Mittwoch, April 24, 2024

Die Säure-Basen-Lenkung

Die Säure-Basen-Lenkung bedeutet im Prinzip, sich mit Trennkost zu ernähren – also die getrennte Aufnahme von Säure- und Basen-bildenden Lebensmitteln.

Der Säure-Basen-Haushalt bezeichnet verschiedene physiologische Regelmechanismen nach dem Prinzip der Homöostase. Diese Regelmechanismen halten den Ablauf notwendiger Stoffwechselvorgänge bei einem pH-Wert von 7,4 (±0,05) im Blut aufrecht. Alle diese Stoffwechselvorgänge geschehen in unserem Körper in einem wässrigen Milieu und der pH-Wert im Blut beeinflusst sie entscheidend.

Abweichungen des ph-Wert im Blut nach oben oder unten ist für den Körper nicht vereinbar. Schwankungen stören den Stofftransport, die Tätigkeit von Enzymen und Hormonen, die Durchlässigkeit der Zellmembrane und die Verteilung von Elektrolyten. Sekrete und Organe liegen eher im basischen Bereich. Das Milieu im Magen ist allerdings extrem sauer, was optimal für die Verdauung ist.

Der hohe Stellenwert vom Säure-Basen-Haushalt in verschiedenen Ernährungsformen ist bis dato wissenschaftlich nicht begründet.

Störungen im Säure-Basen-Haushalt des Körpers führen zu Übersäuerung, der so genannten Azidose oder der Untersäuerung, der Alkalose – beides kann sich sogar lebensbedrohlich auswirken. Anhänger der Säure-Basen-Lenkung sehen nun in der Übersäuerung eine mögliche Ursache für zahlreiche Erkrankungen, von Verdauungsstörungen, Rheuma und Gicht bis hin zu Krebs.

Eine der bekanntesten Ernährungsformen auf diese Prinzip beruhend ist die Trennkost nach dem amerikanischen Arzt Dr. Hay. ­Dieser postulierte vor etwa 100 Jahren, Kohlenhydrate und Eiweiß könnten nicht gemeinsam verdaut werden, die übliche »westliche« Mischkost führe zur Übersäuerung des Körpers.

 

Der ph-Wert im Blut

Der pH-Normalbereich in Körperflüssigkeiten liegt zwischen 7,36 und 7,44. Die Konstanthaltung des pH-Wertes im Blut ist eine fundamentale Aufgabe des Stoffwechsels. Verantwortlich dafür sind verschiedene Puffersysteme des Körpers, die ihre Wirkung entfalten, sobald sich der pH-Wert ändert. Das wichtigste Pufferpaar im Blut zur sofortigen Neutralisation ist Bikarbonat/Kohlensäure.

Weitere wichtige Puffersysteme zur Regulation des pH-Wertes der Körperflüssigkeit sind die Ausatmung von Kohlendioxid (pulmonale Regulation) und die Elimination von Wasserstoff­ionen über die Niere (renale Regulation). Störungen der Lunge und der Nieren schlagen sich sofort in Störungen des Säure-Basen-Haushalts nieder. Die Kapazität dieser Systeme ist beim gesunden Erwachsenen so hoch, dass auch relativ einseitige und extreme Nahrungseinflüsse auf den Säure-Basen-Haushalt ausgeglichen werden.

Der hohe Stellenwert des Säure-Basen-Haushalts in verschiedenen Ernährungsformen ist somit wissenschaftlich nicht begründet. Bei normaler Mischkost kommt es beim gesunden Erwachsenen zu einem Säure­überschuss von etwa 50–80 mmol pro Tag. Die maximale Säureausscheidungskapazität der Niere unter chronischer Säurestimulation liegt etwa fünfmal so hoch.

 

Basen­überschüssige Kost zeigt keine gesundheitlichen Vorzüge

Eine so genannte basen­überschüssige Kost (viel Obst, Gemüse und Fruchtsäfte) zeigt umgekehrt keine gesundheitlichen Vorzüge durch die Schonung der Säure­ausscheidungskapazität, wohl aber ­bezüglich Nährstoffversorgung und der Zufuhr bioaktiver Substanzen. Im Alter kann es allerdings zu einer Einschränkung der Nierenfunktion und damit auch der Säureausscheidungskapazität der Niere kommen. Eine Ernährung mit gleichbleibend hoher Säurelast führt dann zu einer leichten Übersäuerung des Blutes. Es ist aber bislang noch ungeklärt, ob dieser mäßigen Übersäuerung des Blutes im Alter eine Bedeutung zukommt.

 

Leistungsförderung durch basenreiche Kost

Untersucht wurde auch eine mögliche Maximierung der Leistungsfähigkeit bei Hochleistungssportlern durch basenreiche Kost. Als leistungs­fördernde Substanz wird in diesem Zusammenhang Bikarbonat diskutiert, dessen Hauptfunktion im Organismus die Re­gulierung des Säure-Basen-Gleichgewichts ist. Bikarbonat soll die während intensiver Belastung erzeugte Milchsäure abpuffern, wodurch der Zeitpunkt der Erschöpfung möglicherweise hinausgezögert werden kann. Die Wirksamkeit ist aber nach wie vor umstritten.

Ein Überschuss an Säuren oder ­Basen wird durch verschiedene Regu­lations- und Eliminationssysteme im Organismus verhindert. Die Kapazität dieser Systeme ist beim gesunden Erwach­senen so hoch, dass auch einseitige und extreme Nahrungsein­flüsse auf den Säure-Basen-Haushalt ausgeglichen werden können. Heilsversprechen durch Säure-Basen-Lenkung, die von Vertretern alternativer Kostformen ­gegeben werden, entbehren derzeit einer ­wis­senschaftlichen Grund­lage.


Weitere Informationen:

http://www.uni-koeln.de/med-fak/biochemie/biomed/wisspro/haleh_khosreza.pdf

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