Freitag, April 19, 2024

Ernährungsumstellung und Diättrends kritisch analysiert

Eine Ernährungsumstellung kann Abhilfe schaffen, um gesund Gewicht zu senken. Doch nicht alle aktuellen Diättrends halten, was sie versprechen.

Adipositas und krankhaftes Übergewicht erhöhen das Risiko für zahlreiche chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und Krebs. Trotzdem schaffen es viele adipöse Menschen nicht, gesund ihr Gewicht zu senken. Eine Ernährungsumstellung kann Abhilfe schaffen, doch nicht alle aktuellen Diättrends halten, was sie versprechen. Von Low-Carb über Paleo-Diät und vegane Ernährung bis hin zu Superfoods: Welche Diättrends sind aus medizinischer Sicht wirklich empfehlenswert?

Ernährungsumstellung und Diättrends sind allgemein ein großes Thema. „Das ist prinzipiell erfreulich, da Über- und Fehlernährung der wichtigste Risikofaktor für die Krankheitslast in der deutschen Bevölkerung ist“, sagt Professor Dr. med. Hans Hauner, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München. „Doch viele Diättrends werden aus wirtschaftlichen Interessen platziert – eine wachsende Zahl von Herstellern und Vertreibern generiert damit jährlich Milliardenumsätze.“ Low Carb, die Paleo-Diät und vegane Ernährung werden seit einigen Jahren vor allem als Mittel zur gesunden Gewichtsabnahme propagiert, doch nicht alle überzeugen den Ernährungsmediziner Hauner.

 

Low Carb-Diäten schneiden besser ab

Verschiedene Low Carb-Diäten implizieren generell eine kohlenhydratarme Kost. Das ist aus Expertensicht empfehlenswert: „Eine Senkung des Kohlenhydratanteils auf 30 bis 40 Prozent der Gesamtenergieaufnahme bei gleichzeitiger Erhöhung des Fett- und Proteinverzehrs schneidet in Einzelaspekten besser ab als die klassischen fettarmen, kohlenhydratreichen Ernährungsformen“, so Hauner. Personen mit Diabetes Typ 2 könnten von einer Low Carb-Ernährung besonders profitieren.

 

Ernährungsumstellung mit Paleo-Diät

Für Patienten mit dem metabolischen Syndrom, bei denen der Kohlenhydrat-Stoffwechsel gestört ist und die zugleich adipös sind, ist laut Hauner eine Paleo-Diät denkbar. Das an steinzeitlicher Ernährung orientiere Konzept überzeugt den Experten zwar nicht gänzlich: Denn was in der Steinzeit gerade zum Überleben reichte, müsse heute nicht zwangsläufig als Ernährungsvorbild fungieren. „Bei Paleo-Diäten handelt es sich um eine proteinreiche Kost, die auf Getreide- und Milchprodukte sowie moderne, verarbeitete Lebensmittel weitgehend verzichtet“, erläutert der Ernährungswissenschaftler. Die Wirksamkeit dieser Nährstoff-Zusammensetzung und der Energiegehalt seien günstig und zudem durch kleinere Studien nachgewiesen.

 

Vegane Ernährung kritisch betrachtet

Kritischer beurteilt der Experte hingegen vegane Ernährung, bei der auf alle tierischen Produkte inklusive Milch und Milchgetränken sowie auf Eier verzichtet wird. „Die Ernährungs-Zusammensetzung ist dabei verhältnismäßig einseitig und erfordert gute Kenntnisse und Disziplin, um den Nährstoffbedarf des Menschen zu sichern“, sagt Hauner. Kritisch sei vor allem die Versorgung mit Vitamin B12 und Jod zu sehen. Lediglich wenige kleine Studien mit veganer Ernährung zeigten günstige Effekte auf das Körpergewicht und damit assoziierte Risikofaktoren wie Diabetes Typ 2.

 

Superfoods in der Kritik

Die sogenannten Superfoods beurteilt der Münchener Ernährungsmediziner noch skeptischer. Superfoods sind oft einzelne Lebensmittel wie Samen, Beeren und Nüsse aus meist exotischen Regionen. „Diesen Produkten wird eine besonders hohe gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen – häufig werden sie jedoch einfach zu höheren Preisen verkauft als vergleichbare herkömmliche Lebensmittel“. Das ließe sich etwa am Beispiel von Chia-Samen zeigen, die keine Vorteile gegenüber den einheimischen Leinsamen hätten, jedoch aber zu 5- bis 10-fach höheren Preisen verkauft würden. Bei den Superfoods fehlen wissenschaftliche Studien meistens völlig oder sie sind wegen methodischer Mängel wertlos“, kritisiert Hauner.

„Welche Diät zu welchen Anforderungen und Bedürfnissen passt, besprechen Patienten am besten mit ihrem Arzt“, ergänzt Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel. „Die Ernährungsumstellung ist vor allem bei stak übergewichtigen Menschen nur Teil eines umfassenden Konzepts, das auch einen Bewegungsplan und bei Bedarf psychische Beratung einbezieht“, so der Gastroenterologe. Entscheidend sei zudem, die Diät auch auf mögliche weiterer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Diabetes abzustimmen.

Starkes Übergewicht und die Folgeerkrankungen werden auch Thema beim 123. Internistenkongress sein. Weitere Informationen zum Kongress finden Interessierte hier: http://www.dgim2017.de

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