Donnerstag, April 25, 2024

Diagnostik bei Kopf-Hals-Tumor mithilfe von künstlicher Intelligenz verbessert

Ein neues Diagnostik-Verfahren kann bei einem Kopf-Hals-Tumor anhand chemischer Veränderungen der DNA die Herkunft von entartetem Gewebe herausfinden.

Forschenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) konnten nun ein Problem der Diagnostik bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumor lösen. Zusammen mit Wissenschaftlern der TU Berlin entwickelten sie dazu mithilfe von künstlicher Intelligenz ein neues Verfahren. Dieses ermittelt anhand chemischer Veränderungen der DNA die Herkunft von entartetem Gewebe. An der Charité erprobt man derzeit die Einführung des Verfahrens in die klinische Routine.

 

Kopf-Hals-Tumor und Lungentumor

Als Kopf-Hals-Tumor bezeichnet man Krebs in Mundhöhle, Kehlkopf, Nase sowie anderen Bereichen an Kopf und Hals. Wobei manche Patienten zusätzlich auch einen Lungentumor entwickeln. „Hier lässt sich in den allermeisten Fällen nicht sicher unterscheiden, ob es sich um eine Streuung, eine sogenannte Metastase, des Kopf-Hals-Tumors handelt. Oder um einen zweiten Tumor, also ein Lungenkarzinom“, erklärt Prof. Dr. Frederick Klauschen vom Institut für Pathologie der Charité.

Zusammen mit Prof. Dr. David Capper vom Institut für Neuropathologie der Charité hat er die Studie geleitet. „Für die Therapie der Betroffenen hat diese Unterscheidung jedoch große Bedeutung“, betont Prof. Klauschen. „Während Patienten mit lokal begrenzten Lungenkarzinomen mittels einer Operation potenziell geheilt werden können, haben jene mit einem metastasierten Kopf-Hals-Tumor eine deutlich schlechtere Überlebenschance und benötigen beispielsweise eine Radiochemotherapie.“

 

Wenn Diagnostik-Untersuchungen bei Kopf-Hals-Tumor keine eindeutigen Ergebnisse bringen

Normalerweise greifen Pathologen zur Unterscheidung zwischen Metastase und Zweittumor auf etablierte Methoden zurück. Und zwar sind das die Analyse der Feinstruktur des Tumors sowie der Nachweis der charakteristischen Eiweiße im Gewebe. Da ein Kopf-Hals-Tumor und ein Lungenkarzinom hier jedoch große Ähnlichkeit zeigen, liefert diese Diagnostik-Untersuchungen in einem Großteil der Fälle kein eindeutiges Ergebnis.

„Um dieses Problem zu lösen, analysierten wir Gewebeproben hinsichtlich einer speziellen chemischen Veränderung der DNA, der sogenannten Methylierung“, erläutert Prof. Capper, der wie auch Prof. Klauschen wissenschaftliches Mitglied des DKTK am Standort Berlin ist. „Aus früheren Studien wissen wir, dass das Methylierungsmuster von Krebszellen sehr stark davon abhängig ist, aus welchem Organ der Tumor abstammt.“

 

Neuronales Netzwerk differenziert mit einer Genauigkeit von über 99 Prozent

Um diese Information nutzbar zu machen, wendete die Forschungsgruppe in Kooperation mit Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Professor für Maschinelles Lernen an der TU Berlin, Methoden der künstlichen Intelligenz an. Anhand von Methylierungsdaten mehrerer hundert Kopf-Hals- und Lungentumoren trainierten sie ein tiefes neuronales Netzwerk so, dass es lernte, diese Tumorarten zu unterscheiden. „Unser neuronales Netzwerk ist nun in der Lage, Lungenkarzinome und Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren in den meisten Fällen mit einer Genauigkeit von über 99 Prozent zu unterscheiden“, unterstreicht Prof. Klauschen.

„Damit Patientinnen und Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren und zusätzlichen Lungentumoren schnellstmöglich von den Ergebnissen unserer Studie profitieren, erproben wir derzeit an der Charité die Einführung dieses neuen diagnostischen Verfahrens in die klinische Routine. Dazu gehört auch, die neue Methode in einer prospektiven Studie zu validieren, um in Zukunft eine flächendeckende Anwendung für alle Betroffenen zu ermöglichen.“

Auch Prof. Müller, der das Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen leitet und in diesem Rahmen mit den Wissenschaftlern der Charité kooperiert, freut sich über die Ergebnisse der Arbeit: „Künstliche Intelligenz spielt in unserem täglichen Leben, der Industrie sowie der naturwissenschaftlichen und medizinischen Forschung eine zunehmend wichtige Rolle. Gerade in der Medizin ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz aber besonders komplex, daher kommen Forschungsergebnisse bislang nur selten direkt bei den Patientinnen und Patienten an. Das könnte sich jetzt ändern.“

Literatur:

Jurmeister P & Bockmayr M et al. Machine learning analysis of DNA methylation profiles distinguishes primary lung squamous cell carcinomas from head and neck metastases. Sci Transl Med. 2019 Sep 11. doi: 10.1126/scitranslmed.aaw8513

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