Donnerstag, April 18, 2024

EARLYSTIM-Studie: Hirnschrittmacher bei Parkinson wirksam

Die deutsch-französische EARLYSTIM-Studie zeigt, dass zur Impulskontrolle durch einen Hirnschrittmacher bei Parkinson-Patienten die Fluktuationen abnehmen.

Die Therapie mit einem Hirnschrittmacher bei Parkinson führt nicht zu emotionalen Schwankungen und Störungen der Impulskontrolle. Das zeigten publizierte zusätzliche Ergebnisse der deutsch-französischen EARLYSTIM-Studie. Und die widerlegten dann auch Befürchtungen, dass man bei einer operativen Behandlung mit Hirnschrittmacher bei Morbus Parkinson derartige Nebenwirkungen bedenken muss.

„Im Gegenteil: Die Auswertung der EARLYSTIM-Studie zeigt, dass Fluktuationen unter der Stimulationsbehandlung sogar abnehmen“, so Professor Dr. Günter Deuschl von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), renommierter Parkinson-Experte aus Kiel. Ein Hirnschrittmacher bei Parkinson – die Tiefe Hirnstimulation – bessert die Befindlichkeit deutlich. Und jedenfalls in einem Maße, wie man es mit Medikamenten alleine nicht erreichen kann.

„Die Studie liefert gute Argumente, die THS auch für ausgewählte Patienten mit neuropsychiatrischen Fluktuationen oder Impulskontrollstörungen zu empfehlen“, kommentiert Professor Rüdiger Hilker-Roggendorf, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Vest (Recklinghausen) und Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG).

Die Parkinson-Krankheit ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung. Bei der sterben unter anderem Zellen in der schwarzen Substanz (Substantia nigra) im Gehirn ab. Diese Zellen produzieren den Botenstoff Dopamin, der z.B. für die Steuerung der Motorik wichtig ist. Fehlt Dopamin, treten die typischen motorischen Symptome auf wie Verlangsamung der Bewegungsgeschwindigkeit, kleinschrittiger Gang, Sprachstörungen, Zittern und Steifigkeit in Armen und Beinen.

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) – auch als Hirnschrittmacher bezeichnet – kann helfen, wenn man die Bewegungsstörungen durch Medikamente nicht mehr ausreichend kontrollieren kann. In einer Operation werden dann Mikroelektroden ins Gehirn implantiert, die mit schwachen Stromstößen bestimmte Hirnregionen hemmen. Weltweit wurde bereits mehr als 150.000 Hirnschrittmacher bei Parkinson-Patienten erfolgreich eingesetzt.

 

Störungen der Impulskontrolle befürchtet

Ein Hirnschrittmacher kann bei Parkinson-Patienten das Risiko für enthemmte Verhaltensweisen wie Spielsucht und Kaufrausch oder ungehemmte Sexualität möglicherweise erhöhen. Ob die Ursache der hyperdopaminergen Störungen in der Krankheit selbst liegt oder in der elektrischen Stimulation, ist unklar.

Dass Störungen der Impulskontrolle häufig sind, hatte allerdings zuletzt eine Studie mit 251 italienischen Parkinson-Patienten ergeben, die bereits an motorischen Komplikationen der medikamentösen Therapie (Dyskinesien) litten: Der Anteil der Betroffenen mit Impulskontrollstörung lag bei 55 Prozent, in 36 Prozent der Fälle wurde dies als klinisch bedeutsam eingestuft.

Die nun vorliegende Subanalyse der EARLYSTIM-Studie zeigt mit hoher wissenschaftlicher Evidenz, dass sich Störungen des Verhaltens und der Stimmungsregulation bessern können. Und zwar, wenn die Parkinson-Patienten frühzeitig eine Tiefe Hirnstimulation erhalten. Und wenn man danach die Dosierung der medikamentösen Behandlung reduzieren kann.

 

Hirnschrittmacher bei Parkinson verbessert Lebensqualität

Erste Ergebnisse mit 251 Patienten wurden jedenfalls bereits vor fünf Jahren veröffentlicht. Damals hatten die Forscher die Lebensqualität zum zentralen Studienziel erhoben. Parkinson-Patienten, die zusätzlich mit Tiefer Hirnstimulation behandelt wurden, hatten eine höhere Lebensqualität als solche, die lediglich Medikamente erhalten hatten.

Die Folgeauswertung zeigt nun, dass unter einer Tiefe Hirnstimulation auch die emotionalen Schwankungen der Parkinson-Patienten verbessert werden. Bei Patienten, die lediglich Medikamente bekommen hatten, blieben die neuropsychiatrischen Fluktuationen unverändert. Unter einer zusätzlichen Tiefe Hirnstimulation nahm der entsprechende Wert auf der Ardouin-Skala um 0,65 Punkte ab. (Ardouin Scale of Behavior in Parkinson ’s Disease). Sehr groß war der Unterschied auch bei den hyperdopaminergen Verhaltensstörungen (Impulskontrollstörungen, Hypomanie, Sprunghaftigkeit).

Mit Tiefe Hirnstimulation nahm der Wert um 1,26 Punkte ab. Und zwar gegenüber einer Zunahme um 1,12 Punkte, wenn die Patienten lediglich Medikamente erhielten. Keinen Unterschied fand man dagegen bei hypodopaminergen Verhaltensstörungen wie Apathie und Depressionen. Und das egal, ob die Patienten ausschließlich Medikamente bekommen hatten oder zusätzlich die Tiefe Hirnstimulation.

„Die Studie beantwortet wichtige Fragen zur Therapie von Parkinson-Patienten, welche unter einer instabilen Krankheitsausprägung mit Stimmungsschwankungen und Verhaltensstörungen leiden“, so Professor Hilker-Roggendorf.

„Durch Medikamente ausgelöste Impulskontrollstörungen können sich mir Tiefer Hirnstimulation verbessern, Apathie und Depression nehmen unter Tiefer Hirnstimulation nicht zu. Der Hirnschrittmacher kann bei geeigneten Parkinson-Patienten bereits im mittleren Krankheitsstadium mit guter Wirksamkeit und ausreichender Sicherheit eingesetzt werden.“


Literatur:

Lhommée E et al. Behavioural outcomes of subthalamic stimulation and medical therapy versus medical therapy alone for Parkinson’s disease with early motor complications (EARLYSTIM-trial). Secondary analysis of an open-label randomised trial. Lancet Neurol. 2018 Mar;17(3):223–231. doi: 10.1016/S1474-4422(18)30035-8.

Biundo R et al. Impulse control disorders in advanced Parkinson’s disease with dyskinesia: The ALTHEA study. Mov Disord. 2017 Nov;32(11):1557–1565. doi: 10.1002/mds.27181.
Schuebach WM et al.: EARLYSTIM Study Group. Neurostimulation for Parkinson’s disease with early motor complications. N Engl J Med. 2013 Feb 14;368(7):610–22. doi: 10.1056/NEJMoa1205158.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)  https://www.dgn.org

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