Freitag, April 26, 2024

Kinder und Schulen in der Corona-Pandemie: Helfen Schulschließungen gegen COVID-19?

Schulschließungen sind laut Experten wahrscheinlich keine wirksame Corona-Maßnahme gegen die Übertragung der Coronavirus-Erkrankung COVID-19.

In einer Sondersitzung auf der dieswöchigen ESCMID-Konferenz über die Coronavirus-Krankheit Covid-19 (ECCVID, online vom 23. bis 25. September) prüfen Experten erneut die vorgelegten Daten, um das schwierige Problem Schulschließungen und Wiedereröffnung von Schulen in der Corona-Pandemie zu analysieren. Die Sitzung wurde gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (ECDC) in Stockholm, Schweden, organisiert.

Unter allen gemeldeten Fällen von COVID-19 in der EU, im EWR und im Vereinigten Königreich, Stand 26. Juli) waren nur 4% Kinder und Jugendliche bis 18 Jahr. Von denen waren wiederum 24% unter 5 Jahre alt, 32 % zwischen 5 und 11 Jahren und 44% zwischen 12 und 18 Jahren.

Kinder haben mit größerer Wahrscheinlichkeit eine leichte oder asymptomatische Infektion, was bedeutet, dass eine Infektion aufgrund von Teststrategien unentdeckt oder nicht diagnostiziert werden kann“, sagt Moderator Jonathan Suk.

Der ECDC-Experte betont, dass man Entscheidungen über Schulschließungen im Einklang mit allgemeinen Entscheidungen zu physischem Abstand halten und anderen Maßnahmen treffen sollte. „Es ist unwahrscheinlich, dass Schulen eine größeres Risiko für eine Coronavirus-Ausbreitung haben als allgemeine Berufs- oder Freizeitaktivitäten, bei denen viele Menschen zusammenkommen.“

 

Schulschließungen keine effektive Corona-Maßnahme

Schulschließungen sind jedenfalls laut Experten wahrscheinlich keine wirksame Corona-Maßnahme für die Übertragung von COVID-19. Sie können keinesfalls auf der Grundlage des Schutzes der Gesundheit von Kindern gerechtfertigt werden. Denn Kinder entwickeln in den meisten Fällen eine sehr leichte oder gar keine COVID 19-Krankheit.

Wobei die Infektiosität von asymptomatischen Kindern nicht bekannt ist. Bislang gibt es in Schulen nur sehr wenige signifikante COVID-19-Ausbrüche. Wenn sie auftreten, kann man die Infektionen aufgrund der meist sehr leichten Symptomen bei Kindern schwer erkennen.

Die italienische Expertin Dr. Chiara Reno von der Universität Bologna betont, dass die politischen Entscheidungsträger die Aufgabe haben, die Vor- und Nachteile der Strategie zur Wiedereröffnung der Schule unter Berücksichtigung der psychologischen, erzieherischen und sozialen Folgen für Kinder und ihre Eltern in Einklang bringen müssen.

Das sowohl Kinder als auch Jugendliche das Coronavirus übertragen können, ist einerseits bewiesen. Andererseits sind Untersuchungen zur klinischen Infektiosität notwendig.

Doch Vorsicht: Nach aktuelle, Kenntnisstand sind Säuglinge und Neugeborene anfälliger für schwere Verläufe von COVID-19. Zudem gelten bestehende Erkrankungen als Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe einschließlich der Notwendigkeit, solche betroffenen Kinder und Jugendliche auf der Intensivstation zu behandeln.

 

Negative Folgen von Schulschließungen für die Schüler

Experten vermuten jedenfalls negative Folgen von Schulschließungen in der Corona-Pandemie für die Gesundheit von Kindern. Beispielsweise gibt es Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche sowohl während der Isolation von der Schule und ihren Freunden als auch nach Ablauf der Isolation einem hohen Risiko für Depressionen und Angstzustände ausgesetzt sind.

Zudem haben nicht alle Kinder und Schulen den gleichen Zugang zum Online-Unterricht. „Die Sperrung des Coronavirus hat die digitale Kluft in Italien aufgedeckt, da jeder dritte Haushalt keinen Zugang zu einem PC hat“, erklärt Dr. Reno. „Selbst in Japan haben nur eine Handvoll Schulen und andere Bildungseinrichtungen ihre Klassen online gestellt. Ein neues Regierungsprojekt dort zielt darauf ab, die IT-Infrastruktur zu verbessern und die Fähigkeiten zum Fernlernen zu verbessern.“

 

Strenge Maßnahmen notwendig

Die Ansteckungsrate in Schulen hängt sehr mit der Ausbreitung der Coronavirus-Infektionen in der jeweiligen Gemeinden zusammen. „Die Umsetzung strenger Maßnahmen zur Infektionskontrolle ist von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören Abstand halten, Verwendung von Masken, ordnungsgemäßes Lüften und Management der Raumluft, ausreichende Händehygiene, Nies- und Hustenhygiene sowie allgemein Sauberkeit“, erklärt Dr. Reno.

„Es gibt keine einzige vollständig wirksame Intervention, sondern eine Mischung aus Interventionen, die unterschiedlich kombiniert und kontextualisiert werden. Gezielte Strategien für verschiedene Altersgruppen werden effektiver sein, da jüngere Kinder sich stark von älteren und Jugendlichen unterscheiden können. Aktive Überwachungsaktivitäten, schnelle Reaktion der Öffentlichkeit Angehörige von Gesundheitsberufen mit Früherkennung von Fällen und Kontaktverfolgung müssen eingerichtet werden“, so Reno.

 

Fazit

Da bislang die Evidenz dafür fehlt, wann und wie Schulschließungen und Wiedereröffnungen in der Corona-Pandemie sinnvoll sind, wäre es auch wichtig, dass Experten und Politiker diese offenen Fragen öffentlich diskutieren und die Bevölkerung darüber informieren. Das hilft dabei, Fehlinformationen zu begegnen und Vertrauen zu schaffen. Die Sozialwissenschaften haben gezeigt, dass eine offene Kommunikation ohne Schönreden das Vertrauen der Menschen erhöht.


Quelle: European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID)

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