Samstag, April 27, 2024

Die großen Fortschritte der Hämatologie

Die großen Fortschritte der Hämatologie beinhalten allen voran neue Möglichkeiten in der Behandlung gegen Leukämien, Lymphome und beim Multiplen Myelom.

Auf dem Gebiet der hämatologischen bösartigen Erkrankungen ist in den letzten zwei bis drei Jahren kein Stein auf dem anderen geblieben. Bahnbrechende Fortschritte wurden bei verschiedensten Krebsformen erzielt. Dadurch konnten bei bestimmten Patientengruppen auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien die Überlebensraten bzw. die Heilungschancen drastisch erhöht werden.

 

Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Durch neue orale Therapien – die Kinasehemmer Ibrutinib und Idelalisib – kann bei Höchstrisiko-Patienten, die
bisher teilweise innerhalb von 24 Monaten verstarben, das Überleben um mehrere Jahre verlängert werden.
Darüber hinaus können die monoklonalen CD20-Antikörper Obinutuzumab und Ofatumumab in Kombination
mit Chlorambucil bei Patienten mit nicht vorbehandelter CLL das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung
oder den Tod signifikant reduzieren.

 

Multiples Myelom

Bei dieser chronischen Erkrankung gibt es einerseits neue monoklonale Antikörper (Daratumumab,
Elotuzumab), andererseits stehen Proteasomen-Hemmer (v.a. Ixazomib), die bisher gespritzt werden mussten,
neuerdings als orale Therapien zur Verfügung. Mit diesen Optionen lässt sich das progressionsfreie Überleben
bei verbesserter Lebensqualität um einige Monate verlängern. Außerdem stellen sie insbesondere für
Patienten, die nach einer gewissen Zeit auf Chemotherapie nicht mehr ansprechen, eine Bereicherung der
Therapiepalette dar.

 

Akute lymphatische Leukämie (ALL)

Zum ersten Mal steht ein bispezifischer Antikörper (Blinatumomab) als innovative Waffe gegen Tumorzellen zur
Verfügung. Es handelt sich um eine Art von Immuntherapie. Dabei werden die Immunzellen quasi an die
„bösen“ Zellen herangeführt, damit sie ihre Arbeit verrichten können. Mit diesem neuen Ansatz können bei
Kindern Remissionsraten (*) von etwa 70 Prozent erzielt werden. Erwachsenen ALL-Patienten, die nicht mehr
auf Chemotherapie ansprechen, wird eine Vorbereitung auf eine allogene Stammzelltransplantation (**)
ermöglicht. Dies war bisher in diesem fortgeschrittenen Stadium nicht mehr möglich.

 

Akute myeloische Leukämie

Hier gibt es erstmals einen Hinweis darauf, dass die Prognose von bestimmten Patientengruppen – nämlich
jenen mit einer sogenannten FLT3-Mutation – durch einen Kinasehemmer (Midostaurin) verbessert werden
kann.

 

Morbus Hodgkin

Das bereits seit einigen Jahren zur Behandlung von CD30-positiven Hodgkin-Lymphomen zugelassene
Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab Vedotin wird derzeit in Kombination mit Chemotherapie getestet
und liefert vielversprechende Daten. Darüber hinaus zeigen Checkpoint-Inhibitoren, v.a. Nivolumab und das
Pembrolizumab, beim Hodgkin-Lymphom unter allen bisher getesteten Tumorerkrankungen die besten
Ergebnisse. So werden beim wiederkehrenden (rezidivierenden), auf Chemotherapie nicht ansprechenden
(therapierefraktären) Morbus Hodgkin Remissionsraten von etwa 87 Prozent erzielt.

Non-Hodgkin-Lymphom (NHL)

Bei schwierig zu behandelnden Patienten mit indolentem NHL kann die Kombination des CD20-Antikörpers
Obinutuzumab mit Chemotherapie das progressionsfreie Überleben (***) sowie die Lebensqualität signifikant
verbessern.

 

Personalisierte Medizin in der Hämatologie

Bei Leukämien und Lymphomen können Tumorzellen mit einfachen Methoden aus dem Knochenmark oder dem Blut gewonnen werden. Daher eignen sie sich in besonderem Ausmaß für genetische Untersuchungen, mit denen sich vorhersagen lässt, auf welche Präparate ein Patient wahrscheinlich am besten ansprechen wird.

 

Innovative Zellulär- beziehungsweise Gentherapie zur Hämatologie

In der Behandlung von B-Zell-Tumoren stellt die Zelltherapie mit CAR (Chimaric Antigen Receptor)-T-Zellen einen völlig neuartigen Therapieansatz dar. Dabei wird in normale T-Zellen eines Patienten mittels eines Virus ein CD19-Rezeptor eingeschleust, der bösartige B-Zellen erkennt.

Zuerst werden dem Patienten T-Zellen entnommen, zur gentechnischen Veränderung in ein Labor nach Amerika geschickt und nach ihrer Rücksenkung – quasi „scharf gemacht“ – dem Patienten wieder zurücktransplantiert. Diese komplizierte, teure und daher derzeit auf wenige Patienten beschränkte Technologie besitzt u.a. deshalb ein hohes Potenzial, weil sie auf andere Tumorerkrankungen übertragbar ist.

Bei Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie, die bereits aufgegeben waren, konnten mit dem Verfahren Remissionsraten von 100 Prozent realisiert werden. Bei Erwachsenen mit diffusen großzelligen B-ZellLymphomen kommt immerhin die Hälfte der Patienten in komplette Remission. Derartige Erfolgsraten sind bei diesen Erkrankungen bisher einzigartig und unerreicht.

Die Medizinische Universität Wien ist gemeinsam mit dem St. Anna-Kinderspital eines von nur neun Zentren in Europa, die an einer Studie mit dieser Methode teilnehmen. Der erste Patient wurde erst kürzlich aufgenommen.

Information:

(*) Remission: vorübergehende oder dauernde Abschwächung der Symptome einer chronischen Erkrankung, ohne dass eine vollständige Heilung erreicht wird.

(**) Stammzelltransplantation (SZT): Übertragung von Blutstammzellen von einem Spender zu einem Empfänger. Bei der autologen SZT handelt es sich beim Spender und Empfänger um ein und dieselbe Person. Bei der allogenen SZT erhält der Patient Blutstammzellen von einem gesunden Spender.

(***) Progressionsfreies Überleben (PFS): Zeitraum vom Start einer Therapie bis zum Fortschreiten der Erkrankung.


Quellen:

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger – Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie an der Medizinischen Universitätsklinik – im Rahmen des Pressefrühstücks zu »Neue Therapien – neue Hoffnung – neue Herausforderungen« zur medizinischen Forschung in der Krebstherapie.

www.leben-mit-krebs.at;

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