Mittwoch, April 24, 2024

Glatirameracetat gegen Multiple Skerose

Der immunmodulatorische Wirkstoff Glatirameracetat wird als Copaxone seit 1996 erfolgreich gegen schubförmige Multiple Sklerose (MS) angewendet.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chonisch-entzündliche neurologische Erkrankung im jungen und mittleren Erwachsenenalter, bei der durch Autoimmunreaktionen die Markscheiden, Myelinscheiden, im zentralen Nervensystems zugrundegehen. Gegen die Erkrankung wird mittlerweile seit mehr als 20 Jahren der Immunmodulator Glatirameracetat erfolgreich eingesetzt.

 

Multiple Skerose

Mehr als eine Million Menschen leiden weltweit unter Multipler Sklerose. Ein chronisch entzündlicher Prozess im zentralen Nervensystem (ZNS) führt bei dieser Erkrankung zur Zerstörung der Markscheiden und im weiteren Verlauf auch der Axone. Dadurch entstehen die für die Multiple Skerose typischen großen Entmarkungsherde im zentralen Nervensystem.

Die Ursachen der Multiplen Sklerose sind nicht völlig geklärt, doch muss eine autoimmunologische Genese, bei der eine genetische Disposition und Umweltfaktoren eine Rolle spielen, als sehr wahrscheinlich angenommen werden.

Durch die in Gang gesetzten Reparaturprozesse werden die Schäden nur teilweise kompensiert, sodass die ursprüngliche Leistungsfähigkeit bei den Betroffenen meist nicht mehr erreicht werden kann und immer mehr neurologische Ausfälle und Behinderungen auftreten:

immer beschwerlicheres Gehen, wobei nach ­etwa 15 Jahren Erkrankung umgefähr die Hälfte der MS-Patienten einen Rollstuhl brauchen;

  • Rückgang der Sehleistung;
  • Rückgang der Denkleistung;
  • insuffiziente Steuerung der Ausscheidungsorgane (Blase, Mastdarm);
  • Sensibilitäts- und Koordinationsstörungen nach langer Krankheitsdauer.

Schubförmiger Verlauf. Bei etwa 85% der MS-Patienten beginnt die Erkrankung mit akuten Schüben, die zwar seltener werden, doch die Krankheit schreitet dennoch unaufhaltsam voran. Man spricht von sekundär chronisch progredienter Verlauf.

Primär chronisch progredienter Verlauf. Bei 15% der MS-Patienten kommt es von Anfang an zur Verschlechterung von neurologischen Funktionen, insbesondere des Gehvermögens.

 

Glatirameracetat zur Therapie

Im akuten Schub kommt es zum Einsatz von parenteralen Kortikoid-Dosen. Eine Langzeittherapie erfolgte früher vor allem mit Immunsuppressiva. In den letzten beiden Jahrzehnten werden vor allem sogenannte Beta-Interferone bei schubförmig verlaufender Multipler Sklerose angewendet. Auch Immunglobuline der IgG-Klasse wirken immunregulierend. Ebenfalls seit etwa zwei Jahrzehnten kommt der Immunmodulator Glatirameracetat zur Anwendung. Glatirameracetat kann durch den Patienten selbst täglich subkutan, also in die Unterhaut, injiziert werden.

Die Wirkungen von Beta-Interferonen und Copaxone in der Behandlung von Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (relapsing-remitting multiple sclerosis – RRMS) scheinen laut einer rezenten Studie ähnlich zu sein oder weisen nur geringe Unterschiede auf.

 

Wirkweise von Glatirameracetat

Glatirameracetat ist ein Gemisch aus ­polaren, hydrophilen Polypeptiden, die aus vier natürlichen L-Aminosäuren – den sogenannten GLAT: Glutamin, Lysin, Alanin, Tyrosin – nach dem Zufälligkeitsprinzip synthetisiert werden.

Nach subkutaner Injektion werden vermehrt sogenannte Glatirameracetat-spezifische Suppressor-(TH2-)Zellen gebildet, die antiinflammatorische Zytokine sezernieren können – auch nach einer Kreuzreaktion mit einem Bestandteil der Myelinschicht, dem Myelin-Basischem Protein (MBP).

Nach Überwindung der Blut-/Hirnschranke gelangen die Suppressor-(TH2-)Zellen an Orte mit geschädigter Myelinfaser. Dort sorgt die erwähnte Kreuzreaktion mit Myelin-Basischem Protein für die Ausschüttung antiinflammatorische Interleukine 4, 6 und 10 sorgt.

Glatirameracetat hat keine unspezifische immunsupprimierende Eigenschaft und verändert nicht die Immunantwort auf Fremdantigen und die Phagozytose­aktivität wie die früher verwendeten Immunsuppressiva. Nachteilig ist die lange Latenzzeit von etwa 4 Monaten, bis die volle Wirkung eintritt.

 

Pharmakokinetik von Glatirameracetat

Der gelöste Inhalt der Durchstichflasche wird einmal täglich im Bauch, Oberschenkel, Oberarm oder Gesäß injiziert. Dieselbe Stelle sollte erst nach einer Woche wieder benützt werden. Patienten sollten die Durchstichflasche im Kühlschrank – aber nicht im Tiefkühlfach – aufbewahren, die Lösungsmittelampullen aber bei Zimmertemperatur. Dadurch wird die Injektion verträglicher. Die gebrauchsfertige Glatirameracetat-Lösung bleibt zwar etwa acht Stunden lang stabil, sollte aber besser unmittelbar nach Zubereitung gespritzt werden.

Glatirameracetat wird zur Reduktion der Schub­frequenz von ambulanten, gehfähigen MS-Patienten mit schubweise verlaufender, remittierender MS angewendet. Als Nebenwirkungen treten am häufigsten Hautreaktionen an der Einstichstelle wie Schwellung, Juckreiz, Rötung und Entzündung auf. Es kann weiters auch zu Gesichtsrötung, Herzrasen und Angstgefühl kommen.

Weitere Informationen:

https://www.nlm.nih.gov/medlineplus/druginfo/meds/a603016.html

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmedhealth/PMH0041276/

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25062935

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