Freitag, April 19, 2024

Hohes Risiko für Herzkrankheiten: Frauen reagieren sensibler auf Stress

Stress im Alltag wirkt sich bei Frauen sehr ungünstig aus und begünstigt Herzkrankheiten, wobei Diagnose und Therapie oft komplizierter als bei Männern ist.

Während Männer in den vergangenen zwanzig Jahren seltener an Herzinfarkten versterben, ist das tödliche Risiko vor allem für jüngere Frauen angestiegen. Die sogenannte Gendermedizin konnte bereits aufzeigen, dass Frauen andere Symptome aufweisen. Eine neuere Erkenntnis ist, dass sich Stress im Alltag auf Frauen besonders ungünstig auswirkt und sie dadurch eine deutlich höheres Risiko haben, Herzkrankheiten zu entwickeln.



 

Wie sehr psychosozialer Stress Frauen beeinträchtigen uns Herzkrankheiten begünstigen

Frauen neigen allgemein dazu, aus Sorge um die Vernachlässigung des Haushaltes nach Operationen und Krankheiten keine Rehabilitationskuren in Anspruch zu nehmen. © Dundanim / shutterstock.com
Frauen neigen allgemein dazu, aus Sorge um die Vernachlässigung des Haushaltes nach Operationen und Krankheiten keine Rehabilitationskuren in Anspruch zu nehmen. © Dundanim / shutterstock.com

Wie sehr psychosozialer Stress die Herz-Gesundheit bei Frauen beeinflusst und Herzkrankheiten begünstigt, hat man bisher unterschätzt. Die mehrfache Belastung durch Beruf, Haushalt und häusliche Pflege von Angehörigen bedingen Stresssymptome, die sich organisch in Frauenherzen manifestieren können.

Studien haben gezeigt, dass vor allem Migrantinnen eine hohe Gefährdung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. Neben Übergewicht und Diabetes spielen hier auch posttraumatische Belastungsstörungen eine größere Rolle.

Zur akuten Entlastung raten Experten Frauen dazu, Erholungsphasen aktiv in den Alltag einzubauen und auf ausreichende körperliche Aktivität zum Stressabbau zu achten. Dazu können auch Wellness-Angebote und Stressreduktionsprogramme beitragen, wie es sie in Frauengesundheitszentren gibt.

Beispielsweise ergaben Studien, dass Frauen tatsächlich von solchen Anwendungen, wie Entspannungstherapien, Massagen etc. entlastet werden. Und dass sie nach einer derartigen Behandlung bessere Werte aufweisen. Sinnvoll wäre es auch, mehr ambulante Angebote im Rehabilitations-Bereich zu etablieren.

Frauen neigen allgemein dazu, aus Sorge um die Vernachlässigung des Haushaltes nach Operationen und Krankheiten keine Rehabilitationskuren in Anspruch zu nehmen.

 



 

Frauenherzen weisen andere Symptome auf

Man weiß heute längst, dass Frauen medizinisch anders ticken als Männer. Dies wirkt sich auf die richtige Erkennung von Symptomen ebenso aus, wie auf die passenden therapeutischen Maßnahmen. Etwa im Fall des Herzinfarkts kam es bei Frauen oft zu Fehldiagnosen, weil ihr Körper sehr oft andere Alarmsignale sendet als der männliche.

 

Risikofaktoren wie wirken sich auf Frauenherzen dramatischer aus

Verantwortlich für die höhere Sterblichkeitsrate sind bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, erhöhte Blutfette, niedriges HDL-Cholesterin, hoher Blutdruck, Diabetes, Bauchfett und Bewegungsmangel. Die meisten davon wirken sich bei Frauen dramatischer aus als bei Männern.

Dazu kommen geschlechtsspezifische Risiken für Frauenherzen wie etwa irreguläre Zyklen, eine frühe Menopause, Schwangerschaftskomplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes oder eine Schwangerschaftsvergiftung, die Pille oder Hormonersatztherapien.

Bei Erkrankungen von Frauenherzen ist auch öfters mit Diabetes als Grunderkrankung assoziiert. © Robert Kneschke / shutterstock.com
Bei Erkrankungen von Frauenherzen ist auch öfters mit Diabetes als Grunderkrankung assoziiert. © Robert Kneschke / shutterstock.com

Frauen haben bei Herz-Kreislauferkrankungen auch öfters Diabetes als Grunderkrankung, wodurch das Risiko eines Herzinfarktes deutlicher als bei Männern erhöht wird. Nach der Menopause steigt der Blutdruck generell an und die Blutfette und die Körperfettverteilung ändern sich tendenziell ungünstig, was das Risiko ebenfalls zusätzlich erhöht.

Frauen haben bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine andere Altersverteilung, andere Cluster von Risikofaktoren und auch die Gefäßveränderungen am Herzen unterscheiden sich morphologisch.

Außerdem ist die Diagnosestellung und Therapie oft schwieriger: Untersuchungen wie ein EKG oder eine Ergometrie sind weniger aussagekräftig, selbst die Herzinfarkt-Blutmarker könnten bei Frauen durch neue spezifische Grenzwerte verbessert und neue geschlechtsspezifische Biomarker etabliert werden.

 



Beim akuten Koronarsyndrom haben Frauen oft eine nicht-obstruktive, funktionelle Koronararterienerkrankung und bei der Herzschwäche eine Störung der Füllfunktion des Herzens mit erhaltener Auswurfsleistung im Vergleich zu Männern. Für beide Erkrankungsformen sind die Langzeitergebnisse prinzipiell etwas besser, aber es liegen weniger Studien und Leitlinien zur Behandlung vor.

Die Chronische ischämische Herzkrankheit, koronare Herzkrankheit (KHK), ist eine Erkrankung, bei der es zu einer Sauerstoff-Minderversorgung des Herzmuskels kommt. Und zwar aufgrund einer Verengung der Koronararterien (Herzkranzgefäße).

Eine rezente Studie bestätigte, dass eine ischämische Herzkrankheit ein unabhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit bei Frauen mit Herzinsuffizienz ist. Schließlich sollte man Frauen mit Herzinsuffizienz sorgfältiger behandeln, um eine dementsprechende schlechte Prognose zu vermeiden.

 

PCSK9-Hemmer für Frauenherzen

PCSK9-Hemmer für Frauenherzen eine gute Option. Medikamente wirken bei Frauen anders als bei Männern. Wenn ein Herzinfarkt droht, verordnet der Arzt oft Statine als Cholesterinsenker, um riskante Gefäßverkalkungen zu vermeiden. Frauen erreichen die LDL-Cholesterinzielwerte weniger oft und vertragen diese Medikamente außerdem häufig nicht so gut wie Männer.

Nach vielen Jahren ist endlich wieder eine völlig neuer Therapieansatz zur Cholesterinsenkung auf dem Markt, wobei die Studiendaten selten so beeindruckend war wie nun bei den PCSK9-Hemmer. © Creative Commons / Wikimedia
Nach vielen Jahren ist endlich wieder eine völlig neuer Therapieansatz zur Cholesterinsenkung auf dem Markt, wobei die Studiendaten selten so beeindruckend war wie nun bei den PCSK9-Hemmer. © Creative Commons / Wikimedia

Abhilfe könnte eine erst im Vorjahr in Europa zugelassene Klasse von Medikamenten auf Antikörper-Basis schaffen, die sogenannten PCSK9-Hemmer. Während Statine verhindern, dass LDL-Cholesterin entsteht, indem sie ein dafür benötigtes Eiweiß blockieren, regen PCSK9-Hemmer Leberzellen an, verstärkt LDL aus dem Blut zu entfernen. Das Arzneimittel muss regelmäßig unter die Haut gespritzt werden.




Literatur:

Kim HJ, Kim MA, Kim HL, et al. Gender Difference in the Impact of Ischemic Heart Disease on Heart Failure [published online ahead of print, 2020 Apr 15]. Eur J Clin Invest. 2020;e13232. doi:10.1111/eci.13232

Kautzky-Willer A. Gendermedizin. Geschlechtsspezifische Aspekte in der klinischen Medizin [Gender medicine. Sex- and gender-specific aspects of clinical medicine]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2014;57(9):1022–1030. doi:10.1007/s00103-014-2011-7

Baggio G, Corsini A, Floreani A, Giannini S, Zagonel V. Gender medicine: a task for the third millennium. Clin Chem Lab Med. 2013;51(4):713–727. doi:10.1515/cclm-2012-0849

The EUGenMed, Cardiovascular Clinical Study Group, Vera Regitz-Zagrosek, Sabine Oertelt-Prigione, Eva Prescott, Flavia Franconi, Eva Gerdts, Anna Foryst-Ludwig, Angela H.E.M. Maas, Alexandra Kautzky-Willer, Dorit Knappe-Wegner, Ulrich Kintscher, Karl Heinz Ladwig, Karin Schenck-Gustafsson, Verena Stangl. Gender in cardiovascular diseases: impact on clinical manifestations, management, and outcomes. European Heart Journal, Volume 37, Issue 1, 1 January 2016, Pages 24–34, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehv598


Quelle:

Meduni Wien – http://www.meduniwien.ac.at/hp/gender-medicine/

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