Donnerstag, April 18, 2024

Manche Dialyse-Patienten profitieren von Statinen zur Cholesterin-Senkung

Manche Dialyse-Patienten profitieren von der Therapie mit Statinen zur Cholesterin-Senkung, doch es gibt Unterschiede bei den Patienten und den Statinen.

Im Grunde genommen haben Patienten, die aufgrund einer schweren Nierenerkrankung auf eine Dialyse, künstliche Blutwäsche, angewiesen sind, ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Denn häufig gehen mit einem chronischen Nierenversagen auch Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen sowie Blutarmut einher. Ob aber in diesem Zusammenhang die Behandlung von Dialyse-Patienten mit Statinen gerechtfertigt ist, ist umstritten, da randomisierte Studien mit (Hämo-) Dialyse-Patienten deren Nutzen nicht belegen. Bereits vor mehreren Jahren haben sich Experten des Universitätsklinikums Würzburg und der Universitätsmedizin Mannheim der Frage gewidmet, ob Dialyse-Patienten von der Therapie mit Statinen zur Cholesterin-Senkung profitieren. Ein differenzierter Blick zeigt, dass diese Frage nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten ist. Entgegen dem Anschein zweier einschlägiger Studien scheint ein definierter Teil von Dialyse-Patienten tatsächlich von der Therapie mit Statinen zu profitieren. Nun haben sie einen Score entwickelt, der die Vorhersage eines Behandlungseffektes der Statin-Therapie bei den unterschiedlichen Dialyse-Patienten ermöglicht.



 

Zwei relevante Studien zu Statinen und Dialyse-Patienten

Statine sind blutfettsenkende Substanzen, die hauptsächlich bei Fettstoffwechselstörungen eingesetzt werden, um den Cholesterin-Spiegel zu senken. Sie werden auch als CSE-Hemmer (Cholsterinsyntheseenzymhemmer) bezeichnet. Während unbestritten ist, dass eine Therapie mit Statinen im Rahmen der Primär- und Sekundärprävention das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall reduziert, gilt dies nicht in gleichem Maße für Dialyse-Patienten.

Dialyse-Patienten könnten vom Konzept der kombinierten Lipid-Senkung bei Dialyse-Patienten mit einem Statin und einem Cholesterinabsorptionshemmer profitieren, meinen die deutschen Experten. © sciencepics / shutterstock.com
Dialyse-Patienten könnten vom Konzept der kombinierten Lipid-Senkung bei Dialyse-Patienten mit einem Statin und einem Cholesterinabsorptionshemmer profitieren, meinen die deutschen Experten. © sciencepics / shutterstock.com

Zu der Frage, ob die Therapie mit Statinen das Risiko Dialyse-Patienten für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen (als primärer kardiovaskulärer Endpunkt in den Studien definiert) reduziert, gibt es zwei große prospektive randomisierte, kontrollierte Studien, in denen die Effektivität von Statinen (Atorvastatin bei der so genannten 4D-Studie „Die Deutsche Diabetes Dialyse Studie“, Rosuvastatin bei der AURORA Studie) im Vergleich zum Placebo untersucht wurde. In beiden Studien konnte keine maßgebliche Schutzwirkung nachgewiesen werden.

Der Ursache, warum Statine bei Hämodialyse-Patienten nicht so gut zu wirken scheinen, sind die Wissenschaftler aus Würzburg und Mannheim auf den Grund gegangen. Sie haben dafür Dialyse-Patienten der 4D-Studie differenzierter angeschaut, und zwar bezüglich der „Herkunft“ ihres Cholesterins. Cholesterin kann einerseits im Körper hergestellt werden, wird aber ebenso aus dem Darm aufgenommen.

Die Wissenschaftler bestimmten in einer nachträglichen (post-hoc) Auswertung der Daten von insgesamt 1.030 Dialyse-Patienten der 4D-Studie deren individuelle Cholesterin-Aufnahmerate aus dem Darm, die sich aus dem Verhältnis zwischen Cholestanol zu Cholesterin im Blut ergibt. Entsprechend unterteilten sie das Kollektiv in drei Gruppen nach geringer, mittlerer und hoher Cholesterinaufnahme.

Dabei entdeckten die Forscher, dass Hämo-Dialyse-Patienten mit niedriger Cholesterin-Aufnahme durchaus von einer Therapie mit Atorvastatin profitieren (hazard ratio für den primären Endpunkt: 0,72; p = 0,049), während dies bei Patienten mit hoher Cholesterin-Aufnahme nicht der Fall ist (hazard ratio für den primären Endpunkt: 1,21; p = 0,287).



 

Konzept der kombinierten Lipid-Senkung bei Dialyse-Patienten mit einem Statin und einem Cholesterinabsorptionshemmer

Es gibt also einen Zusammenhang zwischen der Herkunft des Cholesterins und dem Ansprechen auf Statine. Dies korrespondiert mit der Beobachtung, dass Statine die körpereigene Cholesterinsynthese hemmen, nicht aber die Cholesterinaufnahme aus dem Darm. Eine Therapie von Dialyse-Patienten mit Statinen sollte auch davon abhängig sein, ob es sich um Patienten mit hoher oder niedriger Cholesterin-Absorption handelt.

 

Welche Dialyse-Patienten von einer Behandlung mit Statinen profitieren

Den Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und des Universitätsklinikums Würzburg ist es aktuell nicht nur gelungen nachzuweisen, dass Untergruppen von Dialyse-Patienten tatsächlich unterschiedlich von der Behandlung mit Statinen zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen profitieren. Sondern sie entwickelten auch einen Score zu, der für einzelne Dialyse-Patienten eine Vorhersage über die klinische Wirksamkeit von Statinen erlaubt.

Dazu untersuchten die Forscher im Rahmen der Deutschen Diabetes Dialyse Studie (4D-Studie) erfassten klinischen und biochemischen Eigenschaften der Studienteilnehmer daraufhin, ob sie in einem Zusammenhang zur Wirkung von Atorvastatin auf die Entwicklung von kritischen kardiovaskulären Ereignissen (beispielsweise Herzinfarkten und Schlaganfällen) oder Tod der Teilnehmer im Verlauf der Studie standen.

 

Je länger die Dialyse-Behandlung andauert, desto weniger wirksam ist die Lipidsenkung mit Atorvastatin

Viele Parameter modifizieren die Wirkung der Statine. So zeigte sich beispielsweise, dass Statine besonders bei Patienten mit hohem LDL-Cholesterin im Anfangsstadium der Dialysebehandlung wirksam sind. Den in deisem Fall ist die Fettstoffwechselstörung noch ein wesentlicher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Je länger die Dialysebehandlung jedoch andauert, desto weniger wirksam ist die Statin-induzierte Lipidsenkung. Denn dann kommen oft weitere Erkrankungen hinzu, deren Fortschreiten durch unterschiedliche Marker nachgewiesen werden kann.

Indem sie die Parameter in klinisch anwendbare Scores integrierten, konnten die Wissenschaftler drei Gruppen von Dialysepatienten bilden:

  • Patienten, bei denen Atorvastatin eine deutliche Verminderung der kardiovaskulären Endpunkte bewirkte,
  • Patienten, bei denen sich praktisch kein Effekt zeigte und
  • Patienten, bei denen sogar eine signifikant nachteilige Wirkung von Atorvastatin sichtbar wurde.

Mit der Hilfe des vorgeschlagenen Scores können Kliniker also nicht nur jene Patienten auswählen, die am meisten von der Behandlung mit Statinen profitieren würden, sondern auch jene identifizieren, die potenziell Schaden nehmen könnten.

Die Betrachtung der biologischen Systeme bei Dialysepatienten half den Forschern dabei, das Konzept, wie verschiedene Faktoren direkt und indirekt die Wirkung der Statine modifizieren, sehr gut zu verstehen. Man kann davon ausgehen, dass einige der in dieser Arbeit identifizierten Mechanismen und Marker auch für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen größerer Populationen wirksam sind und auch dort ein personalisierter Ansatz der Lipidsenkung äußerst sinnvoll wäre.



 

Zusammenhang der Lipophilie einzelner Statine und den kardiovaskulären Ereignissen bei Dialyse-Patienten

Die Lipophilie von Statinen kann die Kontraktion des Herzmuskels beeinflussen. Ob die Lipophilie von Statinen das Risiko der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Dialyse-pflichtigen Patienten beeinflusst, ist unklar.

Eine aktuelle bevölkerungsbasierte Studie untersuchte nun die Daten aus den Jahren 2000 bis 2013 von 114.929 Dialyse-Patienten aus dem Register der National Health Insurance Research Database in Taiwan. Die Statine wurden nach der Dialyse initiiert und nach Verwendungsdauer in hydrophil und lipophil klassifiziert. Insgesamt wurden 17.015 Statin-Patienten identifiziert.

Die Verwendung mancher Statine war bei den Dialyse-Patienten mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden, aber einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit. Zudem hatten Hydrophile Statine wie Pravastatin oder Rosuvastatin im Vergleich zu lipophilen Statinen wie Atorvastatin, Simvastatin, Fluvastatin oder Lovastatin ein signifikant niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.




Literatur:

Wang SW, Li LC, Su CH, Yang YH, Hsu TW, Hsu CN. Association of Statin and Its Lipophilicity With Cardiovascular Events in Patients Receiving Chronic Dialysis. Clin Pharmacol Ther. 2020;107(6):1312-1324. doi:10.1002/cpt.1722

Silbernagel G, Fauler G, Genser B, Drechsler C, Krane V, Scharnagl H, Grammer TB, Baumgartner I, Ritz E, Wanner C, März W. Intestinal cholesterol absorption, treatment with atorvastatin, and cardiovascular risk in hemodialysis patients. J Am Coll Cardiol. 2015;65(21):2291-2298. doi:10.1016/j.jacc.2015.03.551

Wanner C, Krane V, März W, et al. Randomized controlled trial on the efficacy and safety of atorvastatin in patients with type 2 diabetes on hemodialysis (4D study). Demographic and baseline characteristics. Kidney Blood Press Res. 2004;27(4):259-266. doi:10.1159/000080241


Quellen: Universitätsklinikums Würzburg, Universitätsmedizin Mannheim

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