Freitag, April 26, 2024

Genetisches Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen halbieren

Menschen, die nicht rauchen, sich gesund ernähren, körperlich aktiv und nicht fettleibig sind, erkranken deutlich seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wer sich gesund ernährt, nicht raucht, körperlich aktiv ist und Übergewicht vermeidet, hat ein um etwa fünfzig Prozent geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieses reduzierte Risiko besteht immer, also auch unabhängig davon, ob eine hohe oder niedrige genetische Disposition vorliegt. Dies ist das Ergebnis einer großen Untersuchung mit mehr als 55.000 Teilnehmern, die im New England Journal of Medicine veröffentlich wurde.

Aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) unterstreicht die Studie die Notwendigkeit nach einer Verhältnisprävention für chronische Erkrankungen: Die Politik müsse Lebensbedingungen so gestalten, dass gesundes Verhalten gefördert werde – etwa durch eine Umstrukturierung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel oder einer täglichen Stunde Sport in Kita und Schule.

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetespatienten zwei- bis dreimal so häufig

„Diabetespatienten leiden zwei- bis dreimal so häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie andere Menschen, und Herzinfarkt und Schlaganfall sind bei ihnen die häufigste Todesursache“, erklärt DDG Präsident Professor Dr. med. Baptist Gallwitz vom Universitätsklinikum Tübingen. Der Grund ist eine beschleunigte Verkalkung der Blutgefäße, für die nicht allein der erhöhte Blutzuckerspiegel verantwortlich ist. „Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes haben auch veränderte Blutfett-Werte, Bluthochdruck und massives Übergewicht“, sagt Gallwitz, „eine Konstellation, die wir zusammen mit dem erhöhten Blutzucker als metabolisches Syndrom bezeichnen.“

Auch viele Teilnehmer von drei Kohorten-Studien aus den USA und Schweden, deren Daten Forscher der Harvard Universität jetzt ausgewertet haben, hatten ein metabolisches Syndrom. Es kennzeichnete dort einen ungesunden Lebensstil, der mit einem erhöhten Risiko verbunden war, innerhalb von zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden. Bei vielen Teilnehmern der ARIC-Studie (Atherosclerosis Risk in Communities), MDCS-Studie (Malmö Diet and Cancer Study) und WGHS-Studie (Women’s Genome Health Study) kam noch eine genetische Vorbelastung hinzu. Sie wurde mit einem Test ermittelt, der 50 verschiedene genetische Risiken erkennen konnte.

Maßnahmen zur Verhältnisprävention, um einen gesunden Lebensstil zu fördern

Wie erwartet, erkranken Menschen, die nicht rauchen, sich gesund ernähren, körperlich aktiv und nicht fettleibig sind, deutlich seltener an einem Herzinfarkt. „Der günstige Einfluss eines gesunden Lebensstils war in der Studie aber auch bei Menschen nachweisbar, die ein erhöhtes genetisches Risiko hatten“, berichtet Gallwitz. Und dieser Einfluss war erheblich, wie die Daten belegen: In der ARIC-Studie erlitten 5,1 statt 10,7 Prozent der Teilnehmer mit einem erhöhten genetischen Risiko einen Herzinfarkt oder andere koronare Erkrankungen. In der WGHS-Studie sank die Rate von 4,6 auf 2,0 Prozent und in der MDCS-Studie von 8,2 auf 5,3 Prozent. Die Studie wurde kürzlich auf der Jahrestagung der amerikanischen Herzgesellschaft in den USA vorgestellt und im Fachjournal New England Journal of Medicine publiziert. „Das sind Ergebnisse, die auch vom Diabetes oder seinen Vorstufen betroffenen Menschen in Deutschland Mut machen sollten“, findet Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Vizepräsident der DDG. „Die Studie zeigt, dass jeder etwas gegen den Ausbruch einer Krankheit tun kann.“

Dabei sollten Staat und Gesellschaft die Menschen aktiv unterstützen. „Wir leben in einer Zeit, in der ungesunde kalorienreiche Nahrungsmittel oft kostengünstiger sind als gesunde Produkte“, stellt DDG Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlichs fest. „Der Staat sollte deshalb die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel senken und für stark zucker- und fetthaltige Produkte erhöhen.“ Wichtig sei zudem eine tägliche Stunde Sport für Kinder und Jugendliche. „Auch ein Verbot der Tabakaußenwerbung ist längst überfällig“, betont Garlichs. „Wenn wir chronische Krankheiten verhindern wollen, brauchen wir Maßnahmen zur Verhältnisprävention, die einen gesunden Lebensstil fördern“, so der DDG Geschäftsführer.

Literatur:

Amit V. Khera et al. Genetic Risk, Adherence to a Healthy Lifestyle, and Coronary Disease. New England Journal of Medicine 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1605086: www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1605086

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