Donnerstag, März 28, 2024

Katabolie mit schmackhafter Kochkunst begegnen

Katabolie kommt bei etwa jedem dritten Tumorpatient sowie einem Drittel der Patienten nach größeren chirurgischen Eingriffen vor und führt zu Mangelernährung. Eine modulare Küche fürs Spital und zuhause soll Patienten auf den Geschmack bringen.

Katabolie beschreibt den Abbau von Substanzen im Körper durch den Stoffwechsel. Dieser Abbaustoffwechsel führt zu Mangelernährung und hat problematische Konsequenzen. Denn Normalgewicht bringt bei vielen Krankheitsbildern eine schnellere Genesung, aber auch einen deutlichen Überlebensvorteil. Mediziner haben unlängst gemeinsam mit dem Münchner Sternekoch Alfons Schuhbeck ein spezielles Ernährungsprogramm für die „Aufbauphase“ nach einer Operation oder Chemotherapie entwickelt.

„Mangelernährung ist ein im Spitalsalltag oft unterschätztes, aber sehr verbreitetes Problem. Je nach Studie sind zum Beispiel mehr als die Hälfte der Patienten nach Krebsoperationen davon betroffen, generell können wir nach chirurgischen Eingriffen bei rund einem Drittel der Operierten von Mangelernährung ausgehen, in besonderem Maß sind Patienten mit Operationen im Bauchraum betroffen “, so Prim. Prof. Dr. Heinz Steltzer, Vorstand der Anästhesie und Intensivmedizin im Unfallkrankenhaus Meidling. „Mangelernährung findet sich darüber hinaus bei zahlreichen anderen Patientengruppen, etwa bei Schädel-Hirn- und Mehrfach-Trauma, Verbrennungen, schweren Infektionen oder Transplantationen.“

Die unzureichende Versorgung des Körpers mit den wesentlichen Nährstoffen hat, medizinisch gesehen, problematische Konsequenzen: „Wissenschaftliche Studien kommen zum Ergebnis, dass Mangelernährung generell mit Spitals-Komplikationsraten zwischen 40 und 50 Prozent sowie einer zweifach verlängerten Aufenthaltsdauer im Krankenhaus einhergehen“, so Prim. Steltzer. „Da ist es schwer nachvollziehbar, warum in nur 20 Prozent der Spitalsabteilungen ein konsequentes Screening auf Mangelernährung durchgeführt wird.“

Deutsche Mediziner haben gemeinsam mit dem Münchner Spitzenkoch Alfons Schuhbeck das Konzept einer „modularen Küche“ mit hochkalorischen, einfach zuzubereitenden Speisen entwickelt, das Betroffene, ihre Angehörigen und Behandler dabei unterstützen soll, nach schweren Operationen oder kräftezehrenden Therapien aus der Mangelernährung heraus- und wieder zu einem guten Appetit zu finden. Jetzt wurde auf Initiative von Prim. Steltzer dieses Modell in einem Workshop für Patienten und Behandler erstmals in Österreich vorgestellt.

Hochkalorische Modulküche gegen Katabolie

„Die Ursachen von Mangelernährung können vielfältig sein. Chemotherapien oder starke Schmerzen sind häufig von ausgeprägter Appetitlosigkeit begleitet. Bei Magen- und Pankreasoperationen werden zwangsläufig Nerven verletzt, die eine wichtige Rolle für das Hunger- und Sättigungsgefühl spielen“, erklärt der Chirurg Prof. Dr. Marc Martignoni vom Klinikum Rechts der Isar in München.

Herkömmliche ernährungstherapeutische Ansätze setzen in solchen Fällen auf die Gabe hochkalorischer Zusatznahrung, im Idealfall kombiniert mit einer Ernährungsberatung. „Wenn dann die Patienten trotzdem weiter an Gewicht verlieren, wird ihnen geraten, doch mehr zu essen. Gemeinsam ist diesen Interventionen ein fehlender dauerhafter Effekt, der nachhaltige Erfolg bleibt aus“, so Prof. Martignoni. „Dazu kommt, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten noch häufig Ratschläge in Form von Verboten bekommen, die zusätzlich verunsichern. Aber kaum jemand sagt ihnen, was ihnen gut tut und wie sie eine wirksame Ernährungstherapie als Antwort auf metabolische Veränderungen in die Praxis übersetzen können.“

„Studien zeigen, dass viele Betroffene mehr als ein Jahr benötigen, um nach Operationen wieder zu einem positiven Gewichtsverlauf bzw. zu ihrem präoperativ stabilen Gewicht zu gelangen. Erstrebenswert ist jedoch eine Stabilisierung des Gewichts innerhalb von drei Monaten, da dies bereits einen deutlichen Überlebensvorteil, zum Beispiel für Patientinnen und Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, bedeuten kann“, betont PD Dr. Michael Adolph, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Anästhesist an der Universitätsklinik Tübingen, der gemeinsam mit Prof. Martignoni und Alfred Schuhbeck das Ernährungskonzept der  hochkalorischen Modulküche entwickelt hat.

Praktische Kochkunst im Modulsystem

„Es geht darum, betroffenen Patienten und den Berufsgruppen, die mit ihnen zu tun haben, einen medizinisch fundierten und praktisch einfach anwendbaren Leitfaden an die Hand zu geben“, so Prim. Steltzer. „Aus dem Zusammenspiel von Ernährungsmedizin, Chirurgie und praktischer Kochkunst werden medizinische Zusammenhänge einer gezielten Ernährungstherapie verständlich aufbereitet, unberechtigte Ängste vor einer falschen Ernährung genommen, und einfach nachkochbare Rezepte und Speisen, die leistbar, gut haltbar und wertvoll sind, vermittelt“, fasst der Experte das Konzept der „Kochkunst gegen Katabolie“ zusammen.

„Günstig ist, das Essen auf sechs bis neun kleine Mahlzeiten am Tag aufzuteilen, was zu einer Entlastung von Magen und Darm führt, die Stabilisierung des Gewichts fördert und unabhängig vom faktischen Hungergefühl eingehalten werden sollte. Die empfohlenen Mahlzeiten selbst basieren auf einem modularen Prinzip, sodass aus einem Grundrezept wie einem Tomaten-Aufstrich durch Hinzufügen bestimmter Zutaten ein neues Gericht wie eine Pastasauce oder eine Suppe wird“, sagt Ernährungsmediziner Dr. Adolph.

Diese modulare Ernährungsform, so Alfons Schuhbeck, hat Vorteile: „Die Speisen lassen sich einfach und schnell zubereiten, was angesichts der erforderlichen häufigen Nahrungsaufnahme und der Erholungsbedürftigkeit der Betroffenen unerlässlich ist. Einerseits lassen sich die Grundgerichte leicht aufwärmen und weiter verwenden, andererseits stehen sie vielfältigen Variations- und Verfeinerungsmöglichkeiten offen“, so Sternekoch Alfons Schuhbeck.

Gemeinsam mit Angehörigen Katabolie vermeiden

Trotz der gezielten Zubereitung hochkalorischer Speisen kann die Ernährungstherapie durchaus gemeinsam mit Angehörigen umgesetzt werden. „Die soziale Komponente des Essens darf nicht unterschätzt werden. Das Konzept der modularen Küche sieht die einfache Variabilität von Speisen, etwa durch die Zugabe von Ölen, vor, sodass gesunde Familienmitglieder dieselben Mahlzeiten ohne Beigabe hochkalorischer Komponenten essen können“, betont Prof. Martignoni.

Alfons Schuhbeck legt bei seinen Rezepttipps besonderen Wert auf die Wirkungsweise von Gewürzen, die zum Beispiel gezielt als Appetitanreger eingesetzt werden können. Zimt zum Beispiel ist nicht nur für seine Blutzucker und Cholesterin senkende Wirkung bekannt, sondern beruhigt ebenso wie Kardamom, Anis und Ingwer den Magen und verstärkt die Bekömmlichkeit von Mahlzeiten. Pfeffer wiederum kann die Entfaltung von Nährstoffen im Körper fördern.

Freude am Essen statt Katabolie

Auch für spezifische medizinische Probleme bietet das Ernährungskonzept Lösungsansätze an. „Um beispielsweise dem Dumping-Syndrom, also dem zu schnellen ‚Stürzen‘ des Speisebreis in den Dünndarm aufgrund einer mangelnden Speicherfunktion des Magens, vorzubeugen, sollte man konzentrierte Lebensmittel, die viel Flüssigkeit aufnehmen, wie stark salzhaltige oder zuckerhaltige Speisen oder Limonaden meiden“, erläutert Dr. Adolph. „Bei Verstopfung sind Ballaststoffe wie Salat, Gemüse, Lein- oder Flohsamen sowie als Gewürze wilder Majoran und Kardamom vorteilhaft. Bei häufigem Durchfall hingegen empfiehlt sich eine salzreiche Kost, zudem geriebene Äpfel, Reiswaffeln, Heidelbeeren und als Gewürze Knoblauchrauke, Brunnenkresse, Löwenzahn, Giersch oder Schafgarbe“, ergänzt Prof. Martignoni.

Wichtig ist den Experten ein Grundsatz:  „Es gibt keine generellen Verbote bestimmter Lebensmittel oder Zubereitungsformen. Individuelle Verträglichkeit und persönlicher Geschmack geben einen guten Maßstab ab. Ein vernünftiges Essverhalten, das auf die Behebung von Mangelernährung zielt, und Freude an der Ernährung schließen sich in der modularen Küche ein, nicht aus“, so Prof. Martignoni.

Praktische Tipps für die „Aufbauküche“

  • 6 bis 9 kleinere Mahlzeiten am Tag sind günstiger als wenige große.
  • Der Essensplan soll auch bei fehlendem Hungergefühl konsequent eingehalten werden.
  • Nach Möglichkeit frische und hochwertige Lebensmittel verwenden.
  • Möglichst Lebensmittel mit hoher kalorischer Dichte einsetzen wie hochwertige Öle, Butter, Rahm etc.
  • Light Produkte sollten ebenso vermieden werden wie kalorienarme Salate als „Füllmittel“.
  • Für die Stabilisierung des Gewichts ist Weißbrot besser geeignet als Vollkornbrot.

Rezept-Tipps von Alfons Schubeck

Bruschetta-Aufstrich

Zutaten:
50 ml Gemüsebrühe
25 g Schuhbecks Bruschettagewürz
200 g Doppelrahm-Frischkäse
2 bis 3 EL warme braune Butter
Salz

Zubereitung:
Die Brühe einmal kurz aufkochen lassen, vom Herd nehmen, das Bruschettagewürz hinein rühren und einige Minuten quellen lassen. Den Frischkäse mit dem Bruschettagewürz und der warmen braunen Butter glatt rühren. Mit Salz würzen.

Tipp:
Dieser Dip hält sich mehrere Tage im Kühlschrank und eignet sich auch zum Verfeinern von Nudeln oder Spätzle, für Suppen, Kartoffelpüree und Saucen. Dazu Nudeln oder Spätzle in Brühe fertigstellen und mit 1 bis 2 Löffel Aufstrich verfeinern.

Schuhbecks Frühstücksquark mit Gewürzmischung

Zutaten für zwei Personen:
200 ml  Milch
1 gestr. EL  „Schuhbecks Frühstücksquarkmischung“
500 g  Topfen
8 EL  Leinöl
3 Pipetten Ingwertropfen
1 EL Honig

Zubereitung:
Milch und Gewürze kurz aufkochen lassen, mit Quark, Leinöl, Ingwertropfen und Honig sämig aufmixen, bis es anfängt zu glänzen. Am besten eignet sich dazu ein Stabmixer.

Tipp:
Sehr gut passen frische Früchte wie z.B. Beeren in den Quark.
Die herzhafte Variante dieses Quarks z.B. als Kräuterquark passt sehr gut zu Kartoffeln oder auch als Brotaufstrich. Statt der Früchte und des Honigs können u.a. frische Kräuter und nach Vorliebe angedünstete Zwiebeln verwendet werden. Gewürzt wird dann mit Salz, Pfeffer oder Chili und nach Belieben auch noch mit anderen Gewürzen oder Gewürzmischungen.

Quelle: http://www.bkkommunikation.com/de/journalistenservice/aktuell/rezepte-modulare-kueche-gegen-mangelernaehrung/

Bild: Katabolie entgegenwirken: Mit teilweise einfachen, würzigen Rezepten soll eine Mangelernährung vermieden werden. © B. and E. Dudzinscy / shutterstock.com

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