Montag, April 15, 2024

Irinotecan bei Kolonkarzinom

Der Topoisomerase-Hemmer Irinotecan ist beim fortgeschrittenen Kolonkarzinom eine ­etablierte Behandlungsoption – in der Mono- und der Kombinationstherapie.

Irinotecan als First-Line-Therapie. Aufgrund von guten Ansprechraten und geringerer Toxizität ist die erste Wahl zur Behandlung des metastasierten Kolonkarzinoms der Topoisomerase-I-Inhibitor Irinotecan. Zwar ist Oxaliplatin gleich effektiv, das Toxizitätsprofil in Bezug auf Neutropenien und periphere sensorische Neuropathie ist allerdings unter Irinotecan besser. Zahlreiche Patienten haben außerdem Oxaliplatin schon adjuvant erhalten. Traten dabei Polyneuropathien auf, können diese durch eine neuerliche Oxaliplatin-Gabe wieder ausgelöst werden.

 

­Kombinationspartner von Irinotecan

Sowohl der Topoisomerase-Hemmer als auch Oxaliplatin sind in der Kombination mit 5-Fluorouracil und Folinsäure (FOLFIRI / FOLFOX) im Einsatz, sowie mit ­Capecitabine (XELIRI / XELOX) kombinierbar. Die First-Line-Therapie mit Irinotecan/5-FU und dem Angiogenesehemmer Bevacizumab bewirkt bei Patienten mit metastasierendem Kolonkarzinom ein längeres krankheitsfreies Überleben als die alleinige Irinotecan/5-FU-Gabe. Der Arzneistoff muss verdünnt und in eine periphere oder zentrale Vene infundiert werden.

 

Second-Line-Therapie

Als Second-Line-Therapie des Kolonkarzinoms kommt jeweils jene Substanz zur Anwendung, die noch nicht im Einsatz war: Wurde als First-Line-Therapie beispielsweise das Oxaliplatin-enthaltende FOLFOX-Schema gewählt, ist Irinotecan (als FOLFIRI) in der Zweitlinie die ideale therapeutische Option.

Allerdings zeigte eine Studie, dass höhere Ansprechraten erreicht werden, wenn nach Irinotecan-Therapieversagen Oxaliplatin als Zweitlinientherapie zum Einsatz kommt, als wenn nach Versagen von Oxaliplatin auf den Topoisomerase-Hemmer umgestiegen wird.

Auch die Kombination von Irinotecan mit Bevacizumab ist als 2nd-Line-Chemotherpie zugelassen, falls der Antikörper nicht schon in der Erstlinientherapie enthalten war. Der gemeinsame Einsatz von Irinotecan und EGFR-Inhibitor ­Cetuximab bei Patienten mit stark forgeschrittenem, vorbehandeltem Kolonkarzinom brachte signifikante Response-Raten, wodurch die Zeit bis zum Rezidiv verlängert werden konnte.

 

Irinotecan als Third-Line-Therapie

Das Mittel der Wahl in der Drittlinientherapie ist Irinotecan, das mit Cetuximab kombiniert wird. Irinotecan kann daher sowohl als First- oder Second-Line-Therapie wie auch in der Third-Line eingesetzt werden, Oxaliplatin hingegen nicht. Cetuximab kann eine Progression bei Oxaliplatin-Resistenz nicht durchbrechen, bei Irinotecan-Versagen konnte dies jedoch gezeigt werden.

Irinotecan ist beim fortgeschrittenen Kolonkarzinom nicht nur in Hinsicht auf die Ansprechraten, sondern auch aufgrund der geringeren Toxizität ein empfehlenswertes First-Line-Therapeutikum: Unter der Therapie mit Irinotecan/Folinsäure/5-Fluorouracil (FOLFIRI) treten seltener Neutropenien und Grad-3-Neurotoxizitäten auf, weshalb die Therapie auch bei Patienten mit schlechtem Allgemeinbefinden angeboten werden kann.

Auch als Therapiepartner zu Angiogenese- oder EGFR-Inhibitoren zeigt Irinotecan – auch in der Zweit- und Drittlinientherapie deutliche Effekte: Ein längeres krankheitsfreies Überleben, die Erhöhung der medianen Überlebenszeit und bessere Response-Raten sind gerade im metastasierten Setting bedeutend.

 

Anwendung bei Pankreaskarzinom

Die Zulassung für die Therapie von Erwachsenen mit metastasiertem Pankreaskarzinom, deren Erkrankung unter einer Gemcitabin-basierten Chemotherapie fortgeschritten ist, wurde vor zwei Jahren erteilt. Dabei soll pegyliertes liposomales Irinotecan mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) in einer Kombinationstherapie den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

 

Einschränkungen bei spezifischen Patientengruppen

Irinotecan wird nicht zur Anwendung bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion empfohlen, da mit dieser Patientengruppe keine Studien durchgeführt wurden. Bei Kindern sollte das Zytostatikum gar nicht angewandt werden. Für ältere Patienten wurden keine spezifischen pharmakokinetischen Studien durchgeführt. Es wird jedoch empfohlen, dass die Dosis bei dieser älteren Patientengruppe aufgrund des häufigeren Vorkommens eingeschränkter biologischer Funktionen mit großer Sorgfalt festgelegt werden sollte. Ältere Patienten brauchen eine intensivere Überwachung.

 

Verzögert eintretender Durchfall

Die Verabreichung von Irinotecan erhöht das Risiko für eine verzögert einsetzende Diarrhoe, die mehr als 24 Stunden nach der Anwendung vor dem nächsten Zyklus auftreten kann. Bei der Monotherapie war die durchschnittliche Zeit bis zum Auftreten des ersten flüssigen Stuhlgangs an Tag 5 nach einer Infusion des Zytostatikums. Die Patienten sollten ihren Arzt schnell über das Auftreten informieren und sofort mit einem entsprechenden Nebenwirkungsmanagement beginnen.

Patienten mit erhöhtem Diarrhoe-Risiko sind jene mit vorangegangener Strahlenbehandlung des Abdomens, jene mit Hyperleukozytose vor Behandlungsbeginn, Patienten mit einem WHO Performance Status ≥2 und Frauen.

Am wichtigsten ist es zu wissen, dass eine nicht richtig behandelte Diarrhoe sogar lebensbedrohlich sein kann, besonders wenn der Patient gleichzeitig neutropenisch ist.

Bei Auftreten des ersten flüssigen Stuhls sollte der Patient damit beginnen, elektrolythaltiger Getränke in große Mengen zu trinken. Ein Arzt leitet gleichzeitig sofort eine adäquate Therapie gegen den Durchfall ein.

Patienten sollten die verordneten Medikamente für das Nebenwirkungsmanagement gegen Durchfall (sowie anderen unerwünschten Wirkungen) direkt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erhalten, so dass sie mit der Behandlung der Diarrhoe beginnen können, sobald diese auftritt. Außerdem sollten sie sofort den behandelnden Arzt oder die Fachabteilung informieren, sobald und wenn eine Diarrhoe auftritt.

 

Anwendung von Loperamid

Die gegenwärtig empfohlene antidiarrhoische Behandlung besteht aus hohen Dosen Loperamid von 4 mg bei der ersten Einnahme und danach 2 mg alle 2 Stunden. Diese Therapie muss bis 12 Stunden nach dem letzten flüssigen Stuhl fortgesetzt und darf nicht verändert werden. Wegen des Risikos eines paralytischen Ileus darf Loperamid in dieser Dosierung keinesfalls länger als 48 Stunden ununterbrochen verabreicht werden, jedoch auch nicht weniger als 12 Stunden.

Zusätzlich zu der antidiarrhoischen Behandlung sollte prophylaktisch ein BreitbandAntibiotikum gegeben werden, wenn die Diarrhoe mit einer schweren Neutropenie (Neutrophilenzahl unter 500 Zellen/mm3 ) verbunden ist. In verschiedenen Fällen wird eine Aufnahme ins Krankenhaus zur Behandlung der Diarrhoe empfohlen:

  • bei Diarrhoe verbunden mit Fieber,
  • bei schwerer Diarrhoe, die eine intravenöse Rehydratation erfordert,
  • bei Diarrhoe, die mehr als 48 Stunden nach Einleitung einer Hochdosis-Loperamid-Therapie fortbesteht.

Loperamid darf aber nicht vorbeugend eingesetzt werden, auch nicht bei Patienten, bei denen in vorangegangenen Behandlungszyklen eine verzögert einsetzende Diarrhoe aufgetreten ist. Für Patienten mit schwerer Diarrhoe wird für die nachfolgenden Behandlungszyklen eine Dosisreduktion empfohlen.

Fachinformation bei der EMA: https://www.ema.europa.eu/documents/product-information/onivyde-epar-product-information_de.pdf

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