Dienstag, April 16, 2024

Mit starker Wirkung von Fentanyl gegen chronische Schmerzen

Die starke Wirkung von Fentanyl eignet sich vor auch allem gegen chronische Schmerzen, die man nur mit Opioidanalgetika wirksam und längerfristig behandeln kann.

Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das der Mediziner, Chemiker und Gründer von Janssen Pharmaceutica, Dr. Paul Janssen, im Jahr 1960 entwickelte. Das Opiat mit starker Wirkung gegen (auch chronische) Schmerzen ist heute vor allem als Schmerzpflaster sehr bekannt. Denn Fentanyl wird als Schmerzmittel in der Anästhesie bei Narkosen sowie mit seiner starken Wirkung gegen akute und chronische Schmerzen bei Erwachsenen und Kindern ab 2 Jahren eingesetzt.

 

Chronische Schmerzen mit der starken Wirkung von Fentanyl begegnen

Fentanyl als Opioat der dritten WHO-Schmerzskalastufe wirkt als Agonist am μ-Opioidrezeptor auf spinaler und supraspinaler Ebene und kommt vor allem bei Schmerzen zur Anwendung, bei denen nur mit diesen Opioidanalgetika – von denen Fenatnyl eines der am stärksten wirksamsten ist – suffizient behandelt werden kann. Damit soll bei den – oft chronischen – Patienten ausreichend Linderung der Schmerzen erzielt werden.

Fentanyl unterliegt dem deutschen und dem Schweizer Betäubungsmittelgesetz sowie dem österreichischen Suchtmittelgesetz. Grundsätzlich kommen vor allem die gängigen Fentanyl-Schmerzpflaster bei chronischen – keinesfalls bei akuten – Schmerzen zum Einsatz.

 

Darreichungsformen von Fentanyl

Viele Experten meinen, dass Schmerzpflaster mit Fentanyl vor allem dann zum Einsatz kommen sollten, wenn eine schwächere Opioid-Therapie nicht ausreichend wirksam ist. Doch die Verschreibungsstatistiken in den deutschsprachigen Ländern zeichnen ein anderes Bild. Über 80 % der verschriebenen Fentanyl-Schmerzpflaster werden an Opioid naive Patienten abgegeben.

Bei nahezu jedem zweiten Patienten erfolgt die Fentanyl-Schmerzpflaster-Verschreibung nur einmal. Es wird hier somit mit einer hohen Dunkelzahl von Verschreibungen für akute Schmerzen gerechnet, wovorÄrzte eigentlich warnen.

Eine weitere Darreichungsform von Fentanyl ist die intravenöse Verabreichung – etwa in der Anästhesie oder Notfallmedizin, als transdermales therapeutisches System und in Form schnell freisetzender Formulierungen wie das oral-transmukosale therapeutische System, welches bei Durchbruchschmerzen als Lutschtablette mit integriertem Applikator an der Mundschleimhaut angewendet wird, und das Fentanyl-Nasenspray.

Diese schnell freisetzenden Formulierungen eignen sich für die Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Erwachsenen, die bereits Opioide gegen ihre Tumorschmerzen erhalten. Gemeint sind sehr intensive minutenlange Schmerzen, die typisch bei einer fortgeschrittenen Krebserkrankung sind.

 

Wirkung von Fentanyl

Die Wirkung von Fentanyl ist vorwiegend stark schmerzlindernd (analgetisch) und beruhigend (sedierend). Es ist etwa 120-mal so potent wie Morphin (gemessen am Gewicht ist nur ein Hundertzwanzigstel der Menge an Fentanyl nötig, um die gleiche Wirkung zu erzielen), besitzt eine höhere Wirksamkeit (das Wirkungsmaximum ist höher), während seine Wirkdauer in der Regel deutlich kürzer ist.

Fentanyl wirkt bei einer intravenösen Gabe nach zwei bis fünf Minuten. Die Halbwertszeit liegt bei drei bis zwölf Stunden, wobei nach 30 Minuten der Blutspiegel unter die effektive Konzentration sinkt. Die zur Behandlung effektive Dosis (ED50) liegt bei 0,01 mg/kg Körpergewicht, die tödliche Dosis (LD50) bei 3,1 mg/kg Körpergewicht. Letztere Angabe bezieht sich allerdings auf Ratten.

Beim Menschen führen in der Regel schon deutlich niedrigere Dosen zu Atemdepression bis hin zum Tod durch Atemstillstand. Im Grunde genommen ist das Fentanyl in Bezug auf weitere Nebenwirkungen jedenfalls mit denen von Morphin gleichzusetzen.

Der Wirkstoff Fentanyl ist lipophil. Das heißt, er ist gut fettlöslich und verteilt sich daher schnell in fetthaltigem Gewebe. Dabei verstoffwechselt der Körper das Fentanyl hauptsächlich in der Leber. Und er scheidet nur weniger als zehn Prozent unverändert über die Nieren aus.

 

Schmerzmittel bei Operationen

Haupteinsatzgebiet der intravenösen Form ist die Gabe als Schmerzmittel bei Operationen in Verbindung mit einem Schlafmittel und wahlweise einem muskelentspannenden Mittel (Muskelrelaxans). Je nach Wahl des Schlafmittels spricht man von „balancierter Anästhesie“ oder „totaler intravenöser Anästhesie“ (TIVA).

Wegen der Gefahr der Atemdepression ist eine ständige Überwachung und das Bereithalten einer Beatmungsmöglichkeit erforderlich. Aufgrund der Lipophilie wird Fentanyl teilweise schwer kontrollierbar im Fettgewebe eingelagert und wieder freigegeben. Deshalb werden heute anstelle von Fentanyl häufig die verwandten Stoffe Alfentanil, Remifentanil und Sufentanil verwendet.

 

Fentanyl: Pflaster bringen gleichmäßige Wirkung, Überwachung ist daher nicht notwendig

Bei Fentanyl haltigen Pflastern ist wegen der gleichmäßigen Wirkung und der im Vergleich zur Anästhesie meist deutlich geringeren Dosis nach einer Einstellungsphase keine ständige Überwachung der Vitalfunktionen nötig.

Unter dem Strich können weitere andere Beruhigungsmittel und Alkohol die sedierende Wirkung von Fentanyl verstärken. In Verbindung mit Monoaminooxidase-Hemmern können schwere Kreislauf- und Atemstörungen auftreten. Zwischen der Anwendung von MAO-Hemmern und Fentanyl sollen mindestens 14 Tage liegen.

Durch die Plasmaeiweißbindung von 90 % kann die Verwendung der Schmerzpflaster verschiedene Wechselwirkungen mit Präparaten wie Furosemid, Glibenclamid oder Omeprazol verursachen.

Der Abbauweg von Fentanyl führt über die Cytochromoxidase 450, sodass bei gleichzeitiger Einnahme von

  • CYP 3A4-Induktoren (wie Johanniskraut-Präparate, die den Abbau von Fentanyl beschleunigen) oder
  • CYP 3A4-Inhibitoren (beispielsweise wie Ketoconazol, Erythromycin, Nefazodon, Diltiazem oder auch Grapefruitsaft, die den Abbau von Fentanyl verlangsamen und damit zu erhöhten Plasmaspiegeln führen können)

Wechselwirkungen auftreten können. Bei Rauchern kann ebenfalls eine Dosisanpassung von Fentanyl in Frage kommen.

Durch die gleichzeitige Gabe von fentanylhaltigen Arzneimitteln mit serotonerg wirkender Arzneimitteln (SSRI/SNRI) besteht ein Risiko für das Auftreten eines gefährlichen Serotonin-Syndroms mit Symptomen wieAgitiertheit, Koma, Halluzinationen, Blutdruckkrisen, neuromuskulären Veränderungen und Herzrasen.

 

Nebenwirkungen und missbräuchliche Anwendungen

Wie auch andere Opioide provoziert Fentanyl bei Überdosierung eine Störung des ZNS mit Bewusstseinsstörungen, Somnolenz und Atemdepression. Das akute Bild weist im Wesentlichen ausgeprägte Sedierung, Miosis (Verengung der Pupille) und Atemdepression auf. Wobei diese bis hin zum Atemstillstand besonders hervorzuheben ist. Man kann das Fentanyl mit Naloxon antagonisieren.

Seit 2005 berichtet die FDA wiederholt über schwere Nebenwirkungen und Todesfälle in Zusammenhang mit fentanylhaltigen transdermalen therapeutischen Systemen, allein 2009 über 397 Todesfälle.

So verwies auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) 2012 darauf, dass die Indikation für transdermale, fentanylhaltige Pflaster streng zu stellen ist. So sollten Ärzte die Fentanyl-Pflaster nur bei jenen chronischen Schmerzen verordnen, die nur Opioide ausreichend lindern können. Das gilt vor allem für eine notwendige andauernde, kontinuierliche Behandlung, denn dann eignen sich Opioide gut, da sie keine schädlichen Effekte auf die Organe verursachen.

 

Dosierungen

Während die FDA die Anwendung nur bei Patienten erlaubt, die über mindestens eine Woche 60 mg Morphin pro Tag oder mehr eingenommen haben (oder entsprechend ein anderes Opioid), rät die EMA, bei Patienten ohne bisherige Opioideinnahme zunächst niedrig dosiert unretardierte Opioide zu geben, bis die Dosis der Dosis von 12,5 μg/h Fentanyl (= 45 mg Morphin/Tag) entspricht, und erst dann auf ein Pflaster umzustellen.

In einem Rote-Hand-Brief wird im Jahr 2014 vor einer „versehentlichen Übertragung des Fentanylpflasters auf die Haut einer anderen Person (z. B. während der gemeinsamen Nutzung eines Bettes oder beim engeren Körperkontakt)“ gewarnt.

Zum Schutz gegen versehentliches Verschlucken durch Kinder sollte man jedenfalls die Applikationsstelle sorgfältig auswählen. Und zudem sollten Anwender auch regelmäßig überwachen, ob sich das Pflaster noch auf der Haut befindet.

 

Heroin, Kokain und andere Drogen mit Fentanyl strecken

Zum Strecken von Heroin wird Fentanyl entgegen einer verbreiteten Meinung nur selten verwendet. Es ist schwer zu beschaffen, da es fast ausschließlich bei Operationen eingesetzt wird und wie Heroin im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt ist. Wichtig ist hierbei die ordnungsgemäße Entsorgung im Krankenhaus.

Im April sowie Mai des Jahres 2006 konnte man in den USA eine Häufung von Vergiftungen mit Fentanyl bei Drogenkonsumenten beobachtet. Und zwar teilweise mit Todesfolge. Jenes Fentanyl, mit dem Dealer damals Heroin sowie vereinzelt auch Kokain gestreckt hatte, soll illegal hergestellt worden sein.

Diese Entwicklung setzte sich fort und in einem Bericht sprach das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums von 1000 Toten zwischen 2005 und 2007; die meisten Fälle wurden in Chicago, Philadelphia und Detroit registriert.

Aktuelle Daten aus New York und den dort ansässigen Bars und Nachtclub lässt vermuten, dass das Strecken von Kokain mit Fentanyl immer häufiger vorkommt. Und auch für Todesfälle durch Überdosierung stark mitverantwortlich ist.

 

Chemische Kampfstoffe

Neben ihrem Einsatz in der Medizin hat man Fentanyl-Derivate übrigens auch auf ihre Verwendbarkeit als chemische Kampfstoffe hin untersucht.

Es wurden Vermutungen darüber angestellt, ob ein besonders potentes, in der Humanmedizin nicht zugelassenes Fentanyl-Derivat, das Carfentanyl, in Aerosol-Form bei der Geiselbefreiung im Moskauer Dubrowka-Theater im Oktober 2002 zum Einsatz kam und dabei für 127 Todesfälle mitverantwortlich war.

Schließlich haben Chemiker mittels Einführen verschiedener Reste in das Fentanylmolekül eine Reihe gefährlicher Designerdrogen synthetisiert. Beispielsweise das Methylfentanyl sowie das Benzylfentanyl.


Literatur

Carlos F. Ramos-Matos; Wilfredo Lopez-Ojeda. Fentanyl. StatPearls [Internet]. Last Update: May 29, 2023.

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