Freitag, März 29, 2024

Rückenschmerzen mit Elektrotherapie (rückenmarksnahe Elektrostimulation) behandeln

Bei Rückenschmerzen und Neuropathien kann die Elektrotherapie mit der rückenmarksnahen Elektrostimulation die Schmerzen lindern.

Häufig können bei Rückenschmerzen verschiedene Methoden der Elektrotherapie den Patienten eine Schmerzlinderung bringen. So bietet die rückenmarksnahe Elektrostimulation – auf Englisch Spinal Cord Stimulation, kurz SCS – ausgewählten Patienten mit Rückenschmerzen und Neuropathien (Nervenschmerzen) nachhaltige Hilfe gegen die Beschwerden.

Dazu implantiert man die sogenannten SCS-Systeme, die über Elektroden bestimmte Nervenfasern entlang des Rückenmarks anregen. Dadurch untersdrücken sie die Weiterleitung von Schmerzmeldungen ans Gehirn. Allerdings ist diese effektive Behandlungsmethode an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Deswegen kommt sie erst dann zum Einsatz, wenn andere Behandlungsformen bei Rückenschmerzen und Neuropathien keine Linderung bringen.

 

Elektrostimulation mittels implantierter Elektroden

Bei der Elektrotherapie mittels rückenmarksnaher Elektrostimulation werden über einen kleinen Eingriff Elektroden implantiert. Diese geben dann elektrische Impulse von geringer Spannung epidural – über die harte Hirnhaut des Rückenmarks – an die Hinterstränge des Rückenmarks ab. Auf diese Weise lassen sich Missempfindungen und Schmerzen, die über diese Nervenbahnen ins Gehirn gelangen, unterdrücken. Die Experten der Klinik für Neurochirurgie haben auf diese Weise bereits vielen Patienten helfen können.

 

Fallbericht über eine erfolgreiche Elektrostimulation nach Bandscheibenvorfall

Eine über 50-Jährige erlitt vor mehr als 15 Jahren einen schweren Bandscheibenvorfall. Eine Operation konnte ihr die Schmerzen nur knapp drei Jahre nehmen, danach konnte die heftigen Schmerzen weder durch weitere Therapien noch durch starke Medikamente in den Griff bekommen werden. Verstärkt wurde das Leiden durch Veränderungen eines Wirbels.

Zwar ließ sich diese zusätzliche Schmerzquelle durch eine zweite Operation ausschalten, doch das brachte weitere Beeinträchtigungen durch das Narbengewebe, wie brennende Schmerzen vom unteren Rücken bis zu den Zehen. Das Leben der Patientin drehte sich nur noch um die Angst vor noch stärkeren Schmerzattacken. An eine reguläre Arbeit als Altenpflegerin war nicht mehr zu denken.

Sechs Jahre später erfuhr die Patientin, dass die rückenmarksnahe Elektrostimulation eine Therapieoption für sie sein könnte. Nach ihrer Untersuchung stellten Neurochirurgen des Universitätsklinikum in Dresden fest, dass bei ihr die Erfolgschancen dieser Methode gut waren, sie entschied sich für eine OP.

 

Rückenmarksnahe Elektrostimulation-OP

Mittels chirurgischem Verfahren wurde der Patientin über einen kleinen Schnitt am Rücken eine Elektrode am Rückenmark implantiert.

Hinzu kam ein kleiner, ebenfalls implantierter Impulsgeber. Mit einem Handgerät kann die Patientin die Stärke der Stimulation selber einstellen. Die Elektroden des SCS senden elektrische Impulse geringer Intensität aus, um bestimmte Nervenfasern entlang des Rückenmarks anzuregen. Auf diese Weise werden Schmerzmeldungen nicht mehr an das Gehirn übertragen.

Dank der elektrischen Impulse spüren die Patienten anstatt des Schmerzes ein angenehmeres Kribbeln oder eine Empfindung wie bei einer Massage. Dann tritt der sogenannte Parästhesie-Effekt ein.

 

Den Schmerz im Kopf abschalten

Die Schmerzen sind zwar da, aber treten in den Hintergrund treten. So schildert die Patientin den Effekt. Die rückenmarksnahe Elektrostimulation schaltet den Schmerz im Kopf ab.

Die erfolgreich Behandlung führte zu einer starken Reduktion von Schmerzmitteln und ermöglichte der Patientin, ganz normal ihre Hausarbeit zu verrichten. Weiter konnte sie sich wieder um ihre beiden erwachsenen Kinder kümmern.

Meist ist das Schmerzempfinden am Morgen geringer als abends. Deswegen muss der Stimulator auch nicht den ganzen Tag lang angeschaltet sein. Trotzdem spürt sie die Elektroden im Rücken.

Eingeschränkt ist sie dadurch nur, dass sie extreme sportliche Belastung unterlassen und die Nähe zu stärkeren elektromagnetischen Feldern – etwa Induktionskochherde – meiden sollte. Auch muss sie alle acht Tage den implantierten Impulsgeber aufladen.

Dass die Patientin musste nach sechs Jahren zurück in die Klinik für Neurochirurgie des Dresdner Uniklinikums, da die Batterie erschöpft war. Man hat dann unter lokaler Betäubung ein neues Gerät implantiert.

 

Bei Rückenschmerzen erfolgreich die Elektrotherapie mittels Rückenmarksnaher Elektrostimulation anwenden. Die Erst-Implantation erfolgt in zwei Schritten.

Eine Erst-Implantation des SCS erfolgt in zwei Schritten. Zuerst entscheiden die Spezialisten, dass die Behandlung in der individuellen Situation geeignet ist. Dann testen sie die rückenmarksnahe Elektrostimulation beim Patienten.

Dazu implantiert man zuerst nur die Elektroden. Das geschieht unter laufender Röntgenkontrolle, um die richtige Position der Elektroden zu finden. Parallel wird getestet, ob die elektrische Stimulation die Schmerzgebiete des Patienten erreicht. Dazu schließen die Neurochirurgen bereits während des Eingriffs die Elektrode an einen externen Stimulator an.

Um die Elektroden optimal platzieren zu können, muss der Patient bei vollem Bewusstsein sein. Allerdings sind an diesem Eingriff Narkoseärzte beteiligt, so dass die Implantation schmerzfrei verläuft. Nach erfolgreichem Test wird das akkugetriebene Stimulationsgerät mit den bereits eingebrachten Elektroden verbunden.


Literatur:

Brinzeu et al. Spinal cord stimulation for chronic refractory pain: Long-term effectiveness and safety data from a multicentre registry. Eur J Pain. 2019 May;23(5):1031-1044. doi: 10.1002/ejp.1355. Epub 2019 Apr 1.

Malige A, Sokunbi G. Spinal Cord Stimulators: A Comparison of the Trial Period Versus Permanent Outcomes. Spine (Phila Pa 1976). 2019 Jun 1;44(11):E687-E692. doi: 10.1097/BRS.0000000000002921.

Quelle: Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden

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