Mittwoch, April 17, 2024

Die gelenkerhaltende Hüftchirurgie vor Gelenkersatz

In den letzten Jahrzehnten konnte die gelenkerhaltende Hüftchirurgie große Langzeiterfolge erreichen.

Der Gelenkverschleiß (Arthrose) zählt zu den häufigsten Gesundheitsschäden in der westlichen Welt und führt zu erheblichen Kosten im Gesundheitssystem. Überwiegend sind davon Menschen ab dem 60. Lebensjahr betroffen, durch Fehlbildungen oder unfallbedingt kann die Arthrose jedoch auch bei deutlich jüngeren Menschen auftreten. Im fortgeschrittenen Stadium ist bei ausgeschöpfter konservativer Therapie dann häufig ein Gelenkersatz (Endoprothese) erforderlich, um Lebensqualität und körperliche Aktivität für die Betroffenen wiederherstellen zu können. In den letzten Jahrzehnten konnten aber vor allem auch die gelenkerhaltende Hüftchirurgie herausragende Langzeiterfolge erreichen.

 

Knorpelschäden behandeln

Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte aller Arthrose-Fälle ohne erkennbare Ursache entsteht. Bei den Fällen, bei denen sich die Arthrose allerdings infolge anlagebedingter Fehlstellungen oder unfallbedingter Vorschäden entwickelt, ist es häufig möglich, die zugrunde liegenden Ursachen zu behandeln.

Am Kniegelenk sind dies in erster Linie Achsfehlstellungen mit O- oder X-Beinen, die durch Umstellungsoperationen (Osteotomien) korrigiert werden können. Außerdem können Bandschäden (zum Beispiel ein Riss des vorderen Kreuzbandes) oder Risse im Meniskus zu Instabilität, Fehl- und Überlastung führen. Deshalb ist die bestmögliche Rekonstruktion dieser Strukturen im Verletzungsfall zugleich die optimale Arthrose-Prophylaxe.

Wenn dennoch Knorpelschäden entstehen, könnte man diese in frühen Stadien ebenfalls erfolgreich behandeln. Und zwar etwa durch eine Knorpeltransplantation. Bei diesem Verfahren züchtet man körpereigene Knorpelzellen in einer Trägersubstanz an und bringt sie in den Knorpeldefekt ein. Gerade auf diesem Gebiet hat die Forschung in den letzten Jahren neue Möglichkeiten zur Behandlung in Form stabilerer Trägersubstanzen oder zellfreier, minimalinvasiver Therapien hervorgebracht.

 

Gelenkerhaltende Hüftchirurgie und seine Langzeiterfolge

In den letzten Jahrzehnten konnten die gelenkerhaltende Hüftchirurgie herausragende Langzeiterfolge erreichen. In diesem Sinne standen unlängst die 30-Jahres-Ergebnisse einer Korrektur-Osteotomie der Hüftpfanne, der periazetabulären Osteotomie (PAO) nach Ganz, im Blickpunkt. Die nachträgliche Untersuchung umfasste die ersten 63 Patienten. Dabei analysierte man 75 operierte Hüftgelenke, die der Entwickler der Methode, Professor Reinhold Ganz, in den Jahren 1984 bis 1989 in Bern mit einer PAO versorgte.

Alle Patienten zwischen 13 und 56 Jahre litten vor der gelenkerhaltenden Hüftchirurgie an schmerzhaften, dysplastischen Hüftgelenken. Ein Viertel von ihnen hatten sogar fortgeschrittene Arthrosen.

Unter dem Strich waren 30 Jahre nach dem Eingriff ein Drittel der operierten Hüftgelenke noch erhalten und funktionsfähig. Wobei man 60 Prozent der Hüften in den letzten Jahren mit einer Hüft-Endoprothese versorgen musste. Das Fazit der Studie war, dass man auch schwere Dysplasiefälle mit der PAO zuverlässig korrigieren kann. Je geringer der präoperative Schweregrad der Arthrose ist, desto länger – im Idealfall lebenslang – kann man das Gelenk erhalten.

 

Überwiegend arthroskopische Technik im Einsatz

Auch andere Vorstufen der Hüftarthrose, wie zum Beispiel die Hüfterkrankung femoroazetabuläres Impingement, kann man heute – überwiegend in arthroskopischer Technik – zuverlässig behandeln. In ausgewählten Fällen wird inzwischen sogar die Knorpeltransplantation am Hüftgelenk erfolgreich eingesetzt.

Bei vielen Patienten kann dank dieser Verfahren das Voranschreiten der Arthrose verzögert und eine gute Gelenkfunktion für lange Zeit aufrechterhalten werden. Um Gelenk-Patienten situationsadäquat und individuell korrekt behandeln zu können, sollten orthopädisch-unfallchirurgische Kliniken heute das gesamte Spektrum der gelenkerhaltenden und gelenkersetzenden Verfahren in Perfektion beherrschen. Wann immer möglich und sinnvoll gilt der eherne Grundsatz: Gelenkerhalt vor Gelenkersatz.


Quelle:

Statement » Gelenkerhalt vor Gelenkersatz: Gelenkfunktionen wirkungsvoll erhalten « von Professor Dr. med. Heiko Reichel, Kongresspräsident des DKOU 2016, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm am RKU anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie DKOU 2016.

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