Freitag, April 26, 2024

Kernforderungen für bessere Geburtshilfe in Deutschland

Expertinnen und Experten fordern Politik zum Handeln auf uns stellen sechs Kernforderungen für eine bessere Geburtshilfe in Deutschland auf.

Die Versorgung während Schwangerschaft, Geburt und früher Kindheit muss bedarfsgerecht finanziert werden. Eltern und Kinder sollen mehr ins Zentrum der Versorgung rücken. Bessere Arbeitsbedingungen sowie eine aktive Kooperation aller Beteiligten sind mit finanziellen Anreizen zu fördern. Dies sind die gemeinsamen Kernforderungen in einem Positionspapier, das Elternvertreterinnen und -vertreter, Hebammen sowie Frauen-, Kinder- und Jugendärztinnen aufstellen. Sie fordern die Politik auf zu handeln und regen einen politisch initiierten Nationalen Geburtshilfegipfel an. Das Positionspapier ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ veröffentlicht.

„Es ist bereits fünf nach zwölf in der Schwangeren- und Geburtshilfeversorgung“, mahnt Katharina Desery, Vorstandsmitglied der Bundeselterninitiative Mother Hood e.V. Die dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen, unter denen Kinder zur Welt kommen, lassen Eltern, Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzte aus Frauen- Kinder- und Jugendheilkunde Alarm schlagen. Mit sechs Kernforderungen richten sie sich an die Politik und alle in der Geburtshilfe Tätigen, sich im Sinne des Nationalen Gesundheitsziels „Gesundheit rund um die Geburt“ gemeinsam für einen Paradigmenwechsel in Schwangerschaft, Geburtshilfe und früher Kindheit stark zu machen.

Finanzierung der natürlichen Geburt

„Zunächst ist ein Umdenken notwendig: Wir dürfen Schwangerschaft und Geburt nicht pathologisieren, sondern müssen sie als einen natürlichen und lebensstiftenden Prozess betrachten, damit werdende Eltern wieder in freudiger Erwartung sein können“, betont Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbandes Baden-Württemberg e.V. „Grundlegend ist, dass dieser betreuungsintensive Prozess bedarfsgerecht vergütet werden muss.“ Die derzeitige Finanzierung über die DRG-Fallpauschalen habe nur zu mehr unnötigen Interventionen in der Geburtshilfe und Schließungen von Geburtsstationen und Kreißsälen geführt. „Unser Vergütungssystem ist an Krankheit orientiert, nicht an einer gesundheitsorientierten Geburtshilfe, die einen nicht zu planenden Zeit- und Personalaufwand hat.“ Die Hebamme verweist auf die WHO-Forderung nach einer 1:1-Betreuung der Gebärenden, von der Deutschland weit entfernt ist. „Es darf auch nicht sein, dass Schnittentbindungen in der Geburtshilfe höher vergütet werden als die aufwendige professionelle Begleitung einer normalen Geburt“, ergänzt Dr. med. Gabriela Stammer, Gynäkologin aus Wennigsen.

Eltern und Kinder im Mittelpunkt

Die Eltern und Kinder gehören als rechtlicher Souverän in den Mittelpunkt jeden Handelns. „Hierzu müssen wir als Fachpersonal die Elternrechte sowie die individuellen Ressourcen und Bedürfnisse der Familien anerkennen und das eigene Handeln danach ausrichten“, erklärt Dr. med. Roland Fressle, baden-württembergischer Landesverbandsvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). Eltern sollten dabei ausführlich über die Behandlungsnotwendigkeiten und -alternativen informiert werden, um ihnen eigene Entscheidungen zu ermöglichen. „Mit einer so gewonnen Souveränität können Eltern viel größeres Verständnis für die Prozesse von Schwangerschaft und Geburt entwickeln und Verantwortung auch für eigene Entscheidungen übernehmen. Dies beugt juristischen Auseinandersetzungen erheblich vor“, so Lydia Abdallah, baden-württembergische Landeskoordinatorin von Mother Hood e.V. Darüber hinaus schaffe dies, verlorenen gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen.

Interdisziplinäres, motivierendes Arbeiten

Eine Systemveränderung hin zu einer besseren Versorgung gelingt nur, wenn die Grundhaltung der beteiligten Fachdisziplinen zueinander verbessert wird. „Wir fordern eine frühzeitige gemeinsame fach- und sektorübergreifende Aus- und Weiterbildung. Frauen-, Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte sowie Hebammen müssen einen Einblick in die jeweils anderen Tätigkeiten bekommen. Das verbessert die notwendige Kommunikation“, so Fressle. „Durch den frühzeitigen Kontakt miteinander werden Missverständnisse und Vorbehalte zugunsten einer besser verzahnten Versorgung vermieden“, führt Dr. med. Andreas Oberle, Ärztlicher Direktor der Abteilung Pädiatrie 1 – Sozialpädiatrie des Klinikums Stuttgart aus. Darüber hinaus müssen Hebammen, Pflegefachkräfte sowie Ärztinnen und Ärzte wieder eine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit erleben – durch angemessene Vergütung und Arbeitsbedingungen.

Nationaler Geburtshilfegipfel

Die Expertinnen und Experten regen einen Nationalen Geburtshilfegipfel unter der Ägide des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) an. Sie fordern die Politik auf, sich im Sinne einer gesunden Gesellschaft und künftiger Generationen an diesem Diskurs zu beteiligen und die Rahmenbedingungen für Schwangerschaft und Geburt entsprechend anzupassen.


Weitere Informationen finden Sie unter: www.wir-von-anfang-an.de

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