Dienstag, April 16, 2024

Gefäßsklerose, Arteriosklerose: Intima-media-Veränderung im Körper

Die Gefäßsklerose ist eine generalisierte irreversible Intima-media-Veränderung des Menschen, die gemeinsam mit atheromatösen Plaques auftreten kann.

Bei gemeinsamen Auftreten mit atheromatösen Plaques wird die Gefäßsklerose unter dem Begriff Arteriosklerose (weitergeleitet Atherosklerose) subsummiert. Arteriosklerose beschreibt die Verdickung und Verhärtung der Arterienwand. Ursachen der Gefäßsklerose sind in erster Linie Diabetes im Sinne makrovaskulärer Veränderungen sowie die arterielle Hypertonie. Die reversible Vorstufe dieser pathologischen Veränderungen ist ebenfalls eine Systemerkrankung, die »endotheliale Dysfunktion«.

Die Kenntnis dieser vaskulären Veränderungen hilft dem Behandelnden wesentlich bei einer effektiven medikamentösen The­rapie und vermeidet die isolierte Behandlung von Laborwerten.



Auch physiologisch nehmen mit zunehmendem Alter die elas­tischen Fasern der Gefäßwand ab und kollagene Fasern zu. Beim älteren Menschen stellt sich deshalb der Aortenbogen radiologisch dichter dar, wie die Aortenbogensklerose mit Verminderung der Windkesselfunktion. Peripher-arteriell sind entsprechende plethysmographische Veränderungen nachzuweisen (s.u.).

 

Arteriosklerose, dysfunktionale Endothelzelle

Der Befall anderer Wandabschnitte – in erster Linie die Mediasklerose – ist nicht für den Menschen spezifisch und fällt unter den Überbegriff Arteriosklerose. Betroffen sind davon vor allem ältere Menschen und Diabetiker; die Erkrankung ist unabhängig von Intima-Veränderungen. An der unteren Extremität wird dadurch der ABI falsch hoch gemessen (Perfusionsdruck oft > 300mm Hg).

Die dysfunktionale Endothelzelle ist durch eine verminderte NO-Produktion gekennzeichnet. Bei Mangel an NO (ehemals als Hormon EDRF bezeichnet) ist die Vasodilatation reduziert; es besteht erhöhte Gefahr für intravasale Thromben/die Freisetzung von Adhäsionsmolekülen sowie eine Aktivierung der Hypertrophie glatter Muskelzellen. Oft ist eine erektile Dysfunktion (ED) das erste Symptom dieser Erkrankung.

Die Herzkranzgefäße sind von diesen Veränderungen in gleicher Weise betroffen, sodass durch Messung der endothelialen Dysfunktion (derzeitiger Goldstandard: flussmediierte Dilatation der A. brachialis) – in Zusammenschau mit den anderen Risikofaktoren –auch das koronare Risiko ermittelt werden kann.

 

IVUS – endovaskulärer Ultraschall

Die mittels IVUS (= endovask. Ultraschall) vom Lumen her einsehbaren Kranzgefäße zeigen bei Fortschreiten der Erkrankung eine Zunahme der Wanddicke (ED geht in irreversibles Stadium über); diese Veränderungen reichen von konzentrisch-fibrotisch verdickten Gefäßwänden bis zu exzentrischen Lumeneinengungen durch Fibroatherome.

In einer weiteren Entwicklung des IVUS, der virtuellen Histologie, können fibrotische Veränderungen durch spezielle Farbcodierung (in der Regel grün) exakt dargestellt und von fettig-degenerativen, d.h. rupturgefährdeten Veränderungen unterschieden werden. Bei höhergradigen konzentrischen oder exzentrischen Wandverdickungen droht vor allem in Koronar- und Extremitätenarterien bei Embolie oder Plaqueruptur letztlich der akute Gefäßverschluss.

Auch die linksventrikuläre Hy­pertrophie wird als entsprechender Risikofaktor gewertet; die Umbauvorgänge am Myokard (Muskelhypertrophie, Fibrosierung, etc.) sind mit jenen am Gefäßsystem vergleichbar.

Auch genderspezifische Unterschiede gewinnen zunehmend an Bedeutung. Kardiale Ereignisse bei Frauen sind durch – üblicherweise – kleinere Kranzgefäße, stärkere fibrotische Veränderungen und eine häufiger auftretende endotheliale Dysfunktion bedingt. Letztere bedingt bei Frauen auch die häufigere Raynaud-Symptomatik und andere Gefäßspasmen, wie Migräne oder das Syndrom X (= Angina pectoris-Anfälle bei radiomorphologisch unauffälligen Koronarien).

Die Transplantat-Vaskulopathie ist ebenfalls durch eine konzentrische homogene und überwiegend fibrotische Intima-Hyperplasie gekennzeichnet. Ursachen sind hier allerdings Reperfusionsschäden bzw. chronische humoral-immunologische Reaktionen. Ab einer Intima-Dicke der Koronarien >/= 0,5mm ist hier mit schwerwiegenden Ereignisse zu rechnen.



 

Für die herkömmliche Sonografie gut zugänglich sind vor allem die extrakraniellen Carotiden.

Eine bei dieser Untersuchung >= 1 mm gemessenen Intima-Mediadicke (IMD) ist als pathologisch zu werten und mit einer deutlichen Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert. In Europa wird als Messpunkt der Übergang von distaler ACC zum Bulbus caroticus herangezogen.

Die IMD wird als solche bezeichnet, da sonografisch Intima und Media nicht differenziert werden können. Für die Dickenzunahme ist jedoch ausschließlich die Intima verantwortlich. Neben homogen-gleichmäßigen Verbreiterungen (siehe Einstiegsabbildung) können sich patientenspezifisch auch (umschriebene) Wandverdickungen unterschiedlicher Echodichte, sklerotische (echodichtere) Wandeinlagerungen oder Intimaverkalkungen finden.

Übergänge zu Endothelabhebungen und Plaquebildung sind fließend. Bei oft milden Formen des metabolischen Syndroms hilft diese Untersuchung bei der Entscheidung, ob die Einleitung längerfristiger medikamentöser Maßnahmen sinnvoll ist. Die Untersuchung eignet sich sehr gut zur Überprüfung bei Verlaufskontrollen, ob eine gute RR- bzw. Diabetes-Einstellung gegeben ist.

 

Peripher-arterielle Messungen

Peripher-arterielle Messungen sind am einfachsten durchzuführen und auf dem Weg zur Routine-Etablierung. Diente früher die Oszillographie nur zur Ermittlung der oszillatorischen Indices und Diagnose einer relevanten pAVK, können heute die Druck-Puls-Kurven so aufgezeichnet werden, dass sie von plethysmographischen Kurven nicht mehr unterschieden werden können. Die Beurteilung der dikroten Welle – und zwar Ausprägung und Abstand zur sys­tolischen Fluss-Spitze – liefert ein Maß für die Elastizität der Gefäßwände (je höherliegend die Dikrotie, desto schlechtere Wandelastizität). Über eine au­tomatische Auswertung werden Reflexions- und Stiffnessindex berechnet, der altersentsprechende Elastizitätsverlust muss aber berücksichtigt werden.

Ist durch EKG-Triggerung auch die Pulswellengeschwindigkeit bekannt, kann über entsprechende Software sowohl die zentrale Pulskurve als auch der Augmentationsindex ermittelt werden. Die mittels peripherem Doppler gefundene Puls-Geschwindigkeitskurve liefert über den Resistence-Index (= v systol. – v diast./v systol) Hinweise für eine bestehende Gefäßsklerose, wobei diese für den Geübten bereits akustisch erkennbar ist.

Eine vereinfachte Aussage ist mit der RR-Messung möglich (Pulsdruck = systolischer RR – diastolischer RR). Idealerweise sollte der Pulsdruck </= 50 liegen, keinesfalls aber über 65mmHg erhöht sein (DD: durch Aorteninsuffizienz ähnlich hoher Pulsdruck, aber andere Ursache!). Der Pulsdruck (PP) ist ein eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor: Neben dem erhöhten Risiko einer Plaqueruptur werden auch mi­krovaskuläre Schäden verursacht. In gut perfundierten Organen wie Gehirn und Niere setzen die Gefäße kaum Widerstand entgegen, sodass sich die hohen Pulswellen bis in die Mikrozirkulation fortsetzen.



 

Mechanismus des erhöhten Augmentationsindex

Durch die sklerotischen Gefäßwände ist die Elastizität vermindert und die rücklaufende Pulswelle trifft rascher beim Herzen ein (zentrale Geschwindigkeitswerte > 12m/ sec sind sicher pathologisch). Während diese Welle physiologischerweise während der Dias­tole eintrifft (u.a. für die Perfusion der Koronargefäße wichtig), ist sie bei der Gefäßsklerose in die Sys­tole verlagert und führt zu zentral erhöhten systolischen RR-Werten (Druck-Augmentation; mit dem Augmentationsindex erfasst: AIx pathologisch > 30%).

Daraus resultierten ein erhöhtes Insult-Risiko, eine kompensatorische Hypertrophie des Myokards und eine verminderte Koronarperfusion mit allen weiteren ungünstigen Konsequenzen. Durch diese Kenntnis hat sich eine völlig neue Bewertung der RR-Medikation ergeben. Beispielsweise zeigte sich unter Einnahme von Atenolol durch periphere Vasokonstriktion eine deutliche systolische zentrale Drucksteigerung.

Bei neueren Betablockern fehlt derzeit noch eine eindeutige prognostische Aussage. Es wird aber bei allen Betablockern die linksventrikuläre Auswurfzeit verlängert und somit die systolische Fluss-Spitze an die rücklaufende Welle angenähert. Die Ausnahme: Nur die Kombination Carvedilol + HCT ist nachgewiesen günstig bei hohem Pulsdruck, evtl. auch Nebivolol.

 

ACE-Hemmer und Sartane bei Gefäßsklerose

Aufgrund dieser Überlegungen und der auch günstigen Wirkung auf das Endothel bei Gefäßsklerose sollten bei Hypertonie für diese Patienten ACE-Hemmer und Sartane als Medikamente der 1. Wahl eingesetzt werden.

Auch vaskuläre Veränderungen der Niere müssen als generalisierte Gefäßerkrankung betrachtet werden. GRF-Werte < 60ml/ min bzw. Mikroalbuminurie gehen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher. Durch renales Recycling der Albumine werden Fettsäuren freigesetzt, welche Entzündung und Fibrosierung der Nierengefäße bewirken.

Erhöhte Angiotensin-II-Spiegel bei Hypertonie bewirken glomeruläre Fibrose und Proliferation; jedoch nicht nur hier, sondern auch an den anderen Gefäßen.




Literatur:

Gary F. Mitchell , Janet T. Powell. Arteriosclerosis. A Primer for “In Focus” Reviews on Arterial Stiffness.
Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology. 2020;40:1025–1027. Originally published 22 Apr 2020. https://doi.org/10.1161/ATVBAHA.120.314208

Roma Pahwa; Ishwarlal Jialal. Atherosclerosis. StatPearls [Internet]. Last Update: November 6, 2019.

Bergheanu SC, Bodde MC, Jukema JW. Pathophysiology and treatment of atherosclerosis. Current view and future perspective on lipoprotein modification treatment. Neth Heart J. 2017;25(4):231–242. doi:10.1007/s12471-017-0959-2


Quellen:

Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Diagnose und Therapie der peripheren arteriellen Erkrankungen – https://leitlinien.dgk.org/stichwort/atherosklerose/

Gefäßsklerose. OA Dr. Roman A. Blauensteiner. MEDMX 5/2008

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