Viele Fälle von Kinderselbstmord und Suizidversuche könnten verhindert werden, wenn die vorangehenden Anzeichen besser bekannt wären.
Symptome emotionaler Störungen sind weit verbreitet und eine häufige Ursache für Behinderungen bei Kindern und Jugendlichen. Screening und Früherkennung sind erforderlich, um diejenigen zu identifizieren, die Hilfe benötigen, und um die Behandlungsergebnisse zu verbessern. Heutzutage, insbesondere mit dem Ausbruch des COVID-19-Ausbruchs, wird die Bewertung zunehmend online durchgeführt, so dass kurze Online-Screening-Maßnahmen erforderlich sind. Hier zeigt aktuell die DetectaWeb-Distress-Skala, dass sie ein gültiges, innovatives und nützliches Online-Tool für das Screening und die Bewertung von Präventionsprogrammen für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Das Programm bewertet dabei Stimmung, Major Depression und dysthymische Störung, Angst (Trennung) und generalisierte Angst, soziale Phobie, Panikstörung, Agoraphobie und spezifische Phobie, Zwangsstörung, posttraumatische Belastungsstörung, Selbstmordgedanken, Pläne und Versuche sowie die allgemeine Not. DetectaWeb-Distress ist jedenfalls ein wichtiges innovatives Tool, um Kinderselbstmord besser verhindern zu können.
Kinderselbstmord als Tabuthema
Kinderselbstmord wird oft als Tabuthema betrachtet, die Zahl steigt in den letzten Jahren aber beständig an. Viele Suizidversuche und Selbstmorde von Kindern und Jugendlichen könnten allerdings verhindert werden, wenn deren Vorboten besser bekannt wären und beachtet würden; es geht um das präsuizidale Syndrom sowie um die biologischen und soziologischen Voraussetzungen dieser »Krankheit zum Tode«.
Bei einem Kinderselbstmord-Versuch fließen mehrere sich allmählich verstärkende Empfindungsströme zusammen: eine Zunahme der situativen und dynamischen Einengung geht mit einer destruktiven Aggressivität bzw. Autoaggressivität einher und mündet nicht selten in Todes- und Suizidfantasien. Die situative Einengung wird von einem Gefühl der Ohnmacht und der Ängstlichkeit beherrscht – entscheidend ist eine definitive Hoffnungslosigkeit.
Faktoren, die das Risiko für Kinderselbstmord erhöhen, sind Alkohol- und Drogen, hohe Impulsivität, Vorliegen einer Impulskontrollstörung oder emotional-instabiler Persönlichkeitszüge sowie frühere Suizidversuche und Suizide oder Suizidversuche im Umfeld des Kindes. Zuallerletzt können auch sehr kritische Begebenheiten einen Kinderselbstmord verursachen.
Spielerischer Kinderselbstmord-Versuch
Bei Kindern und Jugendlichen muss man auch einen spielerisch angelegten Suizidversuch als ernst zu nehmendes Notsignal werten. Nicht immer handelt es sich dabei um die viel zitierte Wendung der Aggressivität gegen sich selbst, manchmal wollen die Betroffenen nur herausfinden, ob sie durch ihre Handlungsweise eine Verhaltensänderung der Umgebung erreichen können.
Sogenannte weiche Suizidmittel – vorwiegend Tabletten mit abschätzbarer Wirkung – werden dann eingesetzt, wenn wahrscheinlich ist, dass das Vorgehen rechtzeitig entdeckt werden wird. Wenn die Selbstmordabsicht unwiderruflich ist und eine lebensrettende Entdeckung verhindert werden soll, werden harte Suizidmittel wie hochtoxische Substanzen, Erhängen, Erschießen und einige mehr angewendet.
Bei Kindern und Jugendlichen ist es wichtig zu beurteilen, ob sie fähig waren, die Gefährlichkeit der angewendeten Suizidmittel richtig einzuschätzen. Statistisch gesehen ist seit 1985 bei den erwähnten Altersgruppen ein deutlicher Rückgang der Kinderselbstmord-Raten zu verzeichnen. Das kann man aber nicht als stabilen Trend bewerten. Jedenfalls bestätigen die über 100 Jahre zurückreichenden Statistiken nicht die oft geäußerte Vermutung, wonach die Zahl der Selbstmorde in direktem Zusammenhang stehen soll mit der sozialen Situation der Kinder und Jugendlichen – wohl aber häufig mit der interfamiliären Situation.
Literatur:
Piqueras JA, Garcia-Olcina M, Rivera-Riquelme M, Martinez-Gonzalez AE, Cuijpers P. DetectaWeb-Distress Scale: A Global and Multidimensional Web-Based Screener for Emotional Disorder Symptoms in Children and Adolescents. Front Psychol. 2021 Feb 15;12:627604. doi: 10.3389/fpsyg.2021.627604. PMID: 33658965; PMCID: PMC7917214.
Morken IS, Dahlgren A, Lunde I, Toven S. The effects of interventions preventing self-harm and suicide in children and adolescents: an overview of systematic reviews. F1000Res. 2019 Jun 20;8:890. doi: 10.12688/f1000research.19506.2. PMID: 32148757; PMCID: PMC7043106.
Calear AL, Christensen H, Freeman A, Fenton K, Busby Grant J, van Spijker B, Donker T. A systematic review of psychosocial suicide prevention interventions for youth. Eur Child Adolesc Psychiatry. 2016 May;25(5):467-82. doi: 10.1007/s00787-015-0783-4. Epub 2015 Oct 15. PMID: 26472117.