Freitag, April 19, 2024

Je mehr IL-10 die Blutzellen der CLL-Patienten produzieren, desto besser

Je mehr IL-10 die Blutzellen von CLL-Patienten produzieren, desto kommt es zu längerem progressionfreiem Überleben und Gesamtüberleben.

Bei der Entwicklung von Immuntherapien gegen Blutkrebs sind übermäßig stark aktivierte T-Zellen nicht erfolgversprechend. Dies konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum nun an Mäusen zeigen. Denn als die Forscher den Botenstoff IL-10, der das Immunsystem bremst, blockierten, verausgabten sich die T-Zellen und versagten im Kampf gegen die Leukämie (CLL).

 

Immuntherapien gelten als vielversprechender Ansatz bei der Behandlung vieler Krebsarten.

Die erfolgreichsten und am weitesten verbreiteten Immuntherapien richten sich gegen so genannte Immun-Checkpoint-Moleküle, die wie natürliche Bremsen des Immunsystems wirken. Die Medikamente, auch als „Checkpoint-Inhibitoren“ bezeichnet, lösen diese Bremsen, so dass die T-Zellen des Immunsystems Tumoren erkennen und angreifen können.

Jedoch wirken die bisher verfügbaren Checkpoint-Inhibitoren längst nicht bei allen Krebsarten. Auch bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL), dem häufigsten Blutkrebs bei Erwachsenen, versagt diese Therapieform bislang. Das Team von Martina Seiffert im Deutschen Krebsforschungszentrum war daher auf der Suche nach weiteren Molekülen, die als Immunbremsen wirken und sich als Ansatzpunkt für Therapien gegen die CLL eignen. Die DKFZ-Forscher interessierten sich besonders für den Immun-Botenstoff Interleukin 10 (IL-10), der im Blut von CLL-Patienten in höherer Konzentration vorliegt als bei Gesunden.

 

Da IL-10 bekanntermaßen das Immunsystem unterdrücken oder bremsen kann, hatten die Forscher die Hypothese aufgestellt, dass eine Hemmung von IL-10 den T-Zellen der CLL-Patienten dabei helfen könnte, die Leukämiezellen anzugreifen und zu vernichten.

Doch beim Test von IL-10-Blockern an Mäusen beobachteten die Forscher das Gegenteil des Erwarteten. Bei den Mäusen, denen IL-10-Inhibitoren verabreicht worden waren, nahm die Erkrankung einen schwereren Verlauf als bei unbehandelten Tieren. Dieses Ergebnis widersprach dem herrschenden Konsens. Denn warum sollte die Blockade einer bestimmten Immunbremse die körpereigene Abwehr beeinträchtigen.

Bei einer aufwändigen Suche der Ursachen erkannten die Forschenden, dass die Hemmung von IL-10 tatsächlich T-Zellen aktiviert, allerdings in einem extremen Ausmaß. Als Reaktion auf diese Überaktivierung erschöpfen die T-Zellen und verlieren schließlich ihre Fähigkeit, den Tumor zu bekämpfen. Mit anderen Worten kommt es zu einer „Mäßigung“ des Immunsystems. Die Mäßigungssignale sind entscheidend, um die Immunzellen davor zu schützen, sich völlig zu verausgaben.

 

Je mehr IL-10 die Blutzellen der CLL-Patienten produzieren, desto besser

Dass diese Rolle von IL-10 nicht eine Besonderheit des Maus-Immunsystems darstellt, erkannten die Forscher bei Untersuchungen von CLL-Patienten. Je mehr IL-10 deren Blutzellen produzieren, desto häufiger ist mit längerem progressionfreiem Überleben und Gesamtüberleben zu rechnen.

Die Ergebnisse der Studie könnten Bedeutung für die Entwicklung neuer Krebsimmuntherapien haben. Während die Arbeitshypothese bislang hauptsächlich darin bestand, die T-Zellen der Patienten in einen möglichst aktiven Zustand zu versetzen, verfeinern die aktuellen Ergebnisse diese Sichtweise: Sie zeigen, dass die „goldene Mitte“ der Aktivierung den größten Erfolg verspricht.

Eine zu geringe Aktivierung würde die T-Zellen in einen Zustand der Trägheit versetzen, eine unkontrollierte Aktivierung dagegen in eine Funktionsstörung treiben. Das Team geht davon aus, dass sich die Erfolgsquote und die Dauer des Ansprechens auf Krebsimmuntherapien erheblich verbessern lassen könnte, wenn neue Immuntherapeutika nach diesem Konzept der „Mäßigung“ entwickelt würden.


Literatur:

Bola S. Hanna, Laura Llaó-Cid, Murat Iskar, Philipp M. Roessner, Lara C. Klett, John K.L. Wong, Yashna Paul, Nikolaos Ioannou, Selcen Öztürk, Norman Mack, Verena Kalter, Dolors Colomer, Elías Campo, Johannes Bloehdorn, Stephan Stilgenbauer, Sascha Dietrich, Manfred Schmidt, Richard Gabriel, Karsten Rippe, Markus Feuerer, Alan G. Ramsay, Peter Lichter, Marc Zapatka, and Martina Seiffert. Interleukin-10 receptor signaling promotes the maintenance of a PD-1int TCF-1+ CD8+ T cell population that sustains anti-tumor immunity. Immunity 2021, DOI: https://doi.org/10.1016/j.immuni.2021.11.004


Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum

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