Samstag, April 27, 2024

Interaktion in der Psychotherapie

Erste Phase einer Psychotherapie ist »das Erkennen«. Neben objektiven und subjektiven Daten ist dabei von Beginn an die Interaktion Patient / Therapeut von großer Bedeutung.

Zu Beginn einer Psychotherapie kommt die Phase des Erkennens. In dieser ersten Interaktion versucht der Therapeut jene Situationen und Erinnerungen zu erkennen, mit denen der Patient alleine eher schlecht zurechtkommt. Der Therapeut will weiters erkennen, wie diese Situationen und Gedanken entstanden sind, welche Gefühle der Patient dabei hat beziehungsweise welche er vermeiden will, welche Handlungen vielleicht auch ungewollt gesetzt werden. Der Therapeut  lässt dabei den Patienten an seinen professionellen Erfahrungen und Erkenntnissen durch Interaktion teilhaben und gibt ihm somit eine wichtige Rückmeldung.

Der Patient soll dabei Zusammenhänge zwischen biografischen Erfahrungen und Symptomen – wie Angst, Schmerzen, Niedergeschlagenheit – herstellen sowie daraus entstandene Verhaltensmuster – Einstellungen, Denkweisen – gemeinsam mit dem Therapeuten analysieren, der dadurch über Beschwerden, Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen des Betroffenen Aufschluss erhält. Möglicherweise findet der Therapeut auch Fragestellungen, die für den Patienten neu sind und bringt neue Aspekte.

Der Therapeut wird vor allem aufmerksam zuhören. Wichtig ist dabei die Erhebung objektiver Informationen wie biografische Fakten, medizinische Befunde und psychologische Testverfahren. Dadurch, dass der Patient diese selbst liefert, werden diese Daten subjektiv gefärbt. Dies ist für den Therapeuten von großer Relevanz, denn es zeigt, welche individuelle Bedeutungen z.B. Menschen und Dinge sowie Abläufe, Taten, für den Patienten entstehen. Wobei die Wahrnehmung des Patienten nie in Frage gestellt, hingegen ernst genommen und nachgefragt werden muss. Zum Erkennen werden auch standardisierte Testverfahren eingesetzt, die das persönliche Gespräch aber niemals ersetzen sondern nur ergänzen können.

 

Psychotherapie und Interaktion zwischen Patienten und Therapeut

Von großer Bedeutung ist es, wie in der ersten Phase der Psychotherapie die Interaktion zwischen Patienten und Therapeuten abläuft. Hierbei überprüft der Therapeut auch, welche Emotionen in ihm selbst die objektiven und subjektiven Darstellungen des Patienten auslösen. Diese Art der Interaktion soll in weiterer Folge dabei helfen, den Patienten besser zu verstehen. Eine wichtige Rückmeldung für den Patient ist es, wenn über Erfahrungen und Erkenntnisse des Therapeuten durch Interaktion mehr erfährt. Der in Wien geborene US-amerikanische Verhaltenstherapeut und Professor für Psychologie, Frederick Kanfer, unterstrich in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Therapeuten, bewusst anders als die Umwelt – also a-sozial – zu interagieren, denn im Alltag würden beispielsweise Umgangsformen und Höflichkeit aber auch andere gelernte Verhaltensmuster ein „echtes“ Feedback verfälschen. Die beschriebene Notwendigkeit zur Interaktion zieht sich allerdings durch die gesamte Psychotherapie.

Hilfreich bei der Interaktion sind auch Videoaufzeichnungen, die es dem Therapeuten ermöglichen, dass er sich einzelne Gesprächsteile nochmals ansieht und auch in der berufsbegleitenden Supervision – in der vertraulichen Falldiskussion im Kollegenkreis – analysieren kann (selbstverständlich unter Berücksichtigung aller notwendigen Aspekte des vorgegebenen Datenschutzes).

BuchtippMichael Broda, Andrea Dinger-Broda; Wegweiser Psychotherapie. Wie sie wirkt, wem sie hilft, wann sie schadet. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015. ISBN Buch 9783131996312. ISBN E-PUB 9783131996510

Die AutorenDr. phil. Dipl.-Psych. Michael Broda ist Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor und Fachgutachter Verhaltenstherapie KBV. Er war in universitärer Forschung und Lehre sowie in der Leitung einer psychosomatischen Fachklinik tätig. Seit 1997 ist er niedergelassen in eigener Praxis. Er ist Verfasser wissenschaftlicher Publikationen, Herausgeber zweier großer Lehrbücher sowie der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog“. Dr. phil. Dipl.-Psych. Andrea Dinger-Broda ist Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), Supervisorin, Lehrtherapeutin und Dozentin an Ausbildungsinstituten. Nach Tätigkeit an den Universitäten Freiburg und Bochum war sie Leitende Psychologin an onkologischen/kardiologischen und psychosomatischen Rehabilitationskliniken. Seit 1997 ist sie niedergelassen in eigener Praxis und Leiterin des Redaktionsbüros der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog“.

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