Freitag, April 19, 2024

Darmkrebs – eine vermeidbare Tumorerkrankung

Besonders häufig tritt Darmkrebs in wirtschaftlich besser gestellten Ländern auf. Wie häufig ist Darmkrebs nun? Wie viele Menschen sterben daran?

Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung weltweit. Jedes Jahr erkranken ca. 1,4 Millionen Menschen an Darmkrebs, etwa die Hälfte von ihnen stirbt daran. Besonders häufig tritt Darmkrebs in wirtschaftlich besser gestellten Ländern auf. Ohne wirksame Vorsorge müssten dort fünf bis zehn Prozent der Menschen damit rechnen, im Laufe ihres Lebens an Darmkrebs zu erkranken. In Deutschland erhielten bis vor wenigen Jahren noch ca. 73.000 Menschen pro Jahr die Diagnose Darmkrebs. Die Zahl der Todesfälle durch Darmkrebs lag bei fast 30.000 pro Jahr und damit fast 10-mal so hoch wie die Zahl der Todesfälle durch Verkehrsunfälle.

 

Wie sind die Heilungschancen bei Darmkrebs?

Die Heilungschancen hängen sehr stark davon ab, wie früh der Tumor erkannt wird. Bei Diagnose in einem frühen Stadium liegen sie zwischenzeitlich bei über 90 Prozent. Bei Diagnose in einem fortgeschrittenen Stadium sind die Heilungsaussichten trotz aller Fortschritte in der Therapie nach wie vor sehr niedrig. Liegen beispielsweise bereits Fernmetastasen vor, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate unter 20 Prozent. Aus diesem Grund ist die Früherkennung besonders wichtig.

 

Welche Möglichkeiten der Vorsorge gibt es?

Noch wichtiger als die Entdeckung und Behandlung von Darmkrebs im Frühstadium ist die rechtzeitige Entdeckung von Vorstufen, in der Regel größerer Polypen, so dass es erst gar nicht zum Auftreten der Erkrankung kommt. Die Voraussetzungen, solche Vorstufen rechtzeitig zu entdecken, sind bei Darmkrebs besonders günstig, da sich die Erkrankung in der Regel langsam – über Jahre – aus diesen Vorstufen entwickelt.
Die zuverlässigste Methode, Darmkrebsvorstufen zu finden und dabei gleich zu entfernen, ist die Darmspiegelung (Koloskopie), die in Deutschland seit 2002 als Kassenleistung zur Krebsvorsorge ab 55 Jahren angeboten wird. Im Alter von 50-54 Jahren besteht die Möglichkeit, einmal pro Jahr einen Test auf Blut im Stuhl vorzunehmen. Ab 55 Jahren haben Versicherte Anspruch auf eine Darmspiegelung, können alternativ aber auch den jährlichen Stuhltest nutzen.

Seit dem 1. April 2017 werden neuere, immunologische Tests auf Blut im Stuhl als Kassenleistung angeboten, die das Vorliegen von Darmkrebs und auch eines Teils seiner Vorstufen sehr viel zuverlässiger anzeigen als der herkömmliche, chemische Stuhlbluttest. Bei positivem Test muss sich dann eine Darmspiegelung anschließen.

 

Was wurde erreicht? Was könnte erreicht werden? Was bleibt zu tun?

Hochrechnungen zufolge wurden allein in den ersten 10 Jahren der Vorsorgekoloskopie in Deutschland bei über vier Millionen Teilnehmern ca. 180.000 Darmkrebsfälle durch Entdeckung und Entfernung von Vorstufen verhütet, weitere ca. 40.000 Darmkrebsfälle wurden in einem meist noch heilbaren Stadium frühzeitig erkannt. Wenngleich viele der verhinderten Darmkrebsfälle erst Jahre später aufgetreten wären, ist bereits jetzt ein deutlicher Rückgang der Erkrankungs- und Sterberaten an Darmkrebs erkennbar – um ca. 20 Prozent in den letzten 10 Jahren. Auch die absoluten Zahlen der Erkrankungs- und Sterbefälle sind trotz der demographischen Alterung inzwischen rückläufig.

Dabei ist das Potenzial der Darmkrebsvorsorge noch lange nicht ausgeschöpft. Einer aktuellen Hochrechnung zufolge liegt die Zahl der Darmkrebs-Sterbefälle zwar bereits um ca. 30 Prozent unter der Zahl, die ohne die Vorsorge-Effekte der Koloskopie zu erwarten wäre. Sie könnte aber um nochmals ca. 40 Prozent niedriger sein, wenn die Vorsorge-Angebote konsequenter genutzt würden. Eigene Studien und Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, wie dies mit persönlicher Information und Einladung im Rahmen eines organisierten Vorsorgeprogramms erreicht werden kann. Die Einführung eines solchen Programms wird von Experten im Nationalen Krebsplan sowie dem Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz schon seit Jahren gefordert. Die Umsetzung dieser Forderung, die den Rückgang der Neuerkrankungen und Sterbefälle an Darmkrebs deutlich beschleunigen könnte, ist  überfällig.


Quelle: Statement von Professor Dr. Hermann Brenner, Leiter der Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung im DKFZ und kommissarischer Leiter der Abteilung Präventive Onkologie am NCT

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