Mittwoch, April 24, 2024

Jugendliche mit Essstörungen, Binge-Eating Disorder Symptome, im Fokus

Jugendliche, die unter Binge Eating Disorder Symptome wie Essstörungen leiden, schenken Bildern von Nahrungsmitteln hohe Aufmerksamkeit.

Der Verlust über die Kontrolle beim Essen  ist eine häufige Essstörung in der Kindheit und in Jugend. Im Grunde genommen sind heute allerdings Essstörungen weit verbreitet. Wobei sich auch die gesundheitlichen Bedingungen in der Jugend in vielen Bereichen verschlechtern. Das fördert wiederum ein abweichendes Essverhalten, es entwickeln sich kognitive und emotionale Funktionsstörungen sowie auch zu viel oder zu wenig Körpergewicht. Damit entsteht immer häufiger die Notwendigkeit, entwicklungssensible Methoden zur Untersuchung und Prävention sowie frühzeitigen Möglichkeiten zur Intervention gegen Magersucht, Übergewicht sowie auch Essstörungen wie Binge-Eating Disorder in jungen Jahren zu entwickeln. Prospektiv kann der Verlust über die Kontrolle beim Essen in jungen Jahren jedenfalls das Auftreten von Angststörungen, Depressionen und einer schwereren Essstörungen im späteren Leben vorhersagen.

Eine günstige Möglichkeit, um deem entgegenzuwirken, wäre eventuell ein Testen mit Nahrungsreizen. Denn unter dem Strich nehmen Kinder und Jugendliche, die unter Essstörungen und Essanfällen beziehungsweise Binge-Eating Disorder Symptome leiden, Bilder von Nahrungsmitteln anders wahr als gesunde Probanden. Das haben unlängst Wissenschaftler der Universität Leipzig in ihrer dementsprechenden Untersuchung herausgefunden. Betroffene Jugendliche mit Binge-Eating Disorder Symptomen schenkten Bildern mit Essen mehr Aufmerksamkeit als Bildern mit neutralen Reizen. Die Experten vermuten, dass diese erhöhte Aufmerksamkeit einen entscheidenden Einfluss auf den Kontrollverlust beim Essen haben könnte.

 

Erhöhte Aufmerksamkeit für Nahrungsmittel von jungen Menschen mit Binge-Eating Disorder Symptomen

Die Forscher um Prof. Dr. Anja Hilbert vom Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas Erkrankungen an der Medizinischen Fakultät Leipzig legten Jugendlichen mit Essstörungen Bilder mit verschiedenen Motiven vor. Im Vergleich zu gesunden Probanden schenkten die Jugendlichen mit Essanfall-Symptomen, der sogenannten Binge-Eating Disorder (BED), den Bildern mit Nahrungsmitteln mehr Aufmerksamkeit. Diese erhöhte Aufmerksamkeit kann ausschlaggebend für die Auslösung und Aufrechterhaltung von Essanfällen sein, bei denen die Patienten die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren.

 

Nahrungsreize versus neutrale Bilder

In einer experimentellen Studie wurden Blickbewegungen und Reaktionszeiten von Jugendlichen mit Binge-Eating-Disorder-Symptomen im Alter von 12 bis 20 Jahren untersucht. Die Probanden sahen auf einem Monitor für jeweils drei Sekunden mehrere Bildpaare von Nahrungsreizen und neutralen Bildern (Naturbilder oder Alltagsgegenstände). Die Bilder waren in Form und Farbe ähnlich. „Das Besondere an dieser Untersuchung ist, dass wir die Blickbewegungen der Probanden präzise aufzeichnen können und ein direktes Maß der visuellen Aufmerksamkeit erhalten“, betonte Prof. Dr. Hilbert.

 

Jugendliche mit Binge-Eating Essstörungen reagieren intensiver auf Nahrungsreize

Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit Binge-Eating Disorder intensiver auf Nahrungsreize reagieren. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit von diesen Bildern zu lösen. Die Kontrollgruppe bestand aus sogenannten „statistischen Zwillingen“:

Jugendliche mit Binge-Eating Disorder und Jugendliche ohne Binge-Eating Disorder im gleichen Alter, mit gleichem Geschlecht und dem gleichen Gewichts- und sozioökonomischen Status schauten sich dieselben Bilder an. Es stellte sich heraus, dass Jugendliche mit Binge-Eating Disorder deutlich schneller als ihr statistischer Zwilling einen Nahrungsreiz unter Nicht-Nahrungsreizen entdecken können.

„Anhand unserer Ergebnisse wird deutlich, dass die veränderten Aufmerksamkeitsprozesse im Zustand der Sättigung ein Merkmal gestörten Essverhaltens sein können und aus evolutionärer Sicht dysfunktional sind“, erklärt die Diplom-Psychologin Ricarda Schmidt. Die Forscher vermuteten, dass wichtige kognitive Funktionen zur Verhaltenskontrolle durch diesen Unterschied Aufmerksamkeit beeinträchtigt werden und enthemmtes Verhalten, wie es in Essanfällen auftritt, fördern.

Derzeit laufen IFB-Forschungen zu neuen Behandlungsansätze, die die Veränderung dieser neuropsychologischen Defizite in den Vordergrund stellen. So wird unter anderem untersucht, ob ein Neurofeedback-Training bei erwachsenen Probanden mit Binge-Eating Disorder-Symptomen wirksam zur Reduktion von Essanfällen ist. In diesem Training sollen die Probanden lernen, ihre Hirnaktivität gezielt zu verändern und beim Anblick von Nahrungsbildern einen Zustand der bewussten Entspannung und Kontrolle zu erreichen.


Literatur:

Hilbert A. Childhood Eating and Feeding Disturbances. Nutrients. 2020 Apr 1;12(4):972. doi: 10.3390/nu12040972. PMID: 32244624; PMCID: PMC7230620.

Byrne ME, LeMay-Russell S, Tanofsky-Kraff M. Loss-of-Control Eating and Obesity Among Children and Adolescents. Curr Obes Rep. 2019 Mar;8(1):33-42. doi: 10.1007/s13679-019-0327-1. PMID: 30701372.

Biehl SC, Ansorge U, Naumann E, Svaldi J. Altered Processing of Visual Food Stimuli in Adolescents with Loss of Control Eating. Nutrients. 2019 Jan 22;11(2):210. doi: 10.3390/nu11020210. PMID: 30678145; PMCID: PMC6412983.

Schmidt R, Lüthold P, Kittel R, Tetzlaff A, Hilbert A. Visual attentional bias for food in adolescents with binge-eating disorder. J Psychiatr Res. 2016 Sep;80:22-29. doi: 10.1016/j.jpsychires.2016.05.016. Epub 2016 May 28. PMID: 27267318.

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