Donnerstag, April 18, 2024

Gelenkinfektion mit oder ohne Endoprothese konsequent behandeln

Eine Gelenkinfektion – mit oder ohne Endoprothese – stellt eine schwerwiegende Komplikation dar, die frühzeitig diagnostiziert und konsequent behandelt werden muss.

Eine Gelenkinfektion – mit oder ohne einliegende Endoprothese – stellt eine äußerst schwerwiegende Komplikation dar, die frühzeitig diagnostiziert und konsequent chirurgisch und antibiotisch behandelt werden muss. Aufgrund der Pathophysiologie kommt es bereits nach 24 Stunden im Rahmen der Infektabwehr zu Einschwemmung von Enzymen, die bei ausbleibender Therapie zu einer irreversiblen Gelenkschädigung führen. Bei einliegenden Kunstgelenken erfolgt in wenigen Stunden die Besiedlung mit Keimen, die innerhalb kurzer Zeit beginnen, einen sogenannten Biofilm zu bilden. Der Biofilm führt zu einem Schutz der Bakterien vor der körpereigenen Immunabwehr und vor Antibiotika.

 

Gelenkinfektion sinnvoll konsequent chirurgisch therapieren

Eine Diagnose ist bei Infektverdacht zu erzwingen, eine sinnvolle konsequente chirurgische Therapie hat zügig zu erfolgen. Leider sieht die Realität anders aus. Bei der Nachuntersuchung von 84 Patienten mit Entzündungen des Kniegelenkes konnte festgestellt werden, dass die Anzahl der durchgeführten Voroperationen vor Verlegung durchschnittlich 4,5 (null bis zwölf) betrug, mit einer Dauer der Vorbehandlung von im Schnitt 90 Tagen (elf bis 600 Tage). Ähnliche Ergebnisse ergaben sich bei den 90 untersuchten Patienten, die unter einer Schulter-Gelenkinfektion litten. Die Anzahl der Voroperationen vor Verlegung betrug im Schnitt 5,5 (1– >20) mit einer durchschnittlichen Dauer der Vorbehandlung von 123 Tagen. Derartig lange Behandlungszeiten ohne Erreichen einer Infektberuhigung vor Verlegung in ein Zentrum für Septische Chirurgie ist nicht akzeptabel.

Denn eine Gelenkinfektion kann dann häufig so weit fortgeschritten sein, dass irreversible Schäden an Knorpel und Knochen vorliegen. Auch die Hautweichteile sind durch die mehrmaligen Voroperationen geschädigt, die Wundheilung im Verlauf erschwert. Bei Infekten mit einliegenden Endoprothesen ist bei verzögerter korrekter operativer Therapie der Prothesenerhalt nicht mehr möglich. Hinzu kommt für den Patienten ein Vertrauensverlust in die Behandler sowie eine zunehmende soziale und private Isolierung. Die Kosten der Behandlung für die Kostenträger steigen erheblich an.

 

Dauerhafte Infektberuhigung bei Gelenkinfektion

Ziel der Therapie einer Gelenkinfektion ist die dauerhafte Infektberuhigung und der Erhalt eines stabilen Gelenkes sowie einer belastungsfähigen Extremität. Ein radikales Debridément des Gelenkes und Einlage lokaler Antibiotikumträger müssen zeitnah durchgeführt werden. Lediglich bei einer akuten Gelenkinfektion – in den ersten sieben Tagen – ist eine arthroskopische Behandlung sinnvoll. Danach muss das Gelenk richtig eröffnet werden, um durch radikales Vorgehen eine dauerhafte Infektberuhigung erreichen zu können. Direkt nach der OP beginnt die intensive krankengymnastische Behandlung unter schmerztherapeutischer Betreuung, um langfristig eine gute Funktion des Gelenkes zu erhalten.

Bei der akuten Protheseninfektion (das heißt in den ersten vier Wochen nach Implantation) kann die Prothese erhalten werden, wenn sie ungelockert einliegt. Bei einer chronischen periprothetischen Gelenkinfektion stellt sich die Situation anders dar. Die einliegende Prothese muss ausgebaut werden. Sobald der Infekt sich beruhigt hat, wird nach sechs bis acht Wochen ein neues künstliches Gelenk eingebaut.

Bei den oben aufgeführten Patienten mit Schulter- und Knie-Gelenkinfektion konnte bei uns in über 90 Prozent der Fälle durch einen operativen Eingriff die dauerhafte Infektberuhigung erreicht werden.

Patienten, die unter einer Gelenkinfektion leiden – unabhängig davon, ob mit oder ohne Endoprothese –, sollten zeitnah in ein entsprechendes Zentrum für Septische Chirurgie verlegt werden. Hier findet sich eine hohe Expertise in der Behandlung der komplexen Krankheitsbilder, eine Vorhaltung besonderer personeller und apparativer Ressourcen sowie geschultes Personal aller in der Behandlung eingebundenen Berufsgruppen (Ärzte/Pflege/Physiotherapie/Ergotherapie).

Quelle: Vortrag von Dr. med. Ulf-Joachim Gerlach im Rahmen der PK zur MEDICA EDUCATION CONFERENCE 2015.

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