Donnerstag, April 25, 2024

Deutscher Herzbericht 2015 veröffentlicht

Der aktuelle „Deutsche Herzbericht“ dokumentiert: Viele Herz-Patienten leben immer länger – die kardiologische Versorgung ist auf hohem Niveau.

 

Der in Berlin vorgestellte aktuelle „Deutsche Herzbericht“ dokumentiert mit aktuellen Zahlen die beeindruckenden Fortschritte der deutschen Herz-Medizin und deren praktische Auswirkungen für Herz-Patienten. „Verstarben im Jahr 1990 in Deutschland insgesamt noch 324,8 Einwohner pro 100.000 an den häufigsten Herzkrankheiten, ging die Sterbeziffer bis zum Jahr 2013 um 17,2 Prozent auf 268,9 zurück“, berichtet Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck (Hamburg), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) auf einer Pressekonferenz.

Im Detail verringerte sich zwischen den Jahren 1990 und 2013 die Sterbeziffer in der großen Gruppe der ischämischen, durch Minderdurchblutung bewirkten Herzkrankheiten von 216,3 auf 159,5, bei der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) von 82,0 auf 56,7, und bei angeborenen Herzfehlern von 1,5 auf 0,6.

 

Weniger Todesfälle bei Herzinfarkt

Bei zwei Gruppen von Herz-Krankheiten ist der Trend allerdings gegenläufig: So stieg zwischen 1990 und 2013 die Sterbeziffer bei Herzklappenkrankheiten von 7,8 auf 19,7 und bei Herzrhythmusstörungen von 17,1 auf 32,4 an. „Diese Entwicklungen sind zum Teil eine Konsequenz der Fortschritte in der modernen Herz-Medizin mit dadurch geänderter Wahrnehmung, die sich in der Zuordnung der Diagnosen auf den Totenscheinen widerspiegelt“, erklärt Prof. Kuck.

„Heute überleben allerdings auch immer mehr Patienten einen akuten Herzinfarkt, erkranken aber später an anderen Herzkrankheiten. Dieser Trend ist damit auch Ausdruck der zunehmenden Lebenserwartung, wobei zum Beispiel das Risiko für Herzklappen- oder Herzrhythmuserkrankungen mit zunehmendem Alter überproportional ansteigt.“

Herzkrankheiten summierten sich auf 1.595.312 bzw. 8,3 Prozent aller 2013 im Rahmen der Krankenhausdiagnose-Statistik erfassten 19.249.313 vollstationären Fälle. Insgesamt sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen für zwei Drittel aller Todesfälle in Deutschland verantwortlich und somit unverändert die Todesursache Nummer 1. Die drei Krankheitsgruppen chronische ischämische Herzkrankheit, akuter Herzinfarkt und Herzinsuffizienz machten knapp die Hälfte der zehn häufigsten Todesursachen aus.

Am akuten Herzinfarkt verstarben 2013 in Deutschland 64,4 von 100.000 Einwohnern, das ist gegenüber dem Jahr 1990 ein Rückgang von rund 40 Prozent: 42,2 Prozent bei Männern und 37,2 Prozent bei Frauen. Nach einem geringfügigen Anstieg im Jahr 2012, der vorrangig durch die Umstellung der Berechnungsgrundlage aufgrund des Zensus 2011 verursacht war, hat sich 2013 der generelle Abwärtstrend fortgesetzt.

„Es ist davon auszugehen, dass die Verringerung der Sterbeziffer beim akuten Herzinfarkt neben dem Rückgang der Anzahl von Rauchern auch auf Verbesserungen der strukturellen und therapeutischen Maßnahmen zurückzuführen ist“, so Prof. Kuck.

„Allen voran ist hier die flächendeckende Herzkatheter-Therapie zu nennen, die eine interventionelle Wiedereröffnung der verschlossenen Blutgefäße mittels Notfall-Kathetereingriff ermöglicht. Außerdem wurde die Zeit im Rettungswagen vor dem Erreichen des Krankenhauses verkürzt, das Notarztsystem ausgebaut und die ‚Pforte-Ballon-Zeit‘ im Krankenhaus reduziert. Auch der Einsatz von Stents zum Offenhalten verengter oder verschlossener Blutgefäße, eine optimierte Thrombolyse (Blutgerinnsel-Auflösung) und eine immer bessere medikamentöse Begleittherapie spielen hier eine wichtige Rolle.“

 

Bei Herzkatheter hohes Versorgungsniveau mit guter Qualität

Einen weiterhin steigenden Trend verzeichnet der neue Herzbericht beim Einsatz von Herzkathetern für diagnostische und therapeutische Zwecke: Zwischen 2013 und 2014 stieg die Zahl der diagnostischen Linksherzkatheter-Untersuchungen, auf das Bundesgebiet hochgerechnet, von 885.131 auf 906.843 an, die Zahl der Perkutanen Katheterinterventionen (PCI) von 342.749 auf 361.377.

Vom AQUA Institut (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH) erhobene Daten zeigen, dass bezüglich der Indikation zur Herzkatheter-Untersuchung in sehr hohem Maß den gültigen Leitlinien entsprechend vorgegangen wurde. In über 93 Prozent aller Untersuchungen (2013) gibt es demnach die geforderten klinischen Symptome oder den Nachweis einer Ischämie (Minderdurchblutung). Für die meisten Herzinfarkt-Patienten ist eine Herzkatheter-Intervention die optimale und oft lebensrettende Behandlung. Prof. Kuck: „Anhand der aktuellen Zahlen lässt sich weder eine Über- noch eine Fehlverordnung feststellen. Beim Blick auf die Gesamtentwicklung und die Behandlungsresultate steht Deutschland im internationalen Vergleich besser da als andere Länder.“

Steigend ist auch die Zahl implantierter Stents zum Offenhalten von Blutgefäßen: Hochgerechnet erhöhte sich ihre Zahl auf 323.828 Fälle (2014) gegenüber 300.740 im Jahre davor.

Aufgrund der Bevölkerungsstruktur und von Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) im Alter ist zu erwarten, dass die Katheter-Zahlen 2016 auf dem bestehenden hohen Niveau bleiben. „Kritisch gesehen wird die Frage, ob in Zukunft nicht viele elektive (Anm.: nicht unmittelbar erforderliche) Katheter-Untersuchungen durch nicht-invasive Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) ersetzt werden können“, so Prof. Kuck. „Dazu fehlen allerdings in Deutschland bisher adäquate Rahmenbedingungen zum Beispiel bei der Spezialisierung und in der Vergütung und geeignete klinische Studien.“

 

Verbesserte Therapien von Herzrhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen gehören heute zu den häufigsten Herzkrankheiten, in den Sterblichkeits- und Häufigkeitsstatistiken ist bei ihnen in den vergangenen Jahren ein Anstieg zu verzeichnen. Die Zahl der vollstationär behandelten Fälle pro 100.000 Einwohner ist zwischen 2008 und 2013 um 23,3 Prozent angestiegen. „Die Ursache dieses Anstiegs kann unter anderem in der verbesserten Diagnostik der Herzrhythmusstörungen gesucht werden, aber auch in der Alterung des Bevölkerungsdurchschnitts“, so Prof. Kuck. „Im gleichen Zeitraum haben sich die medikamentösen, chirurgischen, interventionellen und invasiv-ablativen Behandlungsmöglichkeiten verbessert.“ Nach einer Hochrechnung wurden 2014 in Deutschland 58.374 elektrophysiologische Untersuchungen vorgenommen, um 13 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Zahl der Katheter-gestützten Ablationen von Herzrhythmusstörungen war mit 69.052 um 11,5 Prozent höher als im Jahr davor.

 

Implantation von Herzschrittmachern und Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland im Rahmen der stationären Versorgung von Patienten insgesamt 156.870 Operationen bei kardialen Rhythmusimplantaten durchgeführt, 108.193 Schrittmacher-Implantationen und 58.677 Implantationen von Kardioverter-Defibrillatoren (ICD). Das waren knapp 3.000 Eingriffe mehr als im Jahr davor. Prof Kuck: „Derzeit erhalten in Deutschland mehr Männer als Frauen Schrittmacher/ICD-Systeme. Die Morbidität der Herzrhythmusstörungen ist allerdings bei Frauen größer als bei Männern, sodass der große Geschlechterunterschied nicht plausibel ist.“

Obwohl die Neuimplantationsrate pro Million Einwohner in Deutschland etwas höher ist als etwa in Schweden oder der Schweiz, kann von einer Überbehandlung nicht die Rede sein: „Die Leitlinientreue bei der Indikationsstellung liegt sowohl bei den Herzschrittmachern als auch bei den ICD bei mehr als 90 Prozent. Bei der Auswahl der Systeme wurde in 97,5 Prozent der Schrittmacher und 95,1 Prozent der ICD die Leitlinien berücksichtigt“, so der DGK-Präsident. „Die Qualität der Versorgung mit kardialen Rhythmusimplantaten hat in Deutschland weiterhin ein hohes Niveau und kann sich mit den beiden europäischen Nachbarn, die belastbare Daten generieren, durchaus messen.“

 

Katheter-gestützte Herzklappen-Implantation immer häufiger und sicherer

Bei den Herzklappenerkrankungen ist von 1995 bis 2013 insgesamt ein Anstieg der stationären Morbiditätsziffer von 69 auf 107 feststellbar, was einem Plus von 55,4 Prozent entspricht. Prof. Kuck: „Wahrscheinlichste Ursache für die Entwicklung ist die höhere Lebenserwartung insgesamt und die verbesserte Diagnostik bei diesen Erkrankungen.“ In der Altersgruppe der ab 75-Jährigen war eine besonders hohe Zunahme der stationären Morbiditätsziffer um 153,4 Prozent von 224 auf 568 pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen, diesem Anstieg steht ein Rückgang in den meisten anderen Altersgruppen gegenüber.

In der Therapie gibt es seit einiger Zeit, in Ergänzung der Klappenchirurgie mit Klappenersatz oder Klappenrekonstruktion, die Möglichkeit, mittels Gefäßkatheter über verschiedene Zugangswege die Aortenklappe zu ersetzen (Katheter-gestützter perkutaner Aortenklappenersatz, TAVI). Auch die Behandlung der undichten Mitralklappe mittels Kathetertechnik ist heute möglich.

Inzwischen wird TAVI nicht mehr nur bei ausgesprochenen Risikopatienten, sondern auch schon bei mittlerem Risiko als Alternative zum herzchirurgischen Klappenersatz durchgeführt – und das mit sehr guten Ergebnissen. Laut aktuellen Registerdaten der verpflichtenden Qualitätssicherung AQUA hat TAVI auch bei Patienten mit mittlerem Risiko ein niedrigeres Sterblichkeitsrisiko als die konventionelle chirurgische Operation. Ob TAVI bei Patienten mit mittlerem Risiko generell empfohlen werden kann, wird gegenwärtig in großen randomisierten Studien geprüft.

2013 wurden in Deutschland erstmals mehr TAVI als chirurgische Klappen implantiert. Gemäß AQUA-Report beträgt die Sterblichkeit im Krankenhaus nach dem Eingriff insgesamt 6,5 Prozent, was jedoch Patienten aller Risikostufen einschließt. Die Auswertung zeigt, dass das Sterberisiko unmittelbar nach einer herzchirurgisch implantierten Klappe nur bei Patienten mit sehr niedrigem Operationsrisiko etwas geringer ist als nach einer transvaskulären, über die großen Blutgefäße erfolgenden TAVI-Implantation, obwohl die TAVI-Patienten im Durchschnitt rund 12 Jahre älter sind. In allen anderen Risikogruppen schneiden transvaskuläre TAVI Patienten am besten im Vergleich zu transapikalen und diese wiederum besser als herkömmlich chirurgische Patienten ab.

 

Herzbericht ergibt, dass umfassende Prävention angezeigt ist

Der Herzbericht zeigt auch gravierende Unterschiede in der Herzgesundheit zwischen den Bundesländern auf, wobei Sachsen-Anhalt besonders negativ abschneidet. Es nimmt seit Jahren eine Spitzenposition in der Sterblichkeitsstatistik der ischämischen, durch verminderten Blutfluss bedingten Herzkrankheiten ein. Sachsen-Anhalt ist hinsichtlich sozialer Faktoren (Anteil an Schulabgängern ohne Abschluss, niedriger Anteil von Personen mit (Fach-) Hochschulreife, hohe Arbeitslosigkeit, etc.) in einer sehr ungünstigen Lage.

Solche Faktoren sind Studien zufolge Determinanten von Lebensstilfaktoren und damit auch von Risikofaktoren der ischämischen Herzkrankheit. Die Häufigkeit des Rauchens, von Übergewicht und Fettleibigkeit, des Diabetes mellitus, depressiver Symptome, diagnostizierter Depressionen und sportliche Inaktivität sind bei Menschen mit niedrigem Sozialstatus deutlich erhöht.

„Hier liegen präventive Ansatzmöglichkeiten zur Senkung der Sterblichkeit der ischämischen Herzkrankheit“, so Prof. Kuck. „Zu wünschen ist, dass eine verbesserte Diagnostik von Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, sowie eine konsequente Behandlung der neu entdeckten Diagnosen zu einer weiteren Reduktion der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt.“

Bekannt ist ebenfalls, dass bei einem großen Prozentsatz von Patienten mit bekannter und behandelter arterieller Hypertonie keine optimale Blutdruckeinstellung gelungen ist. Prof. Kuck: „Auch hier besteht ein sinnvoller Ansatz zur kardiovaskulären Prävention von Morbidität und Mortalität.“

Neben dem klinisch-präventiven Ansatz sei ein gesellschaftlich-politischer Ansatz im Sinne einer Verhältnisprävention zu bedenken. Hierzu gehören eine Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sowie vor allem politische Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und geringe Bildung. „Soziale Faktoren lassen sich, wenn überhaupt, nur sehr langsam politisch beeinflussen“, so der DGK-Präsident.

„Daher sind Präventionsmaßnahmen dringend angezeigt, die das individuelle Verhalten günstig beeinflussen, und Maßnahmen, die zu einer optimalen Behandlung entdeckter und aufzudeckender Hypertoniker, Diabetiker und Patienten mit gestörtem Fettstoffwechsel führen.“

 

Quelle und weitere Informationen:

Pressetext DGK 01/2016

http://www.dgk.org

http://www.dgk.org/presse

http://www.kardiologie.org

http://dgk.org/daten/PraesentationHerzbericht2015-final.pdf

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