Donnerstag, März 28, 2024

Haut und Coronavirus: Neurodermitis-Patienten haben seltener schweres Covid-19

Patienten mit Neurodermitis haben ein dreifach geringeres Risiko, an einer Coronavirus-Lungenentzündung COVID-19 mit schwerem Verlauf zu erkranken.

Neueste Studien zeigen interessante Zusammenhänge zwischen COVID-19, Haut und Immunreaktionen. So haben etwa Patienten mit Atopie wie beispielsweise Neurodermitis ein dreifach geringeres Risiko an einer schweren Coronavirus-Erkrankung COVID-19 zu erkranken. Aber auch andere Virusinfektionen betreffen häufig die Haut. Unter dem Strich kann man Viren als die kleinsten Parasiten auch in der Therapie nutzen. Der COVID-19 Erreger SARS COV-2 äußert sich an der Haut – soweit bislang bekannt – mit eher unspezifischen Ausschlägen, Gerinnungsstörungen oder Gefäßentzündungen. Allerdings zeigen erste Studien interessante pathogenetische Zusammenhänge der COVID-19 und Haut.

Bei manchen Patienten mit schweren Covid-19-Krankheitsverläufen treten auch, eine marmorierte Hautverfärbung, Hautblutungen sowie Gefäßverschlüsse an Fingern und Zehen auf. Weiter berichten Forscher im Zusammenhang mit Hauterkrankungen von Pseudo-Frostbeulen, erythematöse Schwellungen, mit Vesikeln und Pusteln. Es kommt dabei zu Schmerzen und starkem Jucken. Auch über Windpocken-ähnliche Hauterscheinungen am Rumpf und an den Extremitäten bei Covid-Patienten berichten Dermatologen. Dunkle, rote bis bläuliche Schwellungen treten manchmal vor allem bei jungen COVID-19-Patienten an den Händen und Füßen auf. Weitere manchmal auftretende Hautsymptome sind Quaddeln, ausgeprägte Schuppungen der Haut, punktförmige bis zu großflächigen Rötungen sowie blutleere Hausregionen. Wissenschaftler können aber auch nicht ausschließen, dass diese Hauerscheinungen bei schwer erkrankten Covid-Patienten auch aufgrund der medikamentösen Behandlungen auftreten.

 

Dreifach geringeres Risiko für eine schwere Coronavirus-Erkrankung Covid-19 bei Patienten mit Neurodermitis

Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer, Vizepräsident der ÖGDV und Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie am Uniklinikum Salzburg, führt aus: „Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigen Patienten mit Atopie (eine besondere Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen, wie beispielsweise Neurodermitis) ein dreifach geringeres Risiko an einer schweren durch COVID-19 bedingten Lungenentzündung zu erkranken.“

Forscher vermuten, dass die bei Atopikern vorhandenen „guten“ Zytokine die „bösen“ Zytokine beim Zytokinsturm während der Lungenentzündung abbremsen. „Interessant ist weiter, dass das sogenannte Kawasaki-Syndrom, eine Entzündung der Gefäße bei Kindern, 30-mal häufiger bei Kindern mit einer COVID-19 Infektion auftritt“, erklärt Bauer. „Wir vermuten, dass die starke Entzündung bei COVID-19 noch heftiger als sonst auch die Gefäße befallen kann“, sagt Bauer.

 

Spätkomplikationen wie Tumorerkrankungen oft nach jahrzehntelangem, unscheinbarem Verweilen von Viren im Körper

Viren sind kleinste Parasiten, die für ihre Vermehrung auf Wirtszellen angewiesen sind. Der Präsident der ÖGDV, Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, erklärt: „Infektionen der Haut und Schleimhäute sind häufig und zeigen dabei ein bemerkenswert vielgestaltiges Erscheinungsbild.“ So führen Herpesviren, die nach einer Infektion lebenslang in unserem Körper bleiben, oft erst nach Jahren zu Folgekrankheiten, wie dem lästigen, wiederkehrenden Lippenherpes oder der Gürtelrose mit der gefürchteten, weil sehr schmerzhaften Nervenentzündung/Neuralgie.

Humane Papillom Viren verursachen nach Infektion nicht nur rasch auftretende manifeste Hautkrankheiten (Warzen an Haut, Genital- und Mundschleimhaut), viel wichtiger ist zu wissen, dass bestimmte Varianten oft nach Jahren und Jahrzehnten zum Krebs an Schleimhäuten führen v.a. den Geschlechtsorganen“, sagt Rappersberger. Zudem erhöht sich die Gefahr „reaktiver“ aber auch neu erworbener Virus-Infektionen durch moderne immun-suppressive und -modulatorische Therapien bei vielen Hautkrankheiten, wie Schuppenflechte, Neurodermitis, Lupus erythematosus und blasenbildenden Autoimmun–Krankheiten. Nicht zu vergessen, stellen neue Reise- und Importdermatosen (beispielsweise Zika-Virus, West-Nil-Virus, Hanta Virus etc.) neue Herausforderungen dar, die allesamt die Wichtigkeit von Früherkennung und rechtzeitiger sowie konsequenter Therapie verdeutlichen.

„In diesem Zusammenhang sind Fortschritte durch innovative Behandlungsansätze, wie etwa durch antivirale Medikamente wie Remdesivir, eine präventive Impfung gegen Varicella-Zoster-Viren und humane Papillomaviren (Feigwarzen) von besonderer Relevanz“, berichtet Rappersberger.

 

Viren in der Hautkrebstherapie

Die Fähigkeit von Viren, sich in Wirtszellen einzuschleusen und diese durch die Virusvermehrung aufzulösen, wird auch erfolgreich therapeutisch genutzt. So werden beispielsweise modifizierte Viren für neuartige Verfahren der molekularen Medizin angewandt, um Hautkrebs zu behandeln. „Dabei wird ein reduziert-aktives Herpes-Virus eingesetzt, um schwarzen Hautkrebs zu zerstören und eine Immunantwort gegen den Tumor auszulösen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller, Leiter der Dermato-onkologischen Ambulanz am AKH Wien und Mitglied des ÖGDV-Vorstands.

Retrovirale Vektoren – das sind gezielt veränderte Viruspartikel – werden als sogenannte „Genschiffe“ in der Gentherapie bei schweren genetischen Hauterkrankungen eingesetzt, wie zum Beispiel bei Epidermolysis bullosa (Schmetterlingskinder). Diese Vektoren schleusen Gen-Sequenzen ein, welche ein bestimmtes Gen vermissen, und damit den geschädigten Zellen ermöglichen, ihre Funktion als Haftsubstanz der Haut wieder zu erfüllen.


Literatur:

Scala E, Abeni D, Tedeschi A, Manzotti G, Yang B, Borrelli P, Marra A, Giani M, Sgadari A, Saltalamacchia F, Asero R. Atopic status protects from severe complications of COVID-19. Allergy. 2020 Aug 16:10.1111/all.14551. doi: 10.1111/all.14551. Epub ahead of print. PMID: 32799364; PMCID: PMC7461535.

Verdoni L, Mazza A, Gervasoni A, Martelli L, Ruggeri M, Ciuffreda M, Bonanomi E, D’Antiga L. An outbreak of severe Kawasaki-like disease at the Italian epicentre of the SARS-CoV-2 epidemic: an observational cohort study. Lancet. 2020 Jun 6;395(10239):1771-1778. doi: 10.1016/S0140-6736(20)31103-X. Epub 2020 May 13. PMID: 32410760; PMCID: PMC7220177.


Quelle:

Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV)

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