Freitag, April 26, 2024

Idarucizumab in Notfallsituationen

Die finalen Ergebnisse aus einer Phase-III-Studie bestätigen den Nutzen des Dabigatran-Antidots Idarucizumab in Notfallsituationen.

Die finalen Ergebnisse der RE-VERSE AD ™ Studie bestätigen, dass Idarucizumab (Praxbind ®) den antikoagulatorischen Effekt von Dabigatran (Pradaxa ®) bei Patienten in Notfallsituationen innerhalb von Minuten vollständig aufheben konnte – das gab Boehringer Ingelheim aktuell bekannt.1,2

Die Wirkung des spezifischen Antidots konnte gleichermaßen in beiden Patientengruppen der Studie dokumentiert werden: bei Patienten, die eine Notoperation oder ‑intervention benötigten, sowie bei Patienten mit einer nicht beherrschbaren oder lebensbedrohlichen Blutung. Die Aufhebung der Dabigatran-induzierten Antikoagulation ermöglichte den Ärzten, rasch die erforderlichen Notfall-Maßnahmen einzuleiten.1,2 Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Kongresses der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) in Berlin präsentiert und zeitgleich im renommierten New England Journal of Medicine publiziert.1,2

 

RE-VERSE AD

Der primäre Endpunkt von RE-VERSE AD – die Aufhebung der Dabigatran-induzierten Antikoagulation innerhalb von vier Stunden, gemessen anhand der verdünnten Thrombinzeit (dTT) und der Ecarin-Clotting-Zeit (ECT) – wurde bei 100 Prozent der Patienten erreicht (95 % KI, 100-100). Der Effekt war sofort nach Verabreichen von Idarucizumab messbar und blieb bei dem Großteil der Patienten bis zu 24 Stunden erhalten. Dabei zeigte sich keine Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Leberfunktion oder der ursprünglich vorliegenden Dabigatran-Konzentration.1,2 In 98 Prozent der Fälle war eine Dosis von 5 g Idarucizumab ausreichend.

Die klinische Relevanz der Studie zeigt sich anhand der Auswertung sekundärer Endpunkte:1,2 Bei Patienten, die eine Notoperation oder ‑intervention benötigten (Gruppe B), konnte der Eingriff im Median nach 1,6 Stunden durchgeführt werden. Dabei zeigten 93,4 Prozent eine normale intraprozedurale Hämostase. Patienten mit akuter Blutung (Gruppe A), bei denen die Zeit bis zur Blutstillung erhoben werden konnte, zeigten einen medianen Wert von 2,5 Stunden, bis die Blutung gestoppt war.1,2

„Notfallsituationen oder Unfälle können jedem widerfahren. Patienten, die aufgrund von Vorhofflimmern antikoaguliert werden, machen sich häufig Sorgen, was ihre Behandlung in solchen Notfällen betrifft“, erklärte Professor Charles Pollack, Studienleiter von RE-VERSE AD und Professor für Notfallmedizin am Sidney Kimmel Medical College der Thomas Jefferson University in Philadelphia. „RE-VERSE AD zeigt, dass Idarucizumab die Dabigatran-induzierte Antikoagulation innerhalb von Minuten aufheben konnte und eine sofortige, vollständige und anhaltende Antagonisierung ermöglichte. Behandelnde Ärzte können sich dadurch vollständig auf den vorliegenden Notfall konzentrieren.“

RE-VERSE AD ergab keine Hinweise auf klinisch relevante Sicher­heitsbedenken, die in Verbindung mit dem Einsatz von Idarucizumab standen. Das Studienkollektiv umfasste ältere, multimorbide Patienten, die mit schweren Indexereignissen eingeliefert wurden, darunter intrakranielle Blutung, multiples Trauma und Sepsis. Die Mortalitätsrate lag nach 90 Tagen bei 18,8 Prozent (Gruppe A) bzw. 18,9 Prozent (Gruppe B). Zu diesem Zeitpunkt waren bei 6,3 Prozent der Patienten in Gruppe A thrombotische Ereignisse aufgetreten, in Gruppe B bei 7,4 Prozent – konsistent mit der Inzidenz solcher Komplikationen nach großen operativen Eingriffen oder Hospitalisierung aufgrund von nicht beherrschbaren Blutungen bei Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten.1,2

„Die finalen Daten von RE-VERSE AD bestätigen in Gänze unsere Interimsanalysen“, kommentierte Professor Jörg Kreuzer, medizinischer Leiter des Therapiegebiets Kardiovaskuläre Erkrankungen bei Boehringer Ingelheim. „Und wir haben weitere gute Nachrichten für Ärzte und Patienten: Idarucizumab ist bereits in 61 Ländern zugelassen und steht in mehr als 8.200 Klinikzentren weltweit zum Einsatz in Notsituationen zur Verfügung.“

Über RE-VERSE AD. RE-VERSE AD ist eine globale Phase III Studie mit Pradaxa-Patienten, die einen dringenden Eingriff benötigen oder eine nicht beherrschbare Blutung erleiden.1,2,6 Die finale Analyse von RE-VERSE AD™ umfasste Daten von Patienten, bei denen eine Notoperation oder ‑intervention erforderlich ist, zum Beispiel die Versorgung einer offenen Fraktur nach einem Sturz sowie Patienten mit nicht beherrschbaren oder lebens­bedrohlichen Blutungskomplikationen, darunter intrakranielle Blutungen oder schwere Traumata nach einem Verkehrsunfall.1,2 Der primäre Endpunkt, die Aufhebung der Pradaxa-induzierten Antiko­agulation durch Praxbind ® innerhalb von vier Stunden, wurde anhand der verdünnten Thrombinzeit (dTT) und der Ecarin-Clotting-Zeit (ECT) erhoben.1,2

Die im Mai 2014 gestartete Studie ist die größte, die ein Antidot zu einem Nicht-Vitamin-K-Antagonisten oralen Antikoagulans (NOAK) in klinischen Notfallsituationen untersucht. Sie schließt insgesamt 503 Patienten an 173 Zentren in 39 Ländern ein, die in zwei Gruppen unterteilt wurden:1,2,6

  • Gruppe A: 301 Patienten (60 Prozent) mit nicht beherrschbarer oder lebensbedrohlicher Blutung (z. B. gastrointestinale und intrakranielle Blutungen)
  • Gruppe B: 202 Patienten (40 Prozent), die eine invasive Prozedur bzw. eine Notoperation oder -intervention benötigen (z. B. aufgrund einer Hüftfraktur)

 

Idarucizumab

Idarucizumab ist das erste und einzige spezifische Antidot zu einem Nicht-Vitamin-K-Antagonisten oralen Antikoagulans (NOAK), das über eine Zulassung verfügt und flächendeckend verfügbar ist. Boehringer Ingelheim erforscht Idarucizumab weiterhin im Rahmen des
RE-VECTO™ Studienprogramms, das den Einsatz in der klinischen Praxis evaluiert. RE-VECTO™ wird voraussichtlich Ende 2018 abgeschlossen sein.5

Über Praxbind. Praxbind ist ein humanisiertes Antikörperfragment (Fab), das als spezifisches Antidot für Pradaxa ® entwickelt wurde.7 Das Medikament bindet spezifisch nur an Dabigatran-Moleküle und hebt deren antikoagulatorischen Effekt auf, ohne dabei in die Gerinnungskaskade einzugreifen.6,7

Praxbind ist in 61 Ländern weltweit zugelassen und indiziert bei Patienten, die eine rasche Aufhebung der Pradaxa-induzierten Antikoagulation benötigen:3,4

  • Bei Notoperationen/Notinterventionen
  • Bei nicht beherrschbaren oder lebensbedrohlichen Blutungen

Über Pradaxa® (Dabigatranetexilat). Der direkte Thrombininhibitor Pradaxa ist seit mehr als sechs Jahren auf dem Markt und ist in mehr als 100 Ländern weltweit zugelassen.8 Die Erfahrung mit Pradaxa wächst sowohl im Rahmen klinischer Studien als auch im Behandlungsalltag stetig an und umfasst inzwischen über 6,9 Millionen Patientenjahre in allen zugelassenen Indikationen.8

Pradaxa ist aktuell für folgende Indikationen zugelassen:9,10

  • Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern mit einem oder mehreren Risikofaktoren, wie z. B. vorausgegangener Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke; Alter ≥ 75 Jahre; Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II); Diabetes mellitus; arterielle Hypertonie (Zulassung 2010)
  • Behandlung tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prävention von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen (Zulassung 2014)
  • Primärprävention von venösen thromboembolischen Ereignissen bei erwachsenen Patienten nach elektivem Hüft- oder Kniegelenksersatz (Zulassung 2008)

In Europa ist Pradaxa zur Prävention von Schlaganfällen, systemi­schen Embolien, tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien bei erwachsenen Patienten in den Dosierungen 150 mg und 110 mg zweimal täglich zugelassen.9

Pradaxa war der erste auf dem Markt befindliche Vertreter einer neuen Generation direkter oraler Antikoagulanzien zur Prävention und Behandlung akuter und chronischer thromboembolischer Erkrankun­gen.9-11 Als direkter oraler Thrombininhibitor erzielt Pradaxa® einen starken antithrombotischen Effekt, indem es spezifisch die Aktivität von Thrombin, dem Schlüsselenzym für die Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) hemmt.12 Pradaxa® führt zu einer effektiven, vorher­sagbaren und zuverlässigen Gerinnungshemmung. Der Wirkstoff weist nur ein geringes Potenzial für Interaktionen mit anderen Arzneimitteln auf und zeigt keine Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln. Pradaxa® erfordert im Regelfall weder ein routinemäßiges Gerinnungsmonitoring noch Dosisanpassungen.11,13

Pradaxa ist das einzige Nicht-Vitamin-K-Antagonisten orale Antikoagulans, für das ein spezifisches Antidot zugelassen ist. Praxbind ist in der Europäischen Union und den USA bei erwachsenen Pradaxa-Patienten zugelassen, bei denen eine rasche Aufhebung der antikoagulatorischen Wirkung vor Notoperationen oder ‑interventionen erforderlich ist oder die eine nicht beherrschbare oder lebensbedrohliche Blutung erleiden.3,4

 

Referenzen:

1.         Pollack C.V. et al. Final Results of RE-VERSE AD Study: Reversal of Dabigatran by its Specific Reversal Agent Idarucizumab in Patients with Uncontrolled Bleeding or Requiring Urgent Surgery/Procedures. International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) 26th Biennial Congress and 63rd Annual Scientific and Standardization Committee (SSC), Berlin, July 2017, Late-breaking abstract 503.

2.         Pollack C.V. et al. Idarucizumab for Dabigatran Reversal – Full Cohort Analysis. NEJM. 2017; DOI: 10.1056/NEJMoa1707278. www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1707278

3.         Idarucizumab European Summary of Product Characteristics, 2016.

4.         Fachinformation Praxbind ®, Stand: April 2017.

5.         RE-VECTO Surveillance Program: Evaluating the use of idarucizumab in a real-world setting. Abrufbar unter: https://www.re-vecto.com/. Letzter Zugriff: Juli 2017.

6.         Pollack C.V. et al. Design and rationale for RE-VERSE AD: A phase 3 study of idarucizumab, a specific reversal agent for dabigatran. Thromb Haemost. 2015;114(1):198-205.

7.         Schiele, F. et al. A specific antidote for dabigatran: functional and structural characterization. Blood. 2013;121(18):3554-62.

8.         Boehringer Ingelheim. Data on File.

9.         Pradaxa® Fachinformation, Stand: Februar 2017.

10.     Pradaxa ® European Summary of Product Characteristics, 2016.

11.     Stangier J. Clinical pharmacokinetics and pharmacodynamics of the oral direct thrombin inhibitor dabigatran etexilate. Clin Pharmacokinet. 2008;47(5):285–95.

12.     Di Nisio M. et al. Direct thrombin inhibitors. N Engl J Med. 2005;353:1028–40.

13.     Stangier J. et al. Pharmacokinetic Profile of the Oral Direct Thrombin Inhibitor Dabigatran Etexilate in Healthy Volunteers and Patients Undergoing Total Hip Replacement. J Clin Pharmacol. 2005;45:555–63.

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