Donnerstag, März 28, 2024

Hollywood-Ideal versus Fitness-Modell

Ein mathematisches Fitness-Modell kann sich in unserer Gesellschaft laut einer internationalen Studie offensichtlich nicht gegen das Hollywood-Ideal »jung und schlank« durchsetzen.

ForscherInnen haben ein mathematisches Modell – ein Fitness-Modell – entwickelt, um die Hypothese zu testen, dass es einen optimalen femininen Körperfettanteil als Zeichen evolutionärer Fitness gäbe. „Dieses Fitness-Modell verbindet den Zusammenhang von Körperfett und Fruchtbarkeit und sagt voraus, dass die physisch attraktivsten Frauen demnach einen Body Mass Index zwischen 24 und 24.8 haben sollten“, erklärt die an einer internationalen Studie beteiligte Grazer Wissenschafterin, Assoz.-Prof.in PDin Mag.a Dr.in Sandra Wallner-Liebmann. Die internationale Studie unter maßgeblicher Beteiligung der Med Uni Graz liefert einen Erklärungsansatz, warum das Hollywood-Ideal den in der Gesellschaft idealen Figurtyp für Frauen diktiert und das Hollywood-Ideal „jung und schlank“ mit maximaler Attraktivität verbunden wird.

Überleben und Fruchtbarkeit weniger wichtig als Hollywood-Ideal

WissenschafterInnen aus zehn Ländern untersuchten im aktuellen internationalen Forschungsprojekt unter Beteiligung der Medizinischen Universität Graz, ob beispielsweise die Maße 90-60-90 dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen oder sogar die Figur der ewig jungen Barbie dem Ideal entspricht. Das von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Genetik und Entwicklungsbiologie, Peking unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. John Speakman koordinierte und hochaktuell Projekt setzte sich dabei zum Ziel herauszufinden, welcher Anteil an Körperfett Frauen in unterschiedlichen Kulturen am attraktivsten macht. „Körperfett ist ein wesentlicher Aspekt zur Beurteilung, was wir als schön empfinden und was nicht“, sagt Assoz.-Prof.in Dr.in Sandra Wallner-Liebmann vom Institut für Pathophysiologie der Med Uni Graz, welche für die österreichische Teilnahme an der Studie verantwortlich zeichnete. „Wir waren daran interessiert herauszufinden, ob das maximale Maß an körperlicher Attraktivität mit jenem Körperfettanteil korrespondiert, der unsere evolutionär abgeleitete Fitness maximiert – Überleben und Fruchtbarkeit“, so Sandra Wallner-Liebmann weiter.

1.300 Studienteilnehmer über den Globus verteilt haben sich für das Hollywood-Ideal als Schönheitsideal entschieden

Die WissenschafterInnen haben insgesamt 1.300 Personen Bilder von Frauen unterschiedlicher Fettmasse vorgelegt. Die BewerterInnen waren Frauen und Männer aus drei kaukasischen Populationen – UK, Österreich und Litauen, drei asiatischen – China, Iran und Mauritius – und vier afrikanischen Ländern – Kenia, Nigeria, Marokko und Senegal.

In allen Bevölkerungen bewerteten Frauen und Männer die physische Attraktivität der vorgelegten Bilder sehr ähnlich, doch stimmte das Ergebnis nicht mit der im Fitness-Modell errechneten Prognose überein. „Tatsächlich zeigte sich in der Abfolge der Bilder – BMI 19 bis BMI 34 – ein linear negativer Zusammenhang zwischen Attraktivität und Fettanteil. Je dünner die dargestellte Person war, desto attraktiver wurde sie bewertet, was auf alle Populationen gleichermaßen zutraf“, berichtet Sandra Wallner-Liebmann.

Hollywood-Ideal lässt Fitness-Modell scheitern

Eine Erklärung für das Scheitern des mathematischen Fitness-Modells sehen die WissenschafterInnen im Hollywood-Ideal, dass unsere Gesellschaft weltweit stark beeinflusst. „Das medial propagierte Schlanksein beeinflusst das Rating über alle Populationen gleichermaßen“, so die Expertin. Hier gibt es aber eine sogenannte Henne-Ei-Problematik. Entstand das Hollywood-Ideal aus der Tatsache, dass Personen Schlanksein attraktiv empfinden, oder ist das beobachtete Rating auf das Hollywood-Ideal zurückzuführen? „Wir fanden heraus, dass es eine Erklärung für die beobachtete Diskrepanz gibt.

Den BetrachterInnen wurden keine Informationen zum tatsächlichen Alter der abgebildeten Frauen gegeben, es wurde Gleichaltrigkeit vorausgesetzt. Als wir die BetrachterInnen schließlich auch nach einer Einschätzung zum Alter der abgebildeten Frauen befragten, fanden wir einen starken Zusammenhang zwischen geschätztem Alter und BMI. Das ist ein wichtiges Ergebnis, da das Alter auch ein starker Prädiktor für Überleben und Fruchtbarkeit ist“, fasst Sandra Wallner-Liebmann zusammen.

Hollywood-Ideal bedeutet jung und schlank, dies ist aber oft mit Essstörungen vergesellschaftet

Mit der Faktorisierung dieses Zusammenhangs in das mathematische Modell verschob sich die optimale Fettmasse auf einen BMI von 17 bis 20, was exakt der Einschätzung maximaler Attraktivität der Befragten entspricht. Im Durchschnitt bewerteten die Befragten den Fettanteil einer Frau als am attraktivsten, der dem BMI einer durchschnittlichen jungen Frau mit maximaler zukünftiger Reproduktivität und Überleben entspricht. Das erklärt auch, warum der durchschnittliche BMI von jungen Frauen in den Medien im Bereich von 17 bis 20 liegt und warum alle Bemühungen „Plus Size Models“ zu etablieren bis auf wenige Ausnahmen fehlgeschlagen sind. „Unsere Gesellschaft sieht sich mit einer steigenden Inzidenz unterschiedlichster Formen von Essstörungen konfrontiert, deren Ursachen vielschichtig sind. Die vorliegenden Studienergebnisse bringen entscheidende Erkenntnis zur konsequenten Weiterentwicklung von Erklärungsmodellen für deren Entstehung sowie zur Entwicklung möglicher Therapieansätze“, blickt Sandra Wallner-Liebmann in die Zukunft. So könnte aus den aktuellen Erkenntnissen zukünftig mögliche Therapieansätze im Kampf gegen Essstörungen abgeleitet werden.

Quelle: The relationship of female physical attractiveness to body fatness. Guanlin Wang, Kurosh Djafarian, Chima A. Egedigwe, Asmaa El Hamdouchi, Robert Ojiambo, Harris Ramuth, Sandra Johanna Wallner-Liebmann, Sonja Lackner, Adama Diouf, Justina Sauciuvenaite, Catherine Hambly, Lobke M. Vaanholt, Mark D. Faries und John R. Speakman. PeerJ, published 25 August 2015, DOI 10.7717/peerj.1155.

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