Donnerstag, April 18, 2024

Herzklappenersatz nach Maß

Welches Herzklappenersatz-Verfahren die beste Option für den Patienten ist, entscheiden die Ärzte gemeinsam im Zentrum für interventionelle Aortenklappentherapie des UKR.

 

Kalkablagerungen an den Aortenklappen führen zu dauerhaften Beeinträchtigungen der Herzfunktion. Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf wird ein Klappenersatz unumgänglich. Im Universitätsklinikum Regensburg (UKR) wurde nun zum tausendsten Mal ein minimalinvasives Verfahren zur Herzklappenimplantation angewandt.

 

Plötzlich wurden die Abstände, in denen Günther B. (81) (Name geändert) mit Atemnot, stechenden Schmerzen in der Brust und Ohnmachtsgefühlen zu kämpfen hatte, immer kürzer. Treppensteigen und kleinste Anstrengungen bereiteten ihm zunehmend Schwierigkeiten. Bei einem Spaziergang im Sommer 2015 brach er schließlich zusammen und verlor das Bewusstsein. Im Krankenhaus wird eine so genannte Aortenklappenstenose, eine Verengung der Hauptschlagader durch Kalkablagerungen an den Herzklappen, diagnostiziert.

Um den Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgen zu können, muss das Herz von Günther B. übermäßigen Druck beim Pumpen aufbauen. Dieses Pumpen gegen einen unnatürlich hohen Widerstand über einen längeren Zeitraum hinweg führt zu einer Verdickung des Herzmuskels. Die Folge ist eine dauerhaft höhere Belastung für das Organ. Um das Herz zu entlasten, werden die defekten Herzklappen durch künstliche ersetzt. „Bei hochgradigen Verkalkungen der Klappen ist die Implantation einer künstlichen Herzklappe die einzige Therapiemöglichkeit“, erläutert Privatdozent Dr. Kurt Debl, Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Regensburg. Für die Operation stehen zwei Verfahren zur Verfügung. Doch das Standardverfahren, bei dem am offenen Herzen operiert wird, eignet sich nicht für alle Patienten. Gerade für ältere Menschen und für Menschen mit Erkrankungen der Atemwege oder des Brustkorbs ist eine Operation am offenen Herzen mit einem übermäßig hohen Komplikationsrisiko verbunden. Seit 2009 greifen Ärzte des UKR bei solchen Risikopatienten daher auf die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI), ein minimalinvasives und besonders schonendes Verfahren, zurück.

 

Individuell bestes Verfahren für die Patienten

Bei der TAVI wird ohne Eröffnung des Brustkorbs eine funktionsunfähige Herzklappe durch eine künstliche ersetzt. Im Gegensatz zum konventionellen Verfahren am offenen Herzen, bei dem eine Herz-Lungen-Maschine kurzzeitig die Funktion des beeinträchtigten Organs übernehmen muss, wird bei der TAVI über eine Punktionsstelle in der Leiste die Klappe mittels eines Drahtes über die Hauptschlagader bis ins Herz geschoben. Die neue Klappe ist dabei zu Beginn des Eingriffs noch gefaltet und nimmt ihre Form erst an, wenn sie sich in der exakten Position im Herz befindet. Ob sich die Klappe an der richtigen Stelle befindet, wird während der gesamten OP mittels Röntgendiagnostik kontrolliert.

Welches Verfahren die beste Option für den Patienten ist, entscheiden die Ärzte gemeinsam im Zentrum für interventionelle Aortenklappentherapie des UKR. Dort arbeiten die Klinik für Innere Medizin II, die Klinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie, die Klinik für Anästhesiologie sowie das Institut für Röntgendiagnostik Hand in Hand. „Wir haben mit der TAVI-Methode mittlerweile 1.000 neue Herzklappen erfolgreich implantiert und können aufgrund unserer Erfahrung und langjährigen Expertise unsere Patienten ganz individuell versorgen“, so PD Dr. Kurt Debl. „Der Eingriff wird unter Vollnarkose im modernen Hybrid-OP, einer Kombination aus klassischem OP und Herzkatheterlabor, durchgeführt und dauert nur circa eine Stunde“, erläutert Professor Dr. Michael Hilker, Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie des UKR die Details des Verfahrens. Nach bereits drei bis fünf Tagen kann der Patient in der Regel zur Nachsorge in eine Reha-Einrichtung entlassen werden.

 

Zertifizierung bestätigt hohe Qualität

Dem Zentrum für interventionelle Aorthenklappentherapie am UKR wurde Ende Dezember 2015 von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) mit der offiziellen Zertifizierung seine Expertise und Qualität in der multidisziplinären Versorgung von Herzpatienten bestätigt. Für eine ganzheitliche Versorgung wird durch eine Netzwerkstruktur sichergestellt, dass auch die niedergelassenen Fach- und Hausärzte der ostbayerischen Region in Therapie und Nachsorge mit einbezogen werden.

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