Freitag, April 19, 2024

Depression-Screening ist der Nutzen nicht bewiesen

Ein Depression-Screening könnte durchaus sinnvoll sein, um eine Depression früher erkennen und in Folge auch besser behandeln zu können.

Bei knapp 12 % aller Erwachsenen in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens eine Depression diagnostiziert. Wobei ein Depression-Screening für die Patienten Vor- oder Nachteile haben kann. Beispielsweise könnten Hausärzte ein Depression-Screening anhand eines Fragebogens anbieten, der Hinweise auf eine depressive Störungen geben kann. Ein Vorteil könnte darin bestehen, dass die Diagnose frühzeitig gestellt und in Folge früh eine Therapie begonnen werden kann. Doch laut mancher Studien-Ergebnisse sind der Nutzen und der Schaden weiterhin unklar. Jüngste Daten aus der USA lassen hingegen doch gewisse Vorteile vermuten.

 

Ein Screening auf Depression kann prinzipiell auch schaden

Eine (unipolare) Depression verläuft meist in Episoden: Es kann Phasen mit wenigen oder keinen Beschwerden geben, gefolgt von Phasen, in denen die Symptome, vor allem Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit, erneut auftreten oder sich verstärken können.

Ein Nutzen des Screenings könnte darin bestehen, dass die Erkrankung früher erkannt und dann auch besser behandelt werden kann. So ließe sich etwa verhindern, dass sich die Betroffenen dauerhaft aus dem sozialen Leben zurückziehen oder arbeitsunfähig werden.

Einen Schaden könnte das Depression-Screening verursachen, wenn der Test ein sogenanntes falsch-positives Ergebnis ergibt. Wenn beispielsweise das Screening eine Depression anzeigt, die Betroffenen aber gar nicht erkrankt sind. Der Befund könnte sie emotional unnötig belasten. Womöglich haben sie unter den Nebenwirkungen von Medikamenten zu leiden, die sie gar nicht brauchen.

Beispielsweise konnte eine Analyse aus insgesamt sieben prospektiv geplanten Interventionsstudien sich keine belastbaren Aussagen ableiten. Denn entweder unterschieden sich die Ergebnisse zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern des Screenings gar nicht. Oder die Unterschiede waren zu gering, um medizinisch relevant zu sein.

 

Nur wenige westliche Länder haben Depression-Screening eingeführt

Allerdings empfehlen einige Gremien und Fachgesellschaften in den USA ein Depression-Screening. Wobei das jedoch kein Widerspruch ist. Denn in kaum einem anderen westlichen Land sucht man aktiv mittels Screening nach einer Depression. Da eben die Datenlage hierzu nicht ausreicht. Die Empfehlungen in den USA beziehen sich zudem nicht auf das Depression-Screening allein. Sondern es steckt dort eine Gesamtstrategie dahinter. Die stellt dann sicher, dass alle Personen mit einem „positiven“ Testergebnis angemessen medizinisch versorgt werden.


Literatur:

Gunasekera A, Berg L, Sekar H, Patra-Das S, Clarke S, Yoong W. Did the COVID-19 pandemic affect mental health, training progression, and fertility planning of obstetrics and gynecology trainees? A survey of London trainees. J Obstet Gynaecol Res. 2022 Feb 7. doi: 10.1111/jog.15164. Epub ahead of print. PMID: 35128763.

Etchin AG, Corbo V, Brown E, Fortier CB, Fonda JR, Milberg WP, Currao A, McGlinchey RE. Associations Among Clinical Variables and Anger Differ by Early Life Adversity Among Post-9/11 Veterans. Clin Psychol Psychother. 2022 Feb 6. doi: 10.1002/cpp.2722. Epub ahead of print. PMID: 35128759.

Siniscalchi KA, Broome ME, Fish J, Ventimiglia J, Thompson J, Roy P, Pipes R, Trivedi M. Depression Screening and Measurement-Based Care in Primary Care. J Prim Care Community Health. 2020 Jan-Dec;11:2150132720931261. doi: 10.1177/2150132720931261. PMID: 33185122; PMCID: PMC7673056.

Smithson S, Pignone MP. Screening Adults for Depression in Primary Care. Med Clin North Am. 2017 Jul;101(4):807-821. doi: 10.1016/j.mcna.2017.03.010. PMID: 28577628.

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