Donnerstag, März 28, 2024

Entzündungshemmende Wirkung von Kortison über den Glukokortikoid-Rezeptor

Kortison entfaltet seine entzündungshemmende Wirkung über den Glukokortikoid-Rezeptor, dabei bedarf es der Aktivierung von pro-entzündlichen Signalwegen.

Kommt es – wie bei einer Schocklunge – oder einer anderen Form der Akuten Lungenverletzung (ALI) zu massiven Entzündungsreaktionen im Lungengewebe, helfen Kortison-Präparate dabei, die entzündlichen Prozesse zu unterdrücken. Biologen der Universität Ulm haben unlängst herausgefunden, über welche molekulargenetischen Mechanismen Glukokortikoide wie Dexamethason ihre therapeutische Wirkung entfalten. Die Wissenschaftler machten dabei zwei erstaunliche Entdeckungen. Zum einen wird die Kortison-Wirkung durch Makrophagen vermittelt und zum zweiten bedarf es zur Entfaltung der entzündungshemmenden Wirkung der Aktivierung von pro-entzündlichen Signalwegen über den Glukokortikoid-Rezeptor.

 

Akutes progressives Lungenversagen

Schocklunge – wenn der Notarzt am Unfallort diese Diagnose stellt, gilt es keine Zeit zu verlieren. Sonst droht der Erstickungstod. Mediziner sprechen hier auch von akutem progressivem Lungenversagen. Wassereinlagerungen führen zu Ödemen in der Lunge und damit zu Kurzatmigkeit und rasselnden Atemgeräuschen. Auslöser sind massive Entzündungsreaktionen, durch die Lungengewebe zerstört und der Gasaustausch behindert wird. Therapiert wird diese Lungenverletzung mit künstlicher Beatmung und der Gabe von entzündungshemmendem Kortison.

Biologen der Universität Ulm haben herausgefunden, über welche molekulargenetischen Mechanismen Kortison seine entzündungshemmende Wirkung entfaltet. „Bei der Akuten Lungenverletzung kommt es zur massiven Infiltration der Lungenbläschen mit Leukozyten. Der Entzündungshemmer Kortison sorgt dafür, dass die Barrierefunktion der Gefäßinnenwand wiederhergestellt wird und keine Immunzellen mehr in den so genannten Alveolarraum eindringen können. Die Entzündungsreaktionen klingen ab“, erklärt Professor Jan Tuckermann.

Der Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie der Tiere und seine Mitarbeiterin Dr. Sabine Vettorazzi machten dabei zwei erstaunliche Entdeckungen. „Zum einen zeigte sich, dass die Wirkung des Kortisons über Makrophagen vermittelt wird. Die eigentlich als Fresszellen bekannten Immunzellen spielen damit eine Schlüsselrolle bei der Entzündungshemmung“, so Vettorazzi.

„Für uns völlig überraschend stellte sich zudem heraus, dass hierbei Signalwege aktiviert werden, die bisher eigentlich für ihre pro-inflammatorische, also entzündungsfördernde, Wirkung bekannt waren“, berichten die Forscher in der jüngst erschienenen Ausgabe von Nature Communication.

 

Glukokortikoid-Rezeptor und Zelltyp spezifische, entzündungshemmende Wirkung

Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern aus Jena, Göttingen, Hamburg, Lyon und Gent untersuchten die Wissenschaftler mit Hilfe von Knock-Out-Mäusen die zelltypspezifische Wirkung des so genannten Glukokortikoid-Rezeptor (GR), an den körpereigene oder künstliche Glukokortikoide wie das Kortisonpräparat Dexamethason binden.

Der Glukokortikoid-Rezeptor entfaltet – je nach Molekülform – unterschiedliche molekulargenetische und entzündungshemmende Wirkungen. Als Einzelmolekül (Monomer) deaktiviert der Glukokortikoid-Rezeptor proentzündliche Genschalter wie die Transkriptionsfaktoren AP1 und NF-κB und als Doppelmolekül (Dimer) bindet der GR direkt an die DNA, um dort selbst Gene zu aktivieren.

Vettorazzi und Forscherkollegen fanden nun heraus, dass die therapeutische Wirkung des Rezeptors, die für die Entzündungshemmung verantwortlich ist, nicht ausschließlich auf der eigentlich entzündungshemmenden Monomerfunktion des GR basiert, wie bisher angenommen, sondern dass auch die genaktivierende Wirkung des Rezeptordoppelmoleküls für die Unterdrückung entzündlicher Prozesse entscheidend ist.

 

Dexamethason, Sphingosin-1-Phosphat und der Glukokortikoid-Rezeptor

Die Ulmer Hormonforscher konnten im Mausmodell nachweisen, dass durch die Gabe von Dexamethason – vermittelt über die Doppelmolekülfunktion des Glukokortikoid-Rezeptor – in den Makrophagen ein Gewebshormon ausgeschüttet wird, das Wachstums-, Wanderungs- und Teilungsprozesse von Zellen fördert. Genauer gesagt geht es dabei um das sogenannte Sphingosin-1-Phosphat, das sich unter anderem stabilisierend auf die Gefäßinnenwände auswirkt.

Bei einer Akuten Lungenverletzung, englisch als ALI geläufig (Acute Lung Injury), kommt es kortisonbedingt zu einem Anstieg von Sphingosin-1-Phosphat, der die Barrierefunktion der Gefäßinnenwand stärkt. Damit wird das Eindringen von Immunzellen (Leukozyten) in die Lungenbläschen verhindert, und die Entzündungsreaktionen klingen ab.

Der zweite erstaunliche Befund zeigte sich darin, dass das Gewebsreparaturhormon Sphingosin-1-Phosphat durch die Makrophagen nur dann ausgeschüttet wird, wenn – gleichzeitig zur Bindung des GR-Doppelmoleküls an die DNA – ein bestimmter proentzündlicher Signalweg stimuliert wird, an dem die Proteinkinasen p38 und MSK1 beteiligt sind. „Dass für die Hemmung von Entzündungen solche Signalkaskaden ausschlaggebend sind, die eigentlich inflammatorische Prozesse fördern, klingt ja eigentlich ein bisschen paradox. Doch für die Entwicklung wirksamer Kortisonpräparate ist diese neue Erkenntnis von großer Bedeutung. Denn bisher wurde dieser Aspekt in der pharmakologischen Forschung in keiner Weise berücksichtigt“, sagt Jan Tuckermann.

Schematische Darstellung der molekularen Wirkmechanismen von Glucocorticoiden bei der Akuten Lungenverletzung. © Vettorazzi et al. / Nature Communication 2015
Schematische Darstellung der molekularen Wirkmechanismen von Glucocorticoiden bei der akuten Lungenverletzung. © Vettorazzi et al. / Nature Communication 2015

Literatur:

Vettorazzi S, Bode C, Dejager L, et al. Glucocorticoids limit acute lung inflammation in concert with inflammatory stimuli by induction of SphK1. Nat Commun. 2015;6:7796. Published 2015 Jul 17. doi:10.1038/ncomms8796

Lim HW, Uhlenhaut NH, Rauch A, et al. Genomic redistribution of GR monomers and dimers mediates transcriptional response to exogenous glucocorticoid in vivo. Genome Res. 2015;25(6):836-844. doi:10.1101/gr.188581.114

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