Mittwoch, April 24, 2024

Einfluss von Darmbakterien auf Hormonhaushalt und Fruchtbarkeit

Darmbakterien entscheiden mit, ob jemand gesund oder krank ist, Gewicht zunimmt oder sich seelisch wohl fühlt. Außerdem beeinflussen sie Hormonhaushalt und Fruchtbarkeit.

Der menschliche Körper gleicht einer großen Wohngemeinschaft. Auf der Haut, im Darm und an vielen anderen Stellen des Körpers leben Milliarden von Mikroorganismen. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien, das sogenannte Darmmikrobiom, über Gesundheit und Wohlbefinden mit entscheiden.

Denn sie verantworten auch mit, ob jemand gesund oder krank ist, an Gewicht zulegt sowie sich depressiv oder seelisch ausgeglichen fühlt. Das Darmmikrobiom kann weiters auch unseren Hormonhaushalt beeinflussen und beispielsweise das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS), das mit Übergewicht und ungewollter Kinderlosigkeit einhergehen kann, mitverursachen.

 

Darmbakterien beeinflussen die Verdauung von Zucker, Fetten und anderen Nährstoffen

Entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes, Adipositas, Hautkrankheiten und Allergien – viele menschliche Leiden sind in den letzten Jahren mit Veränderungen des Darmmikrobioms in Zusammenhang gebracht worden.

„Zu den wenigen Gewissheiten zählt, dass die mikrobielle Gemeinschaft aus Bakterien, Archaebakterien, Viren und Pilzen zum Stoffwechsel beiträgt und die Verdauung von Zucker, Fetten und anderen Nährstoffen beeinflusst“, erklärt Professor Dr. med. Heide Siggelkow, Kongresspräsidentin und Ärztliche Leiterin MVZ ENDOKRINOLOGIKUM Göttingen, Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Nuklearmedizin und Humangenetik, Osteologisches Zentrum DVO.

Wie das Zusammenspiel der Darmbakterien aber genau funktioniert, ist derzeit noch Gegenstand intensiver Forschungen. Dabei stellen sich Fragen, welche Arten und Zusammensetzung für die Gesundheit eines Menschen entscheidend sind. Außerdem ist unklar, wie Ursache und Wirkung in diesem komplexen Gefüge verteilt sind.

 

Polyzystische Ovar-Syndrom: Wechselspiel zwischen Hormonen und Darmbakterien

Mit Hinweisen auf ein Wechselspiel zwischen Hormonen und Darmbakterien bringen Grazer Wissenschaftler nun ein weiteres Erkrankungsbild ins Spiel. Das sogenannte Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) betrifft rund zehn Prozent aller Frauen weltweit. Weiters ist die Erkrankung unter anderem durch überhöhte Spiegel männlicher Geschlechtshormone gekennzeichnet. Diese führen zu betont männlicher Körperbehaarung, Akne, aber auch zu Haarausfall.

Die Regelblutung kann unregelmäßig werden oder ganz ausbleiben. Und es kann zu den namensgebenden „polyzystischen“, also viele Follikelbläschen aufweisenden Eierstöcken (Ovarien) führen. Frauen mit PCOS haben oft Fertilitätsprobleme, können also nicht schwanger werden, sind häufig deutlich übergewichtig und haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, aber unter anderem auch Depressionen und Angststörungen.

 

Einfluss auf Geschlechtshormone und ihre Funktion

Im Rahmen einer Pilotstudie haben Professor Dr. med. Barbara Obermayer-Pietsch von der Medizinischen Universität Graz und ihre Arbeitsgruppe Frauen mit PCOS untersucht und deren Darmmikrobiom mit dem gesunder Probandinnen verglichen. Dabei zeigte sich, dass sowohl Zahl als auch Art der Mikroben mit den Symptomen und Hormonveränderungen bei PCOS korrelierte.

Schließlich standen im Zusammenhang mit der mikrobiellen Vielfalt auch die Durchlässigkeit der Darmwand und Entzündungsfaktoren bei PCOS. Aufgrund der Studienergebnisse vermuten die Forscher auch, dass die Zusammensetzung des Darmbakterien die Geschlechtshormone und ihre Funktion beeinflussen.

Bislang wird das PCOS hauptsächlich durch Gewichtsreduktion und Hormongaben behandelt. „Wenn sich unsere Beobachtungen in größeren Studien bestätigen, könnte etwa die Anwendung prä- oder probiotischer Therapeutika infrage kommen, um die Darmflora positiv zu beeinflussen“, betont Obermayer-Pietsch, die auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel ist.

Auch insulinsensitivierende Mittel wie der Diabeteswirkstoff Metformin könnten einen höheren Stellenwert bekommen. „Metformin, das direkt auf die Darmflora wirkt, wird bislang noch zu wenig bei der PCOS-Behandlung eingesetzt. Sollten Studienergebnisse die positive Wirkung bestätigen, wäre das eine weitere Therapieoption“, ergänzt Kongresspräsidentin Siggelkow.

Literatur:

Lisa Lindheim et al.: Alterations in Gut Microbiome Composition and Barrier Function Are Associated with Reproductive and Metabolic Defects in Women with Polycystic Ovary Syndrome (PCOS): A Pilot Study. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0168390


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) – http://www.dge.de

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