Samstag, April 20, 2024

Freie-Elektronen-Laser SwissFEL

Dank der im Dezember 2016 am PSI in Würenlingen eröffneten SwissFEL-Anlage können Forschende nun in der Schweiz ihre Experimente durchzuführen.

Vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschenden gelang es erstmals, eine Fotosynthese-Reaktion mit Röntgenstrahlen präzise nachzuverfolgen und damit einen Film des Geschehens zu produzieren. Die Erkenntnisse helfen ähnliche Vorgänge im menschlichen Auge zu verstehen. Dank dem neuen Teilchenbeschleuniger SwissFEL am Paul Scherrer Institut darf mit mehr Erkenntnissen gerechnet werden.

Nicht nur Pflanzen und Algen betreiben Fotosynthese. Auch gewisse Bakterien können die Energie des Sonnenlichts für Wachstum und Fortpflanzung nutzen. Vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Forschenden ist es nun gelungen, Vorgänge mit atomarer Auflösung aufzuzeichnen, die sich in einer lichtgetriebenen molekularen Pumpe von purpurroten Halobakterien abspielen. Sie konnten damit die genaue Funktionsweise dieser Pumpe klären, die während Jahren für intensive Debatten sorgte (*). Die Erkenntnisse werden auch helfen, die diesem Protein ähnlichen Fotorezeptoren im menschlichen Auge besser zu verstehen.

Mit einer neuen Technik ist es einer internationalen Gruppe von Forschenden vom Paul Scherrer Institut (PSI), aus Japan, Schweden, Frankreich gelungen, die physikalischen und chemischen Abläufe aufzuzeichnen, die sich innerhalb von wenigen Tausendstel einer Millionstelsekunde (Nanosekunde) abspielen. Damit konnten sie einen Film produzieren, der die Vorgänge Atom für Atom innerhalb der Pumpe namens Bacteriorhodopsin rekonstruiert, nachdem sie durch eintreffendes Licht aktiviert wurde.

Dafür wurden rund zwei Millionen kleiner Proteinkristalle mit dem Freie-Elektronen-Laser SACLA in Japan untersucht, der sehr kurze und starke Blitze aus Röntgenlicht auf die Proben schiesst und damit einen präzisen Augenblick aufzeichnen kann. „Es ist wie ein Stroboskop-Blitzgerät“, erklärt der Biophysiker und Leiter der Forschungsgruppe serielle Kristallographie Jörg Standfuss. „Im Gegensatz zu einer Taschenlampe kann es ganz kurze Momente eines Bewegungsablaufs im Dunkeln sichtbar machen.“ Die enorm kurzen Lichtblitze erlauben es, Daten aufzuzeichnen, bevor die Proben durch die starken Röntgenstrahlen zerstört werden. Dank der am 5. Dezember 2016 am PSI in Würenlingen eröffneten SwissFEL-Anlage müssen die Forschenden aus der Schweiz nicht mehr um die Welt reisen, um ihre Experimente durchzuführen (siehe Kasten: Die kürzesten Röntgenblitze der Welt).

Molekulare Krücken für fehlerhafte Fotorezeptoren

Die Erkenntnisse aus der bakteriellen Pumpe haben ihr Anwendungspotential in unterschiedlichen Gebieten. So verwenden beispielsweise Forschende in der Neurobiologie ähnliche Pumpen, um bestimmte Nervenzellen im Gehirn von Versuchstieren mit Lichtpulsen gezielt an- und abzuschalten (Optogenetik).

Forschungsgruppen am PSI studieren schon länger mit Unterstützung des SNF die Fotorezeptoren im menschlichen Auge. „Das Sehen ist unser wichtigster Sinn und auch unsere innere Uhr wird von solchen Rezeptoren im Auge justiert“, sagt Gebhart Schertler, Biochemiker und Leiter des Bereichs für Biologie und Chemie. Mutationen in diesen Lichtrezeptoren haben vergleichbare Effekte auf die Funktionsweise wie in den bakteriellen Pumpen. Leichte Fälle können Nachtblindheit verursachen, während andere zu einer Degeneration der Netzhaut (Retinitis pigmentosa) führen, die in einer vollständigen Blindheit endet. „Verschiedene Therapieansätze sind schon vorgeschlagen worden, aber bisher ist keiner davon auf den Markt gelangt“, so Schertler.

Die Resultate der Forschungsarbeiten am PSI aus früheren Analysen dieser Fotorezeptoren flossen in eine Zusammenarbeit mit der Firma Roche. Das Ziel: Wirkstoffe finden und weiterentwickeln, die als Krücke dienen können, um die fehlerhafte Funktion dieser Netzhautproteine zu kompensieren. Erste Ergebnisse dieser Suche sollten demnächst publiziert werden. Damit ist man zwar noch weit weg von einem konkreten Medikament, verfügt aber über vielversprechende Resultate.

> Animationsfilm über die Methode der serial crystallography

(*) Nango E. et al (2016). A three-dimensional movie of structural changes in bacteriorhodopsin. Science online. doi: 10.1126/science.aah3497

* * * * * *

Die kürzesten Röntgenblitze der Welt

Am 5. Dezember 2016 ist am PSI in Würenlingen der 740 Meter lange Freie-Elektronen-Laser SwissFEL in Betrieb genommen worden. Es ist nach den USA und Japan die dritte vergleichbare Anlage weltweit, um mit linear beschleunigten Elektronen kurze, präzise und intensive Röntgenblitze zu erzeugen. Drei weitere befinden sich im Bau. Das SwissFEL ist die kleinste und günstigste dieser Anlagen und produziert gleichzeitig extrem kurze Lichtblitze: ein Tausenstel eines Millionstel einer Millionstelsekunde (Femtosekunde). Damit können chemische und biochemische Reaktionen in atomarer Auflösung beobachtet werden, die in extrem kurzen Zeiträumen ablaufen. Dies ermöglicht Einblicke in die Abläufe von biologischen Systemen mit einer bis anhin nicht bekannten Präzision. Darüber hinaus können neue Materialien für miniaturisierte Elektronik untersucht und Katalysatoren optimiert werden. Der SNF unterstützt seit Jahren Forschungsprojekte mit Freie-Elektronen-Lasern und hat so massgeblich dazu beigetragen, dass Schweizer Forscher die notwendige Expertise für Spitzenforschung am SwissFEL aufbauen konnten.

> SNF-Forschung für das SwissFEL (PDF)

> SwissFEL auf www.psi.ch

Zwei Medizin-Startups für Röntgenanalyse

Die Kenntnis der genauen Struktur von Proteinen ist für die Entwicklung neuer Medikamente nützlich. Auch zwei aus dem PSI entstandene Startup-Firmen können in Zukunft die hohe Präzision des SwissFEL nutzen und in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie neue Wirkstoffe entwickeln. Beide wurden mit Hilfe von Gebhard Schertler, Professor für Strukturbiologie an der ETH Zürich und Leiter des Bereichs für Biologie und Chemie am PSI, gegründet und durch SNF-Projekte an Jörg Standfuss unterstützt.

> Firma LeadXpro sucht und optimiert Wirkstoffe, die an Membranproteine binden

> Firma InterAx Biotech analysiert spezifische Zustände von Membranproteinen

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