauf hin, dass die kortikalen Funktionen vor allem indirekt gestört waren.

 

Definierte kognitive Störungen nach stationärer COVID-19-Behandlung

„Bei einem Großteil von Patienten, die wegen einer akuten COVID-19-Erkrankung stationär behandelt werden mussten, konnten in der subakuten Phase definierte kognitive Beeinträchtigungen festgestellt werden“, fasste PD Dr. Jonas Hosp zusammen. „Die Befunde passen zu dem im 18FDG-PET sichtbar verminderten Glukosestoffwechsel, d. h. einer regionalen Leistungseinschränkung in den entsprechenden Bezirken der Großhirnrinde.“

Die Arbeitsgruppe publizierte bereits Ergebnisse eines Follow-ups [2] von acht Patienten der Originalstudie. Im Verlauf kam es zu einer signifikanten Besserung der neurokognitiven Defizite, die mit einer weitgehenden Normalisierung des Hirnstoffwechsels einherging. Die neurokognitiven Beeinträchtigungen korrelierten also mit dem Grad der Verminderung des Glukosemetabolismus, so dass dieser als Biomarker für kognitive Post-COVID-Symptome herangezogen werden könnte. „Als erfreuliches Ergebnis lässt sich festhalten: die kognitiven Einschränkungen sind per se reversibel. Allerdings muss einschränkend gesagt werden, dass einige Betroffenen auch sechs Monate nach der Akuterkrankung noch kein Normalniveau erreicht hatten, die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit also in einigen Fällen langwierig zu sein scheint“, so PD Dr. Hosp.

„Diese Befunde belegen, dass neurokognitive Probleme nach einer COVID-19-Erkrankung eine messbare Ursache haben. Um das gesamte Ausmaß besser zu verstehen und den Post-COVID-Verlauf unter Therapie beurteilen zu können, sind nun prospektive Follow-up-Studien notwendig “, ergänzt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.


Literatur:

Hosp JA, Dressing A, Blazhenets G, Bormann T, Rau A, Schwabenland M, Thurow J, Wagner D, Waller C, Niesen WD, Frings L, Urbach H, Prinz M, Weiller C, Schroeter N, Meyer PT. Cognitive impairment and altered cerebral glucose metabolism in the subacute stage of COVID-19. Brain. 2021 Apr 3:awab009. doi: 10.1093/brain/awab009. Epub ahead of print. PMID: 33822001.

Blazhenets G, Schröter N, Bormann T, Thurow J, Wagner D, Frings L, Weiller C, Meyer PT, Dressing A, Hosp JA. Slow but evident recovery from neocortical dysfunction and cognitive impairment in a series of chronic COVID-19 patients. J Nucl Med. 2021 Mar 31:jnumed.121.262128. doi: 10.2967/jnumed.121.262128. Epub ahead of print. PMID: 33789937.


Quelle:

Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): www.dgn.org

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...